Essen. Offline nicht nur zur Fastenzeit: Warum man Instagram & Co. reduzieren sollte, wissen mehrere Ratgeber. Mit Digital Detox zu mehr Entspannung.

Sie! Ja, genau Sie! Wie oft haben Sie heute schon aufs Handy geschaut? Und wie viel Zeit verbringen Sie täglich am Smartphone? Machen wir ein Experiment: Schätzen Sie ihre tägliche Nutzungsdauer. Und dann prüfen Sie, was das Gerät an Bildschirmzeit anzeigt. Es wird sehr wahrscheinlich viel mehr Zeit sein, als Sie gedacht haben. Falls es so ist, wäre das ein Grund, über Digital Detox nachzudenken. Es muss – obwohl die Fastenzeit am Mittwoch beginnt – ja nicht gleich für 40 Tage sein…

Gesellschaftsjournalistin Nena Schink hat mit „Unfollow“ gerade ein Buch über die zerstörerische Wirkung von Instagram geschrieben. Sie schildert darin auch ihre Erfahrungen mit dem Handyfasten: „Über Digital Detox habe ich eigentlich immer nur gelacht“, sagt die 28-Jährige. Bis sie es ausprobiert hat – und plötzlich spürte, dass sie ständig zum Handy greifen wollte.

Dieses Gefühl kennen auch die drei Mädchen allzu gut, die für das Medienprojekt Wuppertal eine Woche auf Handy und Internet verzichtet haben – und einen Film darüber machten. Die hervorgehobenen Zitate stammen von Emily (14), Pauline (15), Delia (16) aus der Doku „Sucht oder Spaß?“ (auf Vimeo).

„Ich hab irgendwie viel zu viel Zeit übrig.“ Delia (16) am ersten Tag ohne Handy

Nur noch kurz was posten: Nena Schink damals in Aktion.
Nur noch kurz was posten: Nena Schink damals in Aktion. © Moritz Thau

Jeder ertappt sich von Zeit zu Zeit dabei, wie er in unpassenden Momenten aufs Handy schielt. Oder zu lange damit verbringt. „Ich sah den Trend Digital Detox und habe gesagt: Wer so schlecht zurechtkommt, dass er meint, Digital Detox machen zu müssen, hat ein Problem. Und dann habe ich selber viereinhalb Tage komplett auf mein Handy verzichtet“, erzählt Nena Schink. Die Gesellschaftsjournalistin hatte sich vor Jahren auf das Experiment eingelassen, sich für ein Internet-Portal zur Influencerin aufzubauen. Und merkte lange nicht, wie sehr sich ständiges Posten, die Beschäftigung mit der Selbstinszenierung in ihr Leben geschlichen hatten. „Ich bin aufgewacht, als ich mal meine Instagram-Zeit gecheckt habe. Zwei Stunden am Tag, das sind in der Woche 14 Stunden! Ich glaube, dass jeder der täglich 2 Stunden auf Instagram verbringt, auch süchtig ist“, so Schink.

„Manchmal vier Stunden, manchmal auch nur zwei, manchmal auch nur eine halbe Stunde, kommt darauf an, wie viel ich gerade zu tun habe…“ Emily (14) über ihre tägliche Zeit mit Handy

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Verglichen mit dem Konsum vieler Jugendlicher, dürfte Schink an der unteren Grenze liegen. Die Jungen verteilen die Aufmerksamkeit auf WhatsApp, Instagram, Snapchat, TikTok, aber da kommt schon einiges zusammen.

„Wie lang ist man am Tag wach? 16 Stunden? … Am Wochenende sind das davon schon so zwölf Stunden.“ Delia (16) über ihren Handykonsum

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Nena Schink sieht Instagram heute als schädlich an: „Die Menschen weisen immer von sich ab, dass sie süchtig nach sozialen Medien sind. Aber ich frage mich dann immer: Warum fotografiert man dann sein Essen ab? Das ist ein Suchtverhalten. Man will so viel digitale Aufmerksamkeit, dass man nicht mehr filtert, was für die Menschen eigentlich interessant ist.“

„Dann hatte ich jetzt zwei Freistunden, ich hatte voll die Langeweile, da hätte ich schon gern mein Handy gehabt. Dann hätte ich mir die Zeit vertreiben können.“ Emily (14), die ihr erstes Instagram-Konto schon gelöscht hat

Vorsicht Smombies: Smartphone-Zombies kreuzen die Fahrbahn.
Vorsicht Smombies: Smartphone-Zombies kreuzen die Fahrbahn. © Christoph Schmidt/dpa

Den Suchtfaktor „Aufmerksamkeit“ sieht Schink als besonders kritisch an. Instagram sei in ihren Augen die zerstörerischste App, weil es nichts zu gewinnen gebe außer der Aufmerksamkeit der anderen. „Es lebt ja vom Sozialneid. Es ist dafür da, dass man Follower gewinnt und Likes bekommt. Das macht alle auf diesem Netzwerk unempathisch“, berichtet Schink.

