Essen. . Eine Zuckertüte reicht für i-Dötzchen nicht mehr. Viele Familien feiern die Einschulung mit einer riesigen Party. Was Experten den Eltern raten.

Der Ernst des Lebens beginnt? Wohl eher die erste große Party des Lebens. Den Erstklässlern reichte früher die gut gefüllte Schultüte, um die Einschulung zu feiern. Heute legen sich Eltern richtig ins Zeug. „Die Einschulung nimmt einen immer größeren Event-Charakter an“, sagt auch Udo Beckmann (67), Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „In Berlin hat eine Oma eine Stretchlimousine organisiert, mit der das Kind zur Schule gefahren worden ist.“

Udo Beckmann, Vorsitzender beim Verband Bildung und Erziehung (VBE): „Das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir es immer mehr mit Ein-Kind-Familien zu tun haben, so dass sich alles auf dieses eine Kind fokussiert.“
Udo Beckmann, Vorsitzender beim Verband Bildung und Erziehung (VBE): „Das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir es immer mehr mit Ein-Kind-Familien zu tun haben, so dass sich alles auf dieses eine Kind fokussiert.“ © Ralf Rottmann

Solch ein Luxus scheint die Ausnahme zu sein. Aber vielen Eltern reicht es nicht mehr, ein Handy-Foto vom Spross im Garten zu schießen. Studios wie „Foto Menken“ in Oberhausen werden für ein Shooting beauftragt – und das nicht erst in diesem Jahr, in dem manche Schulen ein Fotoverbot bei der Einschulung ausgesprochen haben.

Im Studio wird das Kind zwischen riesigen Buchstaben und Buntstiften drapiert, dann drückt Fotografin Gina Hammer auf den Auslöser. Seit Wochen lichtet sie die i-Dötzchen ab. Auch für die Zeit nach der Einschulung in der kommenden Woche gibt es Anfragen. „Springfotos mögen die Kinder am liebsten“, sagt die 30-Jährige. Dann werden die Schüler quasi in der Luft für die Ewigkeit festgehalten.

Früher hat Oma Schokokuchen gebacken. Heute soll es eine richtige Konditortorte sein. Barbara Werntges und ihr Team von „Traumtorten“ in Essen kreieren an starken Tagen bis zu 100 Einschulungstorten. „Von Jahr zu Jahr steigt die Nachfrage nach Torten zur Einschulung“, sagt Barbara Werntges Mann Frank Tefert (57). Sein Schwiegervater hat die Konditorei Werntges in Werden 1962 eröffnet. Frank Tefert ist sich ziemlich sicher, dass damals noch keiner eine Einschulungstorte bestellt hat. Nun lässt sie sich längst online ordern: Größe, Füllung, Versandart aussuchen – und natürlich die süße Optik. Die Torte mit Buntstiften, Buchstaben und Zahlen geht am besten. Darauf steht: „Mein erster Schultag“. Das lässt sich individualisieren: „Pauls erster Schultag.“

Zwischen Bastel-Freude und Bastel-Frust

Für diejenigen, deren Bastel-Freude sich noch nicht bei der Schultüte in Bastel-Frust verwandelt hat: Ein Rezept für Buntstiftkekse gibt es im Internet. Man kann sich von Ideen für Einladungskarten zur Party sowie Tipps für die Einschulungs-Tischdeko inspirieren lassen: Wie wäre es mit einer Schultüten-Girlande? Bei Online-Shops schwärmen Kunden von Ständern, mit denen man die Schultüte „ordentlich und wirkungsvoll präsentieren“ kann. Wem noch ein Geschenk fehlt: Eine Anleitung zum Falten von Geldscheinen in Form eines Ranzens findet man auch im Netz.

