Essen. Techno-Wettbewerb aus den Klängen von Steinen des Mineralienmuseums. Zu den besten Stücken wird bei einem Rave auf Zollverein getanzt.
Kies knirscht unter Schuhen, Sand rieselt durch die Hände, Steinplatten klackern unter Absätzen – diese Klänge sind so selbstverständlich, dass sie uns wohl erst richtig bewusst würden, wenn sie auf einmal nicht mehr da wären. Aber dass man aus solchen Klängen auch Musik machen kann, wird viele überraschen. Das Ruhr Museum in Essen sowie das zugehörige Mineralienmuseum laden zu einem Wettbewerb ein, aus Steinklängen Stone-Techno zu machen.
Der musikbegeisterte Geologe Achim Reisdorf, der die Naturwissenschaftliche Sammlung am Ruhr Museum leitet, kam auf die Idee. In dem kleinen Mineralienmuseum im Stadtteil Kupferdreh hatte seine Vorgängerin Ulrike Stottrop nach einer erfolgreichen Sonderausstellung einen Klangraum eingerichtet. Zusammen mit den Musikern Julia Zanke und Kurt Gluck zeichnete Reisdorf dort 2019 Klänge auf: „Wir haben immer nur einen Ton aufgenommen, einen Schlag auf eine Klangschale aus Quarz zum Beispiel oder von einem Kieselstein, der zu Boden fällt.“ Daraus entstand eine Musik-CD: „Nachhall aus Stein.“. Damals dachte Reisdorf bereits, man müsste diese Klänge allen Musik-Fans zugänglich machen. Doch es vergingen noch ein paar Monate, bis er den Stein ins Rollen brachte.
DJ für ein eigenes Musikstück aus Steinklängen
Der 53-Jährige, der wie so viele in der Branche im ersten Lockdown von Kurzarbeit betroffen war, sagt: „Wenn man zu Hause ist, arbeitet das Museum in einem weiter.“ Er verfolgte, wie Museen digitale Angebote ins Internet stellten, Videos, Führungen. Aber es musste doch noch etwas anderes geben, um die Menschen zu Hause zu begeistern? Und so rief er die erste Runde des Stone-Techno-Wettbewerbs aus. Kürzlich ist die zweite gestartet – bis Mitte Februar können Profis wie Neueinsteiger mit einem eigenen Beitrag mitmachen, der sich aus dem Klang der Steine zusammensetzt.
Reisdorfs Mitstreiter Kurt Gluck hat die Klangdatenbank für die Öffentlichkeit ausgebaut. Allerdings ohne Stein-Beschreibungen, sondern mit musikalischer Einordnung. So sind manche Töne zum Beispiel mit „Xylophon“ beschrieben. Gemeint ist eigentlich das Lithophon – ein Instrument aus grauen Steinplatten: Phonolith. „Es hat einen ganz hellen Klang“, schwärmt Reisdorf.
Teilnehmer kommen aus Europa, den USA, Neuseeland
Die bisherigen Wettbewerbsteilnehmer, die schon Musikstücke aus Fundstücken geschaffen haben, kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Großbritannien oder Italien, aus den USA oder Neuseeland. Die ersten rund 50 Ergebnisse sind online bereits kostenfrei abrufbar. „Freezing Drops“ von „2methyl“ heißt der erste Track. Der Franzose hat zum Beispiel die Töne von Schlägen auf Gesteins-Platten oder -Stangen mit denen auf Quarz-Klangschalen gemixt. Reisdorf: „Ich finde es ist ein sehr lebensbejahender Techno.“
Der Geologe hat sich für das Genre Techno entschieden. Aber könnte man auch Beethovens Elise mit Steinklängen spielen? „Das könnte man sicherlich auch machen“, meint Reisdorf. Ihm ginge es aber darum, jüngere Menschen für die Geowissenschaften zu begeistern. Über die Techno-Musik schaffe er einen leichteren Zugang. Und damit hoffentlich den Wunsch, Steine zu erforschen.
Die besten Stücke auf Vinyl
Die besten Musikstücke sollen auf Vinyl erscheinen, auf so genannten Picture Discs, die dann auch Kristalle und Mineralien aus dem Museum zeigen. Neben einem Foto werden weitere Informationen auf der Schallplatte zu sehen sein: Name, Fundort, Formel des Minerals. Reisdorf: „Wenn man will, kann man die Picture Discs sammeln und sich so seine eigene Mineraliensammlung auf Vinyl aufbauen.“
Auch ein Nierenstein eines Menschen könnte dort abgebildet sein, passend zum Wettbewerbs-Song „Nierensteinschleuder“ von „Berk Offset“. Wie klingt denn ein Nierenstein? Reisdorf lacht. „Den konkreten Nierenstein haben wir noch nicht gesampelt.“ Der Titel sei lediglich ein Ausdruck von künstlerischer Freiheit.
Endlich wieder tanzen - zur Musik aus Steinen auf Zollverein
Von dem Stein-Projekt ließ sich DJ, Produzent und Veranstalter Ahmet Sisman von „The Third Room“ mitreißen – das ist ein Label und zugleich eine Event-Reihe an verschiedenen Orten im Ruhrgebiet. Auch in die Mischanlage auf Zollverein hat er schon geladen. Sobald die Corona-Krise soweit im Griff ist, dass solche Events wieder möglich sind, sollen die Stücke des Stone-Techno-Wettbewerbs in der Mischanlage zu hören sein, verspricht Reisdorf. „Einerseits ist das eine kreative Beschäftigung“, motiviert er zur Wettbewerbs-Teilnahme, „andererseits arbeitet man auf etwas hin, das Vorfreude auslösen kann. Die Musik, die in einer schweren Zeit entstanden ist, kann man später auf einem Rave hören.“
Und wer weiß, so seine Hoffnung, vielleicht wollen sich die Besucher danach im Museum anschauen, wie der Stein aussieht, zu dem sie am Abend zuvor getanzt haben.
Der Stone-Techno-Wettbewerb - die ersten Musikstücke, die Bedingungen:
Die bisher eingereichten Beiträge aus der ersten Wettbewerbs-Runde kann man sich über eine Internetplattform anhören.
Wer selbst ein Stück Stone-Techno einspielen möchte, findet hier die Datenbank mit den Steinklängen.
Hier gibt es weitere Infos zum Wettbewerb.
Sowie in einem YouTube-Video in englischer Sprache.
Der Track für den Musik-Wettbewerb mit Stein-Klängen soll über einen Soundcloud-Link mit einer Download-Option gemailt werden an info@thethirdroom.de
Der Einsendeschluss ist der 12. Februar 2021.