Essen. Daniel Kurniczak komponiert Musik für Lichtkunst, mischt Klassik mit Pop, zu hören auf dem Light-Festival Essen.

Eine Frau stellt sich vor einen der grauen Steine, ein Mann tut es ihr beim nächsten Findling gleich. Und plötzlich fängt der Steinkreis an zu leuchten, in Grün, Blau, Violett. Musik erklingt. Sphärische, mystische Klänge. „The Super Magic Stone Circle“ heißt diese Licht-Musik-Installation, die Daniel Kurniczak entwickelt und komponiert hat.

Elektrobeats und Spieluhrmusik

Sie ist noch bis zum 11. Oktober auf dem „Light Festival“ in der Essener Innenstadt zu sehen. Dieses Licht-Spektakel gibt es bereits zum fünften Mal und Daniel Kurniczak ist von Anfang an dabei. Seine Installationen erleuchteten schon Festivalbesucher am Brandenburger Tor in Berlin, in Italien und auf Ibiza, in den Niederlanden und in Großbritannien. Neben dem Steinkreis liefert der 34-Jährige in diesem Jahr in seiner Heimatstadt auch Elektrobeats zu einem Auto, das sein Bruder David als Projektionsfläche für eine Lichtshow nutzt. Er spielt die Spieluhr-Musik für die „Prima Ballerina“ auf dem Kennedyplatz und er lässt neben dem Firmensitz der Funke Mediengruppe, zu der auch diese Zeitung gehört, weiße Bälle im Takt der Musik bunt aufleuchten, als ob sie die Töne selbst spielen würden.

Die (Erd-)Kugeln bei den „Dancing Globes“ scheinen die Töne selbst zu spielen.
Die (Erd-)Kugeln bei den „Dancing Globes“ scheinen die Töne selbst zu spielen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Dancing Globes“ hat er die In­stallation genannt. Die Erdkugeln sind aus Kunststoff, anders sei das bei einem solchen Werk unter freiem Himmel nicht möglich. Wobei man auch gebrauchtes Material nehmen kann. Wie im vergangenen Jahr bei „Jellyworld“, für das er den Essener Preis für Lichtkunst erhalten hat: „Remondis Light Award“. Die fluoreszierenden Riesen-Quallen waren aus recyceltem Plastik.

Technik und Tricks selbst beigebracht

Am Anfang war die Musik: „Ich mache Kompositionen, seitdem ich zwölf bin.“ Aber nicht wie ein kleiner Mozart am Klavier und mit Notenblättern, sondern am Computer. In seinem Studio unterm Dach seines Hauses im Stadtteil Gerschede stehen heute nicht nur Gitarren und Synthesizer oder – mehr der Nostalgie geschuldet – Kassettenrekorder und Plattenspieler, sondern auch Computer und Monitore. Viel Geld hat er in die Software gesteckt, und viel Zeit investiert, um sich Technik und Tricks selbst beizubringen.

Daniel Kurniczak, der auch mehrere Jahre mit der eigenen Elektropop-Band Freakatronic unterwegs war, drückt eine Taste auf einem Midi-Keyboard. Über die Lautsprecher erklingt eine Violine. Er schiebt einen Regler nach oben – der Ton wird lauter. Dann dreht er an einem Rad und der Ton beginnt zu vibrieren. Und so experimentiert er mit Cello, Bratsche, Holzbläsern. „Es ist nicht das Gleiche wie bei einem Orchester, aber es kommt dem schon sehr nahe.“ Wobei Daniel Kurniczak betont, dass er Profi-Musiker nicht ersetzen kann oder will. Erst kürzlich habe er die Musik von einem echten Gitarristen einspielen lassen.

Daniel Kurniczak in seinem Studio.
Daniel Kurniczak in seinem Studio. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ein Mikrofon steht auch im Studio. Allerdings nicht für Gesang, sondern etwa, um das Geräusch von zerreißendem Papier aufzunehmen – für die Essener Lichtshow vor drei Jahren, bei der der gelernte Mediengestalter das Büroleben samt Tastaturgeklapper und Telefongebimmel zu Gehör brachte. „Bei der Lichtkunst gibt es kaum Regeln, alles ist noch sehr frei, um die Leute in eine andere Welt zu holen, auf eine Reise mitzunehmen.“ In einem Moment klingt die Musik klassisch, orchestral, im nächsten erinnert sie an Pop, dann kommen synthetische Sounds. „Ich mische alles, ich habe da keine Grenzen.“ Wobei die Parts miteinander verbunden seien. „Die Tonart wechselt, aber es ist die gleiche Melodie.“

Es geht darum, beim Hörer Gefühle zu erzeugen. Wie bei einer Filmmusik. Zurzeit komponiert er auch für einen französischen Film. „Es gibt super-viele Methoden, um Emotionen zu wecken“, sagt Daniel Kurniczak, der mit Tempo und Rhythmus experimentiert, mal eine magische, mal eine fröhliche Stimmung schafft. „Man spielt einen Ton, der nicht passt, der nicht in der Tonleiter ist: So erzeugt man Spannung.“ Alle exotischen Tonleitern, also nicht Dur oder Moll, würden ungewohnt klingen – und die Aufmerksamkeit fesseln.

Lichtkunst und Musik gehören für ihn zusammen

Natürlich gibt es auch Lichtkunst ohne Musik, aber für ihn gehört beides zusammen. Mal denkt er sich Melodien für andere Werke aus, dann entwickelt er Projekt und Musik wie aus einem Guss. „Ich setze mir gerne die Ziele höher“, sagt er, ohne dabei abgehoben zu wirken. Das gibt ihm den entscheidenden Kick. Als er zugesagt hatte, mit einem kleinen Team den Steinkreis für die Essener Show zu bauen, habe er noch gar nicht gewusst, ob dieses interaktive Element überhaupt funktionieren wird. Aber heute können die Zuschauer die Lichtin­stallation auf dem Kopstadtplatz selbst aktivieren. „Es ist schön zu erleben, dass die Leute darauf reagieren, es sich mehrfach anhören, sich die Zeit dafür nehmen, gerade in unserer beschleunigten Welt.“

Auch die Elektrobeats zur Lichtshow kommen von Daniel Kurniczak.
Auch die Elektrobeats zur Lichtshow kommen von Daniel Kurniczak. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Hat der Vater eines vierjährigen Jungen dann doch mal Zweifel, ob eine Komposition gelungen ist, spielt er sie einfach seinem Kleinen vor: „Milo hilft mir. Wenn ich eine Melodie schreibe und er dazu tanzt und sich freut, dann ist sie gut.“

Das Light-Festival in Essen

Das „Light Festival“ in der Essener Innenstadt geht noch bis Sonntag, 11. Oktober. Mit der Dämmerung beginnen die Installationen zu leuchten – und zu erklingen. Der Eintritt ist frei.

Besucher können zwölf Werke auf einem Weg erkunden, vom Willy-Brandt-Platz am Hauptbahnhof durch die Fußgängerzone und den Park „Grüne Mitte“ bis zum Jakob-Funke-Platz. Schilder mit der Aufschrift „WAZ-Route“ zeigen die Strecke.

Auch diese Werke sind dabei: „Breathe“ – ein atmender Riesenmensch von Markus Anders aus Österreich; oder eine Videoinstallation von Mr. Beam aus den Niederlanden: Er projiziert Gemälde aus dem Museum Folkwang auf die Marktkirche.

Folgende Corona-Regeln gelten auch beim Festival: 1,5 Meter Abstand zur nächsten Person, Nies- und Hustenetikette.

Weitere Info: visitessen.de/essenlightfestival