„Ich find das sehr entspannend, mal keine Nachrichten zu bekommen, so ein bisschen von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, sich nur auf die Menschen zu konzentrieren, mit denen man gerade zusammen ist.“ Pauline (15) nach einiger Zeit „ohne“

Zwei Dinge leiden durch die Fixierung auf Instagram besonders, meint Schink. Das eine ist die Fähigkeit, schöne Momente zu genießen. Etwa als sie mit ihrem Freund auf Mallorca war. „Ich habe zuerst darüber nachgedacht, wo wir mich am besten positionieren und wo mein Freund mich fotografieren kann. Man denkt, dass man das nebenher machen kann. Aber das stört reale Momente und reale Begegnungen. Das ist das Supergefährliche.“

„Die Party, auf der ich war, war echt geil. Aber es war total ungewohnt, auf einer Party ohne Handy zu sein.“ Delia (16)

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Das andere, was durch Instagram zerstört werde, sei die gesunde Körperwahrnehmung, meint die Autorin. „Es trifft leider besonders junge Frauen, weil wir Frauen uns von klein auf viel stärker optisch vergleichen. Und das hat Instagram auf eine andere Ebene gehoben. Dort konkurrieren die Mädchen ja nicht mit der realen Nena, die heute Morgen aufgewacht ist und einen Pickel links auf der Wange hatte. Sie konkurrieren mit der Nena, die sich dünner macht, ein perfektes Hautbild hat und perfekte weiße Zähne. Wenn sich zwölfjährige Mädchen heute eine Brustvergrößerung wünschen, kann man als Gesellschaft sagen, dass wir ein Problem haben.“

„Wenn ich mein Handy für zwei, drei Tage weg habe, dann habe ich voll die Entzugserscheinungen… Aber wenn das über Monate ist, dann wird’s immer besser. Dann werde ich gechillter.“ Emily (14)

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Abhängigkeit von Medien ist nicht erst seit Facebook & Co. akut. Bestsellerautor Rolf Dobelli hat sich aus allen Newsfeeds ausgeklinkt und konsumiert nur wenige ausgesuchte Medien. Er war früher ein Nachrichten-Junkie – und verdammt heute diese Sucht. „Ich fühlte mich voll am Puls der Zeit, war begeistert, berauscht, betrunken. Nur, so dachte ich, nicht verdummend, sondern verschlauend. In Wahrheit sind News so gefährlich wie Alkohol“, beschreibt er im Buch „Die Kunst des digitalen Lebens“ die digitale Häppchenkost. Deshalb machte er einen Schnitt – und gewann wertvolle Lebenszeit.

„Ich war unglaublich produktiv, hab total viel gemacht, wozu ich sonst nie richtig komme. Ich hatte das Gefühl, dass ich viel besser mit Zeit umgegangen bin.“ Delia (16) nach der Woche ohne Netz

Eine Erfahrung, der sich auch Nena Schink anschließt, die Instagram heute nur noch öffnet, wenn im Hintergrund der Timer auf 20 Minuten gestellt ist. „So eine Digital-Detox-Woche kann ich wirklich nur jedem empfehlen“, zieht sie ihr Resümee aus der enthaltsamen Zeit.

„Ich würd das noch mal machen.“ Emily (14) nach der Handypause

>>> Rat fürs digitale Leben: Vier Bücher, die beim Entspannen helfen

Nena Schink: „Unfollow! – Wie Instagram unser Leben zerstört“, Eden Books, 240 S., 14,95 €. Schink schildert, wie sie Sucht-Mechanismen von Instagram durchschaut hat und warnt vor dem Körperbild, das die Plattform propagiert.

Rolf Dobelli.
Rolf Dobelli. © dpa | Arno Burgi

Rolf Dobelli: „Die Kunst des digitalen Lebens – Wie Sie auf News verzichten und die Informationsflut meistern“, Piper, 250 S., 20 €. Dobelli plädiert dafür, wichtige Infos von News-Häppchen zu trennen.

Andreas Dohmen: Wie digital wollen wir leben? Die wichtigste Entscheidung für unsere Zukunft“, Patmos, 270 S., 24 €. Der IT-Experte erklärt, welche Bereiche der digitale Wandel erreicht hat, wohin die Reise geht und wie wir die Route steuern.

Maren Urner: „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang: Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren“, Droemer, 224 S., 16,99 €. Für alle, die sich von digitalen Medien überfordert fühlen.