Essen. . Klein, aber sehr nützlich: Insekten. Der Naturschutzbund lässt sie zählen. In NRW haben die Menschen besonders die Schmetterlinge im Blick.
Auf den weißen Blüten der Brombeere landen summend Wildbienen. Aber kein einziger Schmetterling. „Das ist traurig“, sagt Sarah Bölke vom Naturschutzbund. Dabei sind die Zitronenfalter doch schon längst unterwegs. Sauer könnte sie werden – wie sehr der Mensch die Natur zerstört. Aber auf dem stillgelegten Industriegelände der Zeche Zollverein in Essen überlässt man der Natur heute wieder die Welt, wie sie ihr gefällt. Da müsste es doch eigentlich so richtig flattern.
Bereits im dritten Jahr fordert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Menschen in NRW auf, im Sommer die Schmetterlinge zu zählen. Dieses Mal ist es ab dem 15. Juni soweit. „In NRW ist die Anzahl der auf der Roten Liste stehenden Falter sehr hoch“, erklärt Sarah Bölke. 129 Tagfalterarten sind von dem Aussterben bedroht. Auch andere Insekten sind in Gefahr, aber für die Falter lassen sich die Menschen eher begeistern: „Schmetterlinge sind Sympathieträger“, so die 31-Jährige. Nicht nur, weil sie so viele Pflanzen bestäuben. Ihre farbenfrohe Schönheit fasziniert.
Um einen Falter zu sichten, muss man nicht zum Schmetterlingshaus nach Hamm fahren. Admiral bis Zitronenfalter fliegen auch vor unserer Tür. Eigentlich. Sarah Bölke sucht auf Zollverein weiter. Ihr Blick streift übers Grün, bleibt an blühenden Blumen hängen, schließlich fliegen Schmetterlinge von Blüte zu Blüte. Doch auch das orangerote Habichtskraut ist verwaist.
Kohlweißlinge besonders häufig
Der Nabu lässt die Tiere zählen, um mehr über den Bestand der Arten zu erfahren. „In den letzten beiden Jahren waren die Kohlweißlinge am häufigsten.“ Genauso wichtig ist dem Umweltbund, dass die Menschen diese kleinen Welten zu ihren Füßen sehen, die bei genauer Betrachtung großartig sind. Wann bückt man sich schon mal, um wie Sarah Bölke einen Löwenzahn im Gebüsch zu betrachten?
„Auf Zollverein hat man 23 Tagfalterarten gefunden und 43 Nachtfalterarten, aber davon gibt es wahrscheinlich noch mehr“, so Sarah Bölke. Doch die nicht so schillernden Nachtflieger sind im Dunkeln natürlich nicht so leicht zu entdecken. Und was ist mit dem Buchsbaum-Zünsler? „Den kann man auch zählen“, sagt Sarah Bölke. Aber der ist doch nicht nur ein weiß-brauner Nachtfalter, sondern mit seinem Kahlfraß in vielen Gärten quasi der Staatsfeind Nummer eins? Wobei sein Vergehen Jugendsünden sind: Den Hunger hat er als gelb-grüne und schwarz-weiß gestreifte und gepunktete Raupe Nimmersatt. Erst wenn sie sich verpuppt, verwandelt sie sich schließlich in den schönen Schmetterling.
„In naturnahen Gärten passiert so etwas nicht so schnell“, erklärt Sarah Bölke die Zünsler-Vermehrung. Dort, wo heimische Pflanzen wachsen, es nicht ganz so aufgeräumt ist und immer etwas blüht, „gibt es genug Gegenspieler, Vögel oder Marienkäfer, die die Tiere wegfuttern.“ Auch in Flora und Fauna ist eben alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Spatz und Meise haben die Zünsler-Flut bereits spitzgekriegt: Die Vögel fliegen mittlerweile vermehrt auf den lecker mit Raupen gedeckten Buchsbaum.
Auf der Industriebrache ist an diesem Tag nicht mal ein Zünsler zu sehen – ein Buchsbaum allerdings auch nicht. Wer seinen Garten in ein Nektar-Buffet verwandeln möchte, kann mit für Falter verlockenden Pflanzen nachhelfen: „Geflecktes Lungenkraut – eine früh blühende Pflanze –, der Gewöhnliche Natternkopf, Wasserdost und andere Dostarten, alle Pflanzen des Kräutergartens: Lavendel, Thymian, Oregano . . .“, zählt Sarah Bölke die für Schmetterlinge anziehenden Gewächse auf. „Man sollte auch auf Futterpflanzen für die Raupen achten“ Es muss ja nicht immer ein Buchsbaum sein. Der Kleine Fuchs und das Tagpfauenauge fliegen etwa gern auf Brennnessel. „Auch die Distel ist eine wichtige Futter- und Nektarpflanze“, sagt Sarah Bölke und zeigt auf eine Wiese: „Hier hat man alles richtig gemacht.“
Schmetterlinge fühlen sich in hohem Gras wohl
Das Gras auf nährstoffarmen Boden ist nicht so gezähmt und nur auf einem kleinen Streifen neben dem Fußweg gemäht. Dahinter lässt man die Gräser einfach wachsen. Der Nabu verteilt spezielle Saatgutmischungen mit Schafgarbe, Wiesenbocksbart oder Acker-Stiefmütterchen.
„Da, ein Bläuling!“, ruft Sarah Bölke plötzlich. Na, also. Zwischen den hohen Gräsern fühlt er sich nicht nur als Raupe zu Hause. Aber ist das nun ein Hauhechel-Bläuling oder ein Faulbaum-Bläuling? Wer es genau sagen kann, darf das natürlich auf dem Nabu-Meldeformular vermerken. Aber keiner muss das Geschlecht eines Tieres unter dem Mikroskop bestimmen. Es reicht schlicht ein Kreuz bei „Bläuling“.
Der Bläuling dreht mal nach links ab, dann wieder schnell nach rechts. Dieses Flatterhafte wirkt ja etwas zerstreut. Dabei setzen es die Schmetterlinge taktisch ein. Sie wissen sehr wohl, wo es langgeht. Aber das müssen die Vögel ja nicht merken. Daher schlagen die Falter quasi kaninchengleich Haken in der Luft, um dem Schnabel zu entkommen.
„Da, noch ein Bläuling!“ Oder war das der von gerade? Die Flatterei macht das Zählen nicht einfach. Sarah Bölke empfiehlt: „Wenn man unsicher ist, lieber nichts ankreuzen, sonst macht man eine Falschmeldung.“
Woher der Bläuling seinen Namen hat, ist keine schwere Rätselfrage. Doch Schmetterlinge wollen mit ihrer schönen Farbe nicht angeben. Sie ist reine Strategie: „Sie signalisiert den Fressfeinden, den Vögeln: Vorsicht! Ich bin giftig. Auch wenn sie es gar nicht sind.“
>> ZÄHL-AKTION VOM 15. JUNI BIS ZUM 16. JULI
Alle können mitmachen! Schmetterlings-Sucher zählen vom 15. Juni bis 16. Juli etwa im Garten oder Park. Die Anzahl der gefundenen Falter kreuzen sie auf einem Formular an. Der Nabu verteilt den Bogen. Er lässt sich auch im Internet herunterladen: schmetterlingszeit.de. Die Daten können im Netz oder per Post bis zum 22. Juli gemeldet werden. Auf der Internetseite stehen auch Porträts von Schmetterlingen und Pflanzen, auf denen die Falter fliegen. Zudem soll die Bestimmungs-App „Zeit der Schmetterlinge“ vorm Start erscheinen. Bei Fragen: 0211/159 251-52
Parallel veranstaltet der Nabu NRW einen Wettbewerb für Schulen und Kitas. Bis zum 22. Juli können sie sich mit ihrem schmetterlingsfreundlichen Garten bewerben.
Wer vor der oder nach der NRW-Zeit Falter melden möchte, kann das bei der bundesweiten Aktion machen, dem „Insektensommer“.