Bochum. Die Herberge der Krippen: Die Lipienskis aus Bochum bauen nicht nur Weihnachtskrippen. Sie sammeln sie auch. Mit einem Kolibri begann die Suche.

In keiner Krippe dürfen sie fehlen: Maria, Josef und das Jesuskind in der Lore liegend. Die Lore, so viel gestalterische Freiheit gönnt sich Manfred Lipienski, passt einfach besser zu einer Krippe, über der „Glück auf“ steht und die an die Zeche St.-Mathias-Erbstollen erinnert. Ochs und Esel sucht man bei dieser Krippe allerdings vergebens. „Dafür steht hier die Bergmannskuh“, sagt Rosemarie Lipienski schmunzelnd und zeigt auf eine Ziege.

Die Ruhrgebietskrippe: Maria, Josef und das Jesuskind in der Lore liegend.
Die Ruhrgebietskrippe: Maria, Josef und das Jesuskind in der Lore liegend. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Das Paar baut und bemalt nicht nur Krippen, es sammelt auch ungewöhnliche Darstellungen von der Geburt Jesu für das eigene Krippenmuseum in Bochum. Rund 250 davon sind in der Vorweihnachtszeit ausgestellt.

Liebevolle Miniaturlandschaften

Allüberall selbst in den kleinsten Ritzen sieht man goldene Lichtlein blitzen. Elektromeister Manfred Lipienski, der unter Tage auf Zeche Prinz Regent in Bochum gearbeitet hat, verleiht den eigenen Krippen mit winzigen Lämpchen einen stimmungsvollen Schein. Jedes Detail muss bei dem 78-Jährigen passen, wenn er mit Wurzeln, Zweigen und Moosen liebevolle Miniaturlandschaften schafft und Ställe oder Grotten modelliert.

Der übliche Krippenmörtel gefällt ihm nicht. Etwas Hefe dazu und schon formt er hübsche Hauswände. Und noch einmal hat sich der Krippen-Profi in der Küche bedient: So sind auch „Mönch und Nonne“, wie sich eine alte Dachdeckung nennt, im weltlichen Leben Nudeln. Hier steht eine Mausefalle auf dem Heuboden, dort strömt echtes Wasser in einen Brunnen. Rosemarie Lipienski nimmt eine Taschenlampe und leuchtet durch ein Türchen: ein Plumpsklo. „Die Hirten dürfen ja auch mal müssen“, sagt die 75-Jährige, die die Ställe und Felsen koloriert.

Der Schnabel lässt nicht vermuten, dass der Kolibri im Inneren eine Krippe versteckt. Rosemarie Lipienski zeigt das besondere Sammlerstück aus Ecuador.
Der Schnabel lässt nicht vermuten, dass der Kolibri im Inneren eine Krippe versteckt. Rosemarie Lipienski zeigt das besondere Sammlerstück aus Ecuador. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein farbenfroher Vogel war der erste in der Sammlung der ungewöhnlichen Krippen. Ein Freund aus Ecuador hat den Kolibri, ein Fruchtbarkeitssymbol der Indios, mitgebracht. Auf den ersten Blick ist er nicht als Krippe zu erkennen. Öffnet man jedoch die Türen im Vogelkörper erscheint die Heilige Familie.

Ein König zu Besuch

Aus Ton haben die Menschen in Äthiopien die Geburt Jesu nachgestellt, in Kamerun bauten sie Figuren aus Bananenblättern. Sogar ein König hat einen Blick ins Museum geworfen: Nai Wyettey Otabi III. aus Ghana. Auch er brachte als Gastgeschenk eine Krippe mit. „Jesus hätte auch ein Schwarzer sein können“, sagt Manfred Lipienski. Seine Frau ergänzt: „So wie wir das Jesuskind darstellen, mit blonden Locken, so kann es ja nicht gewesen sein.“

Aus Perlmutt ist eine Krippe, die dem verstorbenen Palästinenserführer Jassir Arafat gehört und die der ehemalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement aus Ramallah mitgebracht hat. Aber man muss nicht weit fliegen, um besondere Krippen zu entdecken.

