Mönchengladbach. Sanna Lindström, bekannt aus der Sendung „Zwischen Tüll & Tränen“, erzählt von ihrem nicht nur rosaroten Leben und gibt Hochzeitstipps.
Schon ihr Name wird viele Menschen hierzulande entzücken: Sanna Lindström. Sofort tauchen vor dem inneren Auge rote Holzhäuschen auf, ein klarer See mitten im Wald und natürlich eine unbeschwerte Bullerbü-Kindheit. Ist das ein Schweden-Klischee? Die 30-Jährige, die in der Nähe von Uppsala groß geworden ist und heute in Mönchengladbach lebt, sagt: „Es ist natürlich nicht bei allen Familien in Schweden gleich, aber bei mir gab es schon eine Bullerbü-Kindheit. Ich bin mitten im Wald aufgewachsen, wir sind Angeln gegangen, waren Zelten. Da ich jetzt selbst einen Sohn habe, finde ich es besonders schade, dass ich nicht einfach sagen kann: ,Komm, lass uns Blaubeeren suchen.’“ Ihr Leben, das gibt sie sogleich zu, blieb jedoch auch in Schweden nicht idyllisch.
Eigentlich wollte sie Ärztin werden, wie ihr Vater, wie ihre Brüder. Aber sie schmiss ihr Studium, fühlte sich dort nicht richtig. Heute designt sie Brautmode und verkauft sie in Ateliers in Mönchengladbach, Ratingen, Krefeld. Und sie tritt im Fernsehen auf: Als Beraterin für Bräute auf der Suche nach dem Traumkleid in der Vox-Sendung „Zwischen Tüll & Tränen“. Der Titel passt auch zu ihrem Leben. Wobei es anfangs keinen Tüll gab – und später dafür umso mehr Tränen.
Fußball war ihre erste Leidenschaft
In ihrer Jugend war Fußball ihre Leidenschaft, wie sie in ihrem nun veröffentlichten Buch „Die Brautflüsterin“ im Plauderton erzählt. Sie schildert nicht nur Ideen für den großen Tag, sondern auch das Leben der Sanna, die wie alle in Schweden die Menschen duzt. „Als Kind war ich kein typisches Mädchen-Mädchen“, schreibt sie. „Im Gegenteil: Ich war sehr jungenhaft und wollte nie so richtig einsehen, dass ich anders sein sollte als meine Brüder.“
So trug sie in der Schule auch nicht wie heute weitschwingende Röcke, sondern Jogginghosen, damit sie schnell in die Sporthalle konnte. Nach ihrer Kicker-Zeit brillierte sie beim Basketball, war Reservespielerin für die schwedische Nationalmannschaft. Aber: „Die Leidenschaft schlug um und verwandelte sich in einen großen Leidensdruck.“ Die Angst zu versagen wurde größer.
Zudem verliebte sie sich in einen jungen Mann, der sehr eifersüchtig war, erzählt sie. Er habe verlangt, dass sie Kleider nur dann tragen darf, wenn sie mit ihm zusammen ist. Erst später erkannte sie, wie schlecht diese Beziehung für sie war. Der Leistungsdruck und die Manipulation durch ihren Freund führten mit dazu, dass sie sich oft in die Toilette einsperrte, weil sie mit ihrer tiefen Traurigkeit nicht mehr zurechtkam. Sie erinnert sich: „Das war wirklich sehr schlimm, aber äußerlich hat man es mir nicht angemerkt.“
Wie anders versprach doch das Leben zu werden, als sie ihre große Liebe Simon Gincberg bei einer Reise in Vietnam kennenlernte. Sie brach ihre Zelte in Schweden ab, zog 2012 zu dem Sänger, der vier Jahre zuvor bei „Deutschland sucht den Superstar“ teilgenommen hatte. Ihr Hochzeitskleid, das sie selbst entwarf, war das erste von vielen, die danach folgen sollten. Aber das wusste sie damals noch nicht.
Die Diagnose: Depression
Und so märchenhaft der Start in Deutschland auch begann, so einsam fühlte sie sich später. Ohne Beruf, ohne Freunde und Familie in der Nähe, dazu kamen die fehlenden Sprachkenntnisse. Heute spricht sie gut Deutsch – ohne den schönen Singsang des Schwedischen aufzugeben. Sie erzählt, wie sie sich gefühlt hat: „Konstant traurig, konstant hoffnungslos, überwältigende Leere. Ich habe mich so leer gefühlt, als ob alles, was schön im Leben ist, plötzlich weg wäre.“ Dinge, die für andere selbstverständlich sind, aufzustehen, Zähne zu putzen, etwas zu essen, seien ihr schwergefallen. „Das war für mich wie ein Marathonlauf.“
Erst als sie von einem Facharzt die Diagnose erfuhr, begann sich ihr Leben zu wandeln: Depression. Heute sagt sie: „Ich glaube, das ist unheimlich wichtig für den Genesungsprozess, dass man akzeptiert, dass man krank ist.“ Sie spricht nun offen über diese Krankheit, schreibt auch in ihrem Buch darüber – um mit diesem Tabu zu brechen.
