Dortmund. . Sindy und Hans Steinmeier leben und arbeiten zusammen. Bei Ehekrisen hören sie zu und helfen. Aber was machen sie, wenn es bei ihnen mal kracht?
Sindy (40) und Hans Steinmeier (49) sind ein Paar. Und sie sind Paartherapeuten. Im Gespräch mit ihren Klienten in der Heilpraktikerpraxis für Psychotherapie in Dortmund müssen sie sich mit ihren ganz persönlichen Vorstellungen von Glück zurücknehmen. Denn was für das eine Paar richtig ist, muss es nicht für das nächste sein. Im Gespräch mit Redakteurin Maren Schürmann haben beide nicht nur erklärt, was eine gute Beziehung ausmacht. Sie haben auch ausnahmsweise Einblicke in das eigene Leben gewährt: Inwiefern verkörpern sie selbst das Ideal?
Wer bringt bei Ihnen den Müll runter?
Er: Derjenige, der runter geht und sieht, dass der Eimer gerade überläuft, der nimmt ihn einfach mit und kriegt dann auch kein Lob dafür.
Sie: Das wolltest du aber schon mal.
Er: Ich wollte das schon mal?
(beide lachen)
Ärgern Sie sich genauso über Kleinigkeiten wie andere Paare? Eine geöffnete Zahnpasta-Tube, herumfliegende Socken. . .
Sie: Das ist für uns unwichtig geworden. Das sind äußere Dinge, das hat nichts mit dem Inneren zu tun. Seitdem wir uns mit Paartherapie beschäftigen, rückt das immer mehr in die Ferne. Klar, die Spülmaschine muss ausgeräumt werden, mal macht das der eine, mal der andere, dann machen wir es zusammen.
Geht es beim Streit um das Ausräumen der Spülmaschine wirklich ums Ausräumen?
Sie: Da kann etwas anderes hinterstecken, zum Beispiel: Ich möchte gesehen werden.
Er: Wenn ich erwarte, dass die Spülmaschine am Abend ausgeräumt ist, erwarte ich etwas von jemand anderem. Und übergebe damit meiner Partnerin oder meinem Partner komplett die Macht über meine Gefühle. Da hat jemand anderes eine Fernbedienung. Wenn er das macht, geht es mir gut. Wenn er es nicht macht, geht es mir nicht gut. Und davon muss ich wegkommen, indem ich meine Erwartungen hinterfrage.
Wie gelingt das?
Er: Wir haben ein Kommunikationstraining für Paare entwickelt. Die „normale“ Kommunikation ist ja die Anschuldigung: „Du hast schon wieder die Spülmaschine nicht ausgeräumt.“ Dann kommt meistens noch ein „wie immer“ hinterher.
Sie: Da geht man sofort in Abwehrhaltung.
Er: Wir schauen dann bei den Paaren, welche Situationen unvermint sind, wo sie nicht streiten. Das gemeinsame Einkaufen geht? Dann üben wir die Kommunikation in einem Rollenspiel beim Einkaufen zum Beispiel eines Käses. Der eine möchte den günstigen Camembert, der andere den teuren Bio-Käse. Dann lassen wir Ich-Botschaften formulieren: „Ich kaufe lieber den teuren Bio-Käse.“ Und dann der nächste Schritt: Warum? „Weil ich möchte, dass wir uns gesund ernähren.“ Das versteht der andere, der lieber sparen möchte, weil das Geld gerade knapp ist, schon besser. So werden auf einmal die Bedürfnisse sichtbar.
Sie: Viele wissen gar nicht, welche Bedürfnisse hinter so einem Streit liegen. Durch dieses Aufdecken lernt man den Partner aber wieder anders kennen.
Er: Man versteht ihn, begegnