Neuss. Benaissa Lamroubal von „Rebell Comedy“ spricht im Interview über die neue Serie „Ethno“, Zuwanderung – und politisch unkorrekte Ausländerwitze.

Sein Migrationshintergrund verfolgt Ben wie ein weißer, zotteliger Schatten: Als Student gescheitert, wagt der gebürtige Marokkaner den Sprung auf die Comedy-Bühne. Wunderbarer Stoff der neuen Mini-Serie des Teams „Rebell Comedy“. Ab dem 12. November werden vier Folgen im Ersten und bei ONE ausgestrahlt. Die Hauptrolle spielt Benaissa Lamroubal (41), der als Junge aus Nordafrika nach Neuss kam. Auch in der ARD-Mediathek und auf YouTube sind die vier Teile verfügbar.
In der vierteiligen TV-Serie „Ethno“ spielen Sie Ben, einen Studienabbrecher mit marokkanischen Wurzeln. Wie viel von Ihrer Geschichte steckt in der Hauptrolle?

Benaissa Lamroubal: Eine ganze Menge: mein Leben, das Studium, der Job, das Verlorensein ohne Mutter. Als nach der Schule immer mehr Bühnenauftritte kamen, legte ich mein Lehramtsstudium an der Uni Köln auf Eis. Ich dachte mir, ich schnuppere ein Jahr in der Comedy-Branche. Aus einem Jahr wurden dann mittlerweile neun. Dass ich die Uni nicht abgeschlossen habe, stört mich heute. Wie Bens Vater in der Serie wollte auch meiner, dass ich etwas aus meinem Leben mache. Zunächst hat er meine Comedy skeptisch verfolgt. Aber heute ist er stolz auf mich.

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Sie bedienen typische Ausländer-Klischees, in der Serie aber auch auf der Bühne. Gegen viele davon wehren Sie sich gleichzeitig. Wie gehen Sie damit um?

Die Serie wurde ganz bewusst mehrheitlich von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte produziert. Das macht das Ganze umso interessanter. Fast alle Beteiligten gehören zur zweiten Generation der Einwanderer aus Asien, Afrika und Ost-Europa. Wir sind in Deutschland aufgewachsen. Da sollte es doch kein Wunder sein, dass wir gut Deutsch sprechen! Aber das bekommen wir immer noch zu hören, als nett gemeintes Kompliment. Wenn ich in der Serie mit dem Sprengstoffgürtel als Terrorist meinen ersten Auftritt im Duo „Hass an und aus“ habe, bediene ich natürlich ein Klischee. Aber diese Rolle steht mir so offensichtlich schlecht, dass jeder Zuschauer merkt, dass ich da eben überhaupt nicht reinpasse. Ebenso wenig kann mein deutscher Bühnenpartner als Rapper überzeugen.

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Wie reagieren die Menschen in Ihren Shows auf Ausländerwitze? Unterscheiden sich die Reaktionen mit und ohne Einwanderungsgeschichte?

Wenn ich viel Oberflächliches über die Heimat meiner Eltern von mir gebe, reagieren manche Marokkaner schon verärgert. Aber die haben dort viel länger gelebt als ich. Jeder Gag hat immer auch negative Reaktionen, damit muss man als Künstler klarkommen. Die Witze sind ein Spiegel für beide Seiten, für die Gesellschaft und den Comedian. Das Publikum sollte sich einmal öffnen und der Comedian nicht jede Schublade bedienen. Vieles davon ist zu alt. Wir sind die nächste Generation. Der Zoo-Löwe kann über den Kollegen im Dschungel nichts sagen, weil er dessen Leben nicht kennt. Keiner zwingt uns dazu, Ausländerwitze zu bedienen.

Benaissa Lamroubal.
Benaissa Lamroubal. © Heiko Buschmann

Der Hauptdarsteller Ben wird ständig von einer Art Schatten begleitet. Ein dicker, alter Mann im Pelz – gespielt von Waldemar Kobus. Ihr Film-Kumpel Ramon sieht einen Bären. Die Figur stellt den Migrationshintergrund dar. Eine gute Idee?

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Dieser Bär oder Pelz ist auf jeden Fall witzig und außergewöhnlich. Leider kennen viele Zuwanderer dieses Gefühl, in der Fremde auf Schritt und Tritt von so einem Schatten begleitet zu werden. Bens Kumpel Ramon hat den sechsten Sinn, eine besondere Spiritualität. Deshalb kann er als Einziger Bens Migrationshintergrund als Wesen wahrnehmen. In der letzten Folge kommt es zum Showdown zwischen Ben und seinem Migrationshintergrund. In meinem Video „Ethno“, das zur Serie erschienen ist, wird die Rolle deutlich.

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Sie wurden 1979 in Marokko geboren, kamen 1981 nach Deutschland und sind in Neuss aufgewachsen. Haben Sie als Kind oder Jugendlicher Rassismus erlebt?

Man ist manchmal etwas schroff in NRW, aber harter Rassismus kommt hier zum Glück kaum vor. Ich habe ihn jedenfalls nicht erlebt. Als Junge habe ich Michael Jackson imitiert. Da war ich auch mal in der Zeitung, weil ich viele Tanzwettbewerbe gewann. Dann kam der Hip-Hop, darauf der Rap. Meine Schwestern haben mich unterstützt und mir viel Wärme nach dem Tod meiner Mutter gegeben. An meiner Gesamtschule gab es viele Kinder mit Migrationshintergrund. Wir fühlten uns dort gut aufgenommen. In unserem Wohnviertel lebten überwiegend Türken, Griechen, Jugoslawen und Italiener. Vereinzelt Albaner, Tamilen, Iraner, Afrikaner und Vietnamesen.

In „Ethno“ werden alltägliche Probleme zwischen Deutschen und Zugewanderten auf die Schippe genommen. Was raten Sie allen, die neu im Land sind?

Man sollte seinen Migrationshintergrund ausschalten, wenn man in einem fremden Staat bald Fuß fassen will. Schnell die Sprache zu lernen, ist vor allem wichtig. Statt in einer Parallelgesellschaft zu leben, sollte man den persönlichen Kontakt zu den Einheimischen suchen und sich für ihr Land interessieren.

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Sie touren oft durchs Ruhrgebiet. Was verbinden Sie mit dieser Region?

Auch wenn ich nach wie vor in Neuss wohne, bin ich oft in Revierstädten. In Bochum beispielsweise habe ich im „Kulturcafe“ der Ruhruniversität meine ersten Comedy-Auftritte gehabt. Das Publikum ist gut. Viele Leute mit fremden Wurzeln leben in einer spannenden Region zusammen. Dort trete ich gern auf, etwa im „Spiegelzelt“ in Dortmund, einer Stadt mit vielen Marokkanern. In Dortmund wurden zudem Teile von „Ethno“ gedreht. Die Millenium-Agentur, die Ben den großen Durchbruch verspricht, war ein Dortmunder Drehort. Auch das Theater Olpketal im südlichen Stadtteil Lücklemberg, in dem er in der vierten Folge auftritt – eine beliebte Bühne für Kabarettisten.

Noch ein Witz, den Sie selbst häufig machen: Sie sprechen aber gut Deutsch! Wird Ihnen das häufig gesagt?

Ja, nach wie vor. Das kommt immer mal wieder vor, gerade mit Älteren. Die Menschen gehen von der ersten Einwanderergeneration aus. Die hatte vielfach geplant, nach ein paar Jahren Arbeit in Deutschland wieder in die alte Heimat zurückzukehren. Wie mein Vater. Er reinigte Kessel bei Bayer in Dormagen. Dann ist er doch länger geblieben und erst vor ein paar Jahren nach Marokko zurückgekehrt.

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Wie stehen die Chancen auf eine Fortsetzung der Serie?

Ob es eine Fortsetzung gibt, soll noch entschieden werden. Die Idee jedenfalls gefällt allen Beteiligten gut, und der Dreh hat Spaß gemacht. Nachdem zwei Drittel fertig waren, kam Corona. Dann war erstmal eine längere Pause. Aber der Stoff hat viel Potenzial, denke ich.

Man kennt sie auch als Rapper, zu „Ethno“ haben Sie das Video gemacht. Planen Sie weitere Musikprojekte?

In der Serie gibt es immer wieder zwischendurch mal Parodien. Wer mich verfolgt, kennt Songs wie „Mandarina“, „Du bist mein Visum“ oder den Song „Halt mal Abstand“ der im Lockdown entstanden ist. Musik ist ein gutes Werkzeug, auf das ich immer wieder mal zurückgreife, allerdings nicht mein Hauptwerkzeug. Der Song zur Serie ist seit Anfang Oktober überall verfügbar.

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