Düsseldorf. Das Pflegemuseum Kaiserswerth erzählt in alten Krankenzimmern die Geschichte der Diakonissinnen und geht Fragen nach, die bis heute aktuell sind.
„Krankenpflege ist eine Kunst“, hat einst Florence Nightingale (1820 - 1910) gesagt. Nach ihrem ersten Aufenthalt in Kaiserswerth war die berühmte britische Krankenschwester so angetan von der Pflege der dort arbeitenden Diakonissinnen, dass sie für drei Monate zurückkehrte. Heute erinnert an gleicher Stelle ein Pflegemuseum an die Arbeit dieser Frauen und wie sich ihre Kunst bis heute verändert hat – und weiter verändern wird.
Bereits das Museumsgebäude mit der schönen neugotischen Fassade ist ein Ausstellungsstück: Es ist die ehemalige Klinik für Diakonissinnen. Im Erdgeschoss ist heute noch ein Begegnungszentrum der Schwesternschaft. Aber warum wirkten sie genau an diesem Ort?
Diakonissinnen waren unverheiratet, nicht unabhängig
Theodor Fliedner reiste 1822 nach Kaiserswerth, das heute Stadtteil von Düsseldorf ist. Der evangelische Pastor gründete eine Gemeinschaft der Diakonissinnen, die ein Vorbild für viele andere so genannte Mutterhäuser wurde. Frauen sollten damals eigentlich nicht arbeiten, erinnert Museumsleiter Norbert Friedrich: „Sie sollten Kinder kriegen und dem Mann gehorchen.“ Die Diakonissinnen waren unverheiratet, aber nicht unabhängig. Sie hatten dem Mutterhaus mit Demut zu gehorchen. Dafür wurden sie in der Pflege ausgebildet, sie bekamen Obhut, Kleidung und wurden versorgt, wenn sie selbst alt und krank waren.
„Fliedner war kein Sozialreformer, er wollte das Christentum verbreiten“, sagt der 56-Jährige. Und dazu zählte auch die Nächstenliebe – in der Antike hatten noch stoische Philosophen wie Seneca Mitleid als Ausdruck von Schwäche angesehen. Dass Fliedner dabei auch die Krankenpflege professionalisierte, sei eher nebenbei geschehen, so der Historiker und Theologe.
Adipositas hat nicht die große Rolle gespielt
Doch nicht nur die Pflege hat sich verändert, indem etwa mehr auf Hygiene geachtet wurde. Auch die verbreiteten Krankheiten sind nicht mehr die gleichen. Vor der Entdeckung der Impfstoffe war man Seuchen hilflos ausgeliefert. Ein Foto aus heutiger Zeit zeigt dagegen eine Frau, die in einen Burger beißt. „Adipositas hat in der Vergangenheit nicht die große Rolle gespielt“, verweist Friedrich darauf, dass Krankheiten wie starkes Übergewicht oft gesellschaftliche Phänomene sind.
Viele Schautafeln führen mit Texten in die Geschichte, Schwarz-Weiß-Fotos veranschaulichen die Pflege von früher, wie die Diakonissinnen etwa ohne Blutdruckgerät den Puls am Handgelenk der Patienten fühlten. Zu den wenigen historischen Exponaten zählen so genannte Moulagen aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts: Aus Wachs wurden erkrankte Körperteile, wie etwa der Verlauf einer Pocken-Impfung oder ein verätztes Auge, anschaulich für die Pflegeschüler nachgeformt. Zudem ist eine nachgebaute Trage zu sehen: Der Korb mit Deckel, der die Ansteckungsgefahr eindämmen sollte, erinnert an einen Sarg. Friedrich: „Die Sterblichkeit war sehr hoch.“ Insbesondere bei den Diakonissinnen, die ständig von Kranken umgeben waren.
Wer pflegt uns? Wie wollen wir sterben?
Die Ausstellungsräume sind ehemalige Krankenzimmer. Da die Klinik für Diakonissinnen war, gab es keine – wie sonst üblich – großen Patientensäle. In jedem der 15 Räume für damals eine bis maximal drei Patientinnen geht das Museum einer Frage nach: Wer pflegt uns? Wie wollen wir sterben? Welche Bildung braucht die Pflege? Viele Auszubildende besuchen das Museum und setzen sich mit diesen Fragen auseinander. Während eine Diakonissin früher Generalistin war, werden sich die Pflegeberufe stärker spezialisieren, so Friedrich. Er hofft, dass trotz des Wandels eine Botschaft ankommt: „Krankenpflege ist immer Beziehungsarbeit.“
Eine weitere aktuelle Frage im Museum lautet: Wer bezahlt die Pflege? Fliedner legte in der „Kranken-Ordnung“ fest: „Die in der Genesung Begriffenen, welche schon ... etwas arbeiten können, haben solches ... zum Besten der Anstalt zu tun“. Diese Pflicht symbolisieren im Museum ein Eimer und ein Wischmob – die Patientin putzte selbst.
>>>Mein liebstes Ausstellungsstück
Die Rüschenhaube der Diakonissen: Die Tracht der Diakonissinnen – weiße Haube und dunkelblaues Tupfenkleid – schützte die Schwestern in einer Zeit, in der eine Frau ohne Begleitung unangenehm auffiel. Die Rüschenhaube stellte die Frauen zudem mit den verheirateten gleich – diese trugen damals im Rheinland eine ähnliche Kopfbedeckung. Für Museumsleiter Friedrich symbolisiert die Haube eine Ambivalenz: Einerseits stehe sie für die Idee der Mutterhaus-Diakonie, sich vorbehaltlos dem Nächsten zuzuwenden. „Damit verbinden sich romantische Vorstellungen.“ Eine Diakonissin pflegte aufopferungsvoll, hatte viel Zeit. Andererseits stehe die Haube für Strenge und Gehorsam. So wurde Krankheit auch als Strafe Gottes wahrgenommen. „Die Patienten wurden erzogen.“ Sie durften nicht trinken, nicht rauchen. „Da wurde auch mal geschlagen.“ In den 1930ern folgten auch Diakonissinnen der Nazi-Ideologie. Psychisch Kranke und Behinderte galten als „lebensunwert“, wurden zwangssterilisiert, später ermordet. Ein Foto erinnert zu dem an Erna Aufricht, eine Schwester jüdischer Herkunft, die in Auschwitz umkam.
>>> Fliedner-Kulturstiftung und ägyptische Sammlung
Pflegemuseum Kaiserswerth, Zeppenheimer Weg 20, Düsseldorf. Di, Mi., 9.30 - 16.30 Uhr und nach Vereinbarung. Eintritt: 5 €, Führungen: 0211/40 92 213.
Das Museum gehört zur kirchlichen „Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth“ mit großer Bibliothek zur Diakonie („diakonia“ ist das griechische Wort für „Dienst“).
In dem Haus ist auch eine kleine ägyptische Sammlung zu sehen, u.a. mit einer Mumie, die Theodor Fliedner erworben hat.