Essen. . „Tag der ausgefallenen Vornamen“ am 5. März: Welche Namen Eltern beim Standesamt fürs Baby vorschlagen. Porsche wurde ausgebremst, Ikea erlaubt.
Würden Sie Ihrem Kind das antun? Schaklyn. Champagna. Winnetou. Oder: Fanta. Vielleicht Filou ... Nicht zu vergessen: Don Armani Karl-Heinz. Am Dienstag ist der „Tag der ausgefallenen Namen“. Hier ein paar überraschende Einsichten, wie weit die Kevinisierung unseres Landes fortgeschritten ist.
Es gibt kaum einen besonderen Vornamen, den Jürgen Udolph (76) nicht bereits gehört hat, man denke nur an legendäre Fälle wie Pepsi-Carola oder Pumuckl. Der emeritierte Professor für Namenkunde kommt nach gut 50 Jahren zum ernüchternden Schluss: „Die Kindesmisshandlung beginnt oft schon bei der Vergabe des Vornamens.“ Der Blick in die Liste des von deutschen Standesämtern Akzeptierten mutet an wie der Fiebertraum eines Fantasy-Autors, eines Werbetexters oder eines irre originellen Komikers. Beispiele?
Menschen mit den Namen Godpower, Bluna und Matt-Eagle laufen tatsächlich über unsere Straßen. Und wer sich den amtlich besiegelten Schabernack anschaut, wird keinen augenfälligen Unterschied finden zu jenen Namen, bei denen das Amt ein Veto eingelegt hat. Denn mit Jürgenson, Porsche und Holunder mochten sich einige Beamte nicht anfreunden. Udolph: „Wir haben keine einheitlichen Bestimmungen. Der Name soll nicht anzüglich sein und das Wohl des Kindes respektieren. ,Tropi‘ für ,Trotz Pille‘ wurde abgelehnt. Aber Kriterien zu erstellen, ist absolut unmöglich.“
Der Mann der vielen Vornamen
Na, ein paar Regeln gibt es schon noch. Etwa sollten nicht mehr als drei Vornamen vergeben werden. Nur: Was würde Ex-Minister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg dazu sagen, dem man einst bei Wikipedia noch als elften Vornamen einen Wilhelm unterjubelte?
Ein Karl-Theodor, denkt man, der kann Karriere machen! Ein Kevin – sprichwörtlich kein Name, sondern eine Diagnose – hingegen wird’s in Schule und Beruf mal schwerer haben. Aber das Problem sehen Experten wie Udolph eher woanders. „Der Punkt ist: Welche Eltern vergeben Namen wie Kevin? Grob gesagt: Es gibt eine Gruppe von Eltern, die sich überhaupt nicht für die Kinder interessiert, die auch bei Elternsprechtagen fehlt und zu Hause den ganzen Tag RTL oder Sat 1 laufen lässt. Was diese Eltern für Namen geben, kann man sich ausrechnen. Dann kümmern sie sich nicht um ihre Kinder in der Schule. Die Konsequenz? Schlechte Leistungen!“
Doch auch für diese Kinder gibt es Hoffnung, so Udolph: „Wenn ich meine Frau frage, die ist Lehrerin, dann weiß sie nach einer Stunde, was sie mit einem Schüler anfangen kann und was nicht. Dabei spielt aber der Vorname gar keine Rolle.“
Namen, die mit Vorurteilen besetzt sind
Es ist übrigens nicht so einfach, Kinder mit vorurteilsbelasteten Vornamen zu finden, wenn man welche sucht. Weiß auch Kai Twilfer (43), Bestseller-Autor aus Gelsenkirchen, u.a. „Schantall, tu ma die Omma winken!“ (Trilogie gesamt 750.000 Mal verkauft): „Ich frage am Anfang meiner Lesungen immer, ob eine Schantall anwesend ist. Bis auf einmal in Kiel war das aber tatsächlich nie der Fall. Stattdessen bekomme ich Rückmeldungen von Grundschullehrerinnen, die mir sagen, Schantall sei doch noch normal – sie hätten reihenweise Kimberly-Crystals und derlei Kuriositäten.“
Dass Kevin aber ein sicherer Top-10-Kandidat für die Jahrescharts der Vornamen ist, liegt nun schon ein Weilchen zurück. Spätestens, wenn Eltern entdecken, dass durch die Kindergartengruppe ihres Sprösslings schon drei Namensvetter krabbeln, schrecken sie zurück. Und folgende Generationen auch. „Mit manchen Vornamen ist es wie bei der Damenmode: kurze Röcke, lange Röcke, das wechselt“, so Udolph. Oft würden die Namen der Großeltern-Generation wiederentdeckt. Oder man greift zu Dauerbrennern: Martin und Christiane behaupten sich schon seit hunderten Jahren.
Die Hälfte der Eltern würde heute einen anderen Namen wählen
Mit Bedacht sollte so ein Vorname ohnehin gewählt sein, schließlich muss das Kind sein ganzes Leben damit zurechtkommen. Aber viele Eltern denken etwas kurz, so Udolph: „In England gab es eine Umfrage, und ich schätze, dass es bei uns nicht anders ist. Die Eltern wurden ein Jahr nach Geburt des Kindes gefragt: Würdet ihr denselben Vornamen noch einmal geben? 52 Prozent haben gesagt: Nein!“
Er selbst hat folgende Regel: Wird’s ein Mädchen, hat der Mann Vorschlagsrecht und die Frau Veto. Wird’s ein Junge, läuft’s umgekehrt. Was herausgekommen ist? „Ich habe vier Kinder. Susanne, Martin, Anja, Katja. Normaler geht’s nicht!“
>> NAMENSEXOTEN UNSERER LESER
„Meine Mama fand den Namen Kinga so schön, ohne zu wissen, dass er eigentlich Kunigunde bedeutet... Jetzt heiße ich halt so“, erzählt Kinga-Wioletta Wisniewska (41), Künstlerin für Skurriles aus Essen. Ihre Erfahrung: „Als Kind wurde ich oft gehänselt, Kimba oder King-Kong genannt. Heute stehe ich aber da drüber.“
Auch Gymnasiastin Dawn (15) aus Gelsenkirchen hatte es nicht immer leicht, zumal die anderen im Kindergarten das gar nicht aussprechen konnten. Ihre Mutter Tanja Stübben (40), Internationale Management Assistentin: „Der Name Dawn ist in Deutschland sehr unbekannt. Ich fand halt Dawn aus der TV-Serie ,Buffy’ so toll.“
Das Mädchen Dawn selbst machte ihrem Namen schon früh Ehre, kam sie doch in der „Morgendämmerung“ (engl.: dawn) zur Welt.
Weitere Exoten, von denen Leser auf unseren Facebook-Aufruf hin berichten: Neo-Norbert (siehe Auszug ev. Gemeindeblatt Oberaden/Bergkamen), Zoralinde, Morlen, Telemach und Bonke.