Heute geht es ihr gut, die tiefe Traurigkeit ist aus ihrem Leben verschwunden. Das zweite Kind ist unterwegs – und sie geht auf in ihrem Brautmoden-Geschäft. Die Corona-Pandemie macht ihr natürlich zu schaffen. „Wir sind auch sehr hart davon betroffen“, sagt Sanna Lindström. „Im Moment ist es einfach wichtig, nach vorne zu schauen.“ Der Blick nach Schweden, das in der Pandemie einen Sonderweg gegangen ist, bereitet ihr Sorgen. Zu Weihnachten war sie dort. Insbesondere um ihre Eltern bangt sie, sie würden sich kaum aus dem Haus trauen. „Keiner trägt eine Maske, das ist schon heftig.“
Hochzeit trotz Corona? Sanna Lindström erzählt von ihrem großen Tag und gibt Tipps
War Dein Hochzeitstag der schönste in Deinem Leben?
Sanna Lindström Jetzt, wo ich meinen Sohn bekommen habe, ist das schwer zu sagen. Also es war auf jeden Fall einer der schönsten Tage (lacht). Auf er einen Seite ist der superschnell vergangen, auf der anderen Seite wie in Zeitlupe, weil es so viele Eindrücke gab, der Eintritt in die Kirche, die Feier oder die Vorbereitungen mit meinen Mädels.
Du hast Dein Kleid selbst designt – das war der Startpunkt Deiner Mode-Karriere. Was macht das perfekte Hochzeitskleid aus?
Ich glaube, es gibt nicht das perfekte Hochzeitskleid. Es geht um das perfekte Zusammenfinden von der Frau und dem Kleid, das zu ihr passt. Es geht bei einem Brautkleid nicht nur um das Optische, es geht auch darum, dass sich die Braut damit wohlfühlt.
Die meisten Bräute haben schließlich keine Modelmaße. Wie können sie trotzdem an ihrem großen Tag großartig aussehen – und nicht wie ihre eigene Hochzeitstorte?
Manche, die ein wenig korpulenter sind, meinen, sie müssten ihren Körper mit Tüll, Glitzer und Steinchen kaschieren. Aber das sehen wir komplett anders. Es braucht einfach den richtigen Schnitt, dann kann man da sehr viel zaubern.
Muss es eigentlich immer Weiß sein? Oder wird mittlerweile auch farbenfroher geheiratet?
Wenn man sehr klassisch heiraten möchte, kommt nur Weiß in Frage. Aber Weiß ist nicht gleich Weiß, da gibt es Unterschiede. Wir haben auch kein reines Weiß. Beliebt ist mittlerweile Rosa. Also ein Mini-Mini-Rosa. Wenn eine Frau ein bisschen blass ist, wirkt das weicher.
In der Corona-Zeit bietest Du eine Online-Anprobe an, wie kann das funktionieren, wenn man den Stoff nicht fühlen kann?
Fühlen kann man ihn nicht, aber sonst versuchen wir, die Online-Anprobe wie eine normale zu gestalten. Wir haben wie sonst auch ein Vorgespräch, bei dem man viel über die Braut erfährt: Was ist sie für ein Typ? Wie will sie auf der Hochzeit wirken? Was für eine Körperform hat sie? Dann zeigen wir ihr verschiedene Kleider. Wenn sie sich für ein Kleid entscheidet, fertigen wir es für sie an.
Heiraten denn die Menschen zurzeit überhaupt noch?
Ja, schon. Mir tun die Paare allerdings leid, die im vergangenen Jahr die Hochzeit absagen mussten – und es jetzt vielleicht wieder tun. Man sollte sich fragen, was einem wirklich wichtig ist. Paare, denen der intime Moment am wichtigsten ist, geben sich jetzt trotzdem das Ja-Wort und feiern im ganz kleinen Kreis.
Vielleicht ist es auch eine Chance, die Hochzeit anders zu feiern?
Ja, also viele spüren den Druck, es muss alles perfekt sein, alle müssen eingeladen werden. Nun ist die Gelegenheit, es nicht so zu machen, sondern einfach genau so, wie die beiden es sich wünschen.
Sanna Lindström: Die Brautflüsterin, Eden Books, 240 S., 16,95 €