Versteckt in einem Keller: In einem Haus von 1926 fanden Freunde diese Platte aus Ruhrsandstein. Das Relief zeigt Maria, Josef, das Jesuskind in der Krippe und Ochs und Esel.
Versteckt in einem Keller: In einem Haus von 1926 fanden Freunde diese Platte aus Ruhrsandstein. Das Relief zeigt Maria, Josef, das Jesuskind in der Krippe und Ochs und Esel. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In einem Haus von 1926 in Bochum fanden Freunde im Keller eine Ruhrsandsteinplatte. Sie zeigt ein Relief mit der Krippen-Szene. Die Platte war umgekehrt ins Mauerwerk gelassen. Man kann nur vermuten, warum die Besitzer sie versteckt haben. Manfred Lipienski: „Adolf Hitler wollte die Krippen verbieten.“

Eine besonders bescheidene Krippe rührt das Paar am stärksten: ein kleiner Holzrahmen, in dem eine einfache Zeichnung die Heilige Familie zeigt. Es ist die Nachbildung einer Krippe, mit der ein Gefangener im russischen Lager Grosny Weihnachten 1947 sein Herz wärmte. Der Mann konnte den Rahmen zuklappen – und so die Krippe im Kopfkissen verstecken.

Innehalten im Konsumrausch

Franz von Assisi ermöglichte 1223 erstmals ein lebendiges Krippenspiel mit Krippe und Tieren. Im 18. Jahrhundert sprach Kaiserin Maria Theresia ein Krippenverbot in Kirchen aus. Aber insbesondere die Protestanten führten die Tradition fort. Auf die Frage, ob er katholisch sei, antwortet Manfred Lipienski: „Ich bin ein gläubiger Christ.“ Er ist ein Freund der Ökumene.

Aber das Religiöse will er gar nicht mit den Krippen betonen. Er möchte die Menschen zum Nachdenken bewegen, zum Innehalten im Konsumrausch vor Weihnachten. Sich besinnen statt sich berieseln zu lassen, das vermittelt der alte Röhrenfernseher, in dem Manfried Lipienski ebenfalls die Krippenszene spielen lässt.

Heiligabend im Museum, nur der Weihnachtsbaum fehlt

Das ganze Jahr über ist das Paar von Krippen umgeben. Hat es sich bis zum Heiligabend daran sattgesehen wie andere am Lebkuchen? „Ganz und gar nicht!“, sagt der Krippenbauer. Die Lipienskis feiern das Fest mitten im Museum. Nur auf den Weihnachtsbaum mit echten Kerzen verzichten sie – das Feuer könnte überspringen. Schließlich sind die meisten Krippen aus Holz oder aus Exemplaren einer großen Pilzsorte, dem Zunderschwamm. Und der brennt bekanntlich wie Zunder.

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Ein Stall aus Lindenholz ist Manfred Lipienskis erstes selbstgebautes Krippenwerk.
Ein Stall aus Lindenholz ist Manfred Lipienskis erstes selbstgebautes Krippenwerk. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Mit dieser Krippe fing alles an: Manfred Lipienskis erster selbst gebauter Stall. Anfangs schnitzte er heimlich das Lindenholz. „Ich wollte nicht dumm dastehen.“ Seine Freunde hätten ja über die Krippe den Kopf schütteln können. Haben sie aber nicht. Sie waren begeistert – und wollten selbst eine Krippe bauen. Und so kaufte Manfred Lipienski noch mehr Werkzeug und zeigte den Krippen-Freunden, wie es geht.

Es sollte ein netter Zeitvertreib für ein Jahr sein. Aber die Nachfrage wurde größer. Und dann hat Rosemarie Lipienski ihren Mann für einen Krippenkurs in Tirol angemeldet – ebenfalls heimlich. Manfred Lipienski wollte zunächst nicht. Aber bezahlt ist bezahlt. Also fuhr er.

Aus dem ersten Stall ist eine große Krippen-Liebe geworden. Die Freunde schlossen sich zusammen: Im vergangenen Jahr feierten sie den 25. Geburtstag ihres Bochumer Krippenvereins.

Bis zum 22. Dezember im Rahmen von Gruppen-Führungen, max. 16 Teilnehmer. Einzelpersonen können sich auch anmelden: 0234/49 22 80 (Preis auf Anfrage) bochumer-krippenverein.de