Die Nachfrage nach Einschulungstorten steigt: Frank Tefert von „Traumtorten“ in Essen.
Die Nachfrage nach Einschulungstorten steigt: Frank Tefert von „Traumtorten“ in Essen. © André Hirtz

Die Restaurants bekommen laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband mehr Anfragen für den Einschulungstag. Bei „Brands Jupp“ in Düsseldorf können die Kinder den Festtag sogar mit einem Einschulungs-Menü feiern. Statt Jakobsmuscheln wird als erster Gang serviert: „Rohkost-Sticks mit Gartenkräuter-Dip“. Bei der Ankunft steht für die aufgeregten Kinder die Vorspeise bereit. „Da beißen sie schon mal rein“, erklärt Lokalleiterin Irmtraud Beck, selbst Mutter und Großmutter. Als Hauptspeise können die Gäste wählen zwischen „Schnitzel mit Pommes-Frites“ oder „Gnocchi mit Tomatensauce“. „Heute kam eine Anfrage: ,Haben Sie auch Nudeln?‘“ Diesem Schulkind-Wunsch wird nachgegangen. Zum Dessert genießt es: „Crêpes au chocolat“.

Der Menü-Preis ist kindgerecht: 9,90 Euro. „Die Eltern essen à la carte“, sagt die 75-Jährige. „Ich bin ein Nachkriegskind. Da gab es so etwas nicht.“ Umso schöner, dass die Einschulung heute gefeiert werde. „Die Kinder sollen sich wohlfühlen“, sagt die Geschäftsfrau. „Dann kommen sie auch zur Kommunion oder Konfirmation wieder.“

Was soll man zur Einschulung anziehen?

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Dann ist der große Tag da. Und was zieht man an? „Mit einem Paar Sandalen ergänzt ihr euer Outfit zur Einschulung perfekt und übersteht auch eine längere Feier ohne schmerzende Füße“, lässt Mode-Guru Guido Maria Kretschmer auf seiner Seite verkünden. Dort gibt er Tipps für ein gelungenes Einschulungs-Outfit – für Eltern und Gäste.

Kindermodemarken wie Okaidi („3,2,1 . . . Schulstart“) oder Esprit („Neues Schuljahr, neue Freunde, neuer Look!“) setzen darauf, dass Eltern ihre Kinder zum Schulanfang neu einkleiden. Aber in diesem Bereich scheint sich der Trend des Höher-Weiter-Besser nicht fortzusetzen. Marlies Miethchen-Pips vom Duisburger „Kinderladen Daniel“ hatte früher drei Geschäfte, heute verkauft sie Pullis und Hosen nur noch über einen Online-Shop: „Die Leute geben immer weniger für Kinderkleidung aus“, sagt die 65-Jährige. Dieses Fein-Machen für einen Tag gebe es so nicht mehr. Das sei in den 1980ern bei der Einschulung noch ganz anders gewesen. „Da hatten die Jungs auch schon mal ein weißes Hemd an.“

Experten: Kleine Einschulungsfeiern sind in Ordnung

Beim Einschulungsgottesdienst ist die Kirche so voll wie an Weihnachten. Manche Schulen beschränken schon die Gäste-Schar. VBE-Vorstand Udo Beckmann zur Feierfreude: „Das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir es immer mehr mit Ein-Kind-Familien zu tun haben, so dass sich alles auf dieses eine Kind fokussiert.“

Nicht nur Eltern, Omas und Opas kommen mit, sondern auch Paten, Tanten, Onkel reisen zum großen Ereignis an. Für das Kind sei das ja auch ein besonderer Tag, der zu Recht gefeiert werde. „Aber nicht überziehen und nicht versuchen, alle anderen zu überbieten“, rät Beckmann. Ein Smartphone habe in der Zuckertüte nichts zu suchen.

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Ähnlich sieht es Christiane Mika (57), Leiterin der Libellen-Schule in Dortmund und Vorstand des Grundschulverbands NRW: „Das Kind darf im Mittelpunkt stehen. Mein Wunsch wäre es, dass es dabei spürt: Es stehen alle hinter mir, sie freuen sich mit mir und man traut es mir zu.“ Noch heute gebe es Sprüche wie: „Nun beginnt der Ernst des Lebens.“ Dabei fange das Lernen schon in der Kita an. Zu starker Druck sei genauso wenig hilfreich wie der Versuch, dem Kind alles abzunehmen. Schon Erstklässler könnten den Weg zur Schule einüben, betont Udo Beckmann. Elterntaxis seien nicht nötig.

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