Oberhausen. David Broll (24) liebt Busse – und sammelt sie auf Instagram. Der Oberhausener Rollstuhlfahrer ist durch Corona jedoch doppelt gehandicapt.

David Broll aus Oberhausen ist kein gewöhnlicher Fahrgast. Er ist der, der auch mal den Busfahrer während der Fahrt ansprechen darf. Der 24-Jährige ist Rollstuhlfahrer – und das offizielle Maskottchen der städtischen Verkehrsgesellschaft.

Zwischenspiel: Bei herbstlichem Regen stehen sie mit Schirmen und Masken bedeckt an der Haltestelle. Der Bus naht. Auf dem Gehweg beginnt jemand zu rennen. Dem Transporteur hinterher. Tägliche Jagdszenen an der Haltestelle, wenn Menschen von einem Ort zum anderen wollen.

Nicht mehr zu bremsen: David Broll erobert sich die Busfahrten

David Broll kann nicht laufen. Er ist querschnittsgelähmt. Und doch fährt er gerne und vor allem viel, sehr viel, durch Oberhausen. Busfahren: für ihn ist es ein Hobby, eine ziemlich ungewöhnliche Leidenschaft. Nicht nur wegen seiner Behinderung. Vor fünf Jahren verspürte David zum ersten Mal den Wunsch, allein mit dem Bus zu fahren – und probierte es einfach aus. Seit dem ist der junge Mann im Rollstuhl nicht mehr zu bremsen. Erst fuhr er nur kurze Strecken.

Dann lernte er immer besser, wie er gut in den Bus rein- und wieder rauskommt. „Der Einstieg ist auch mit viel Übung immer noch schwierig. Nicht immer nehmen Menschen Rücksicht.“ Aber am allerliebsten nimmt David eh auf dem Sitz mit dem großen Lenkrad Platz.

Auf der Strecke unterwegs: Mein Freund, der Busfahrer

Wenn die Fahrer das erlauben. „Das sind richtige Freunde von mir geworden“, erzählt der Busfan. „Wir haben immer viel Spaß unterwegs. Wenn Pause ist, machen wir Fotos oder schreiben uns auch nach Feierabend Nachrichten.“ Wer kann schon von sich behaupten: Mein Freund, der Busfahrer!

Als Kind mit Stehhilfe, heute ist David Broll auf den Rollstuhl angewiesen.
Als Kind mit Stehhilfe, heute ist David Broll auf den Rollstuhl angewiesen. © Olivia Fetter

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Es ist nicht nur so, dass David Broll die meisten Fahrer kennt und sie ihn. „Sie sagen mir sogar Bescheid, wenn es Störungen oder Verspätungen auf den Strecken gibt.“ Die Infos postet David dann auf seiner Facebook-Seite, um andere Fahrgäste zu informieren.

Immer im Bus auf Tour durch das Ruhrgebiet

Doch die Stadt ist nicht genug. David fährt längst gerne durchs Ruhrgebiet. Dann geht es von Oberhausen nach Essen, Duisburg oder nach Mülheim, sogar bis Bottrop. Manchmal fährt er zwei bis drei Runden mit auf einer Tour. Er arbeitet in einer Behindertenwerkstatt in Oberhausen und sobald er Freizeit hat, erkundet er die Gegend.

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Davids Leidenschaft ist auch bei den Mitarbeitern der STOAG in Oberhausen bekannt. Die Fahrerinnen Elvira Emrich und Inge Mawick schlugen David vor, das Maskottchen der Oberhausener Flotte zu sein. David erzählt: „Ich bin das Maskottchen geworden, weil die meinten, dass ich ein positiver Mensch bin, immer gut gelaunt, freundlich, höflich und nett. Und somit auch ein Vorbild für alle anderen Rollstuhlfahrer.“

Schirmmütze und Modellbusse: Den Tag wird David nie vergessen

Beim Tag der offenen Tür der Oberhausener Verkehrsgesellschaft, das war im Sommer 2018, bekam David von der Elvira Emrich, der Fahrerin, für ihn ganz besondere Geschenke. Zum Schatz zählen eine Schirmmütze und zwei Modellbusse, die David auch schon als Fahrgast genutzt hat. Dazu gab es noch ein Schreibheft, einen USB-Stick und viele andere Kleinigkeiten, die David zu Hause hütet. „Den Tag werde ich nie vergessen.“

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Jetzt, zwei Jahre später in Corona-Zeiten, ist das Busfahren für David Broll nicht immer ein reines Vergnügen. Er ist Risikopatient: „Seit fünf Jahren habe ich eines der schönsten Hobbys gefunden. Bis dieses Jahr hatte ich viel Spaß, aber jetzt verändert das Corona-Virus meine Freizeit.“ Vor drei Jahren stellten Ärzte bei dem Rollstuhlfahrer auch noch allergisches Asthma fest. „Deswegen hält mich das Virus zurück. Jeder muss aufpassen, doch ich als Risikopatient muss mehr aufpassen, um mich nicht zu infizieren.“

Pandemie: Corona schränkt David Brolls Busfahrten ein

So zog er sich zur Hochphase der Pandemie lange selbst aus dem Verkehr. „Das machte mich sehr traurig.“ Deshalb hat er sein Freizeitvergnügen kürzlich erst gerade wieder aufgenommen, „doch jetzt ist Herbst und Corona zeigt sich wieder von seiner schlechten Seite“, sagt David. Seine neue Devise lautet wegen der stetig steigenden Zahlen, in nächster Zeit nur im Notfall den Bus zu nehmen und auf bessere Zeiten zu warten.

Sein Hobby komplett aufgeben, das will er aber nicht. In der Zeit, in der er jetzt nicht unterwegs ist, schaut er sich seine Fotos an, die er von den Bussen gemacht hat. Auf seinem Instagram-Account (@brolldavid) sind es über 250 Bilder von verschiedenen Fabrikaten, mal mit ihm, mal ohne. Und auf manchen Bildern sitzt der 24-Jährige sogar selbst am Steuer. Lässig hält er das Lenkrad, sein Blick schweift in die Ferne. „Das ist mein Lieblingsbild!“

Der Oberhausener ist stolz auf seine Bekanntheit: „Ich danke allen Busfahrern und Busfahrerinnen. Für mich sind die fünf Jahre als Maskottchen wie ein Jubiläum.“

Spina bifida

Davids Brolls Behinderung nennt sich Spina bifida. Da sich eine Neuralrohrfehlbildung während der Schwangerschaft entwickelte, ist er mit einem offenen Rücken zur Welt gekommen, einem Loch in Höhe des Steißbeins – wie in Mitteleuropa eins von 1000 Kindern.

„Ich persönlich habe keine Probleme damit. Immer mal wieder belastet mich das, dass ich nicht laufen kann, aber seitdem ich alleine mit Bus und Bahn fahre, macht mir das nichts mehr“, erzählt David ganz offen.

„Mit der Behinderung an sich geht’s mir gut, ich habe aber seit der Versteifung der Wirbelsäule 2010 immer wieder Rückenschmerzen und auch Probleme mit der Hüfte. Deswegen bekommen ich Physiotherapie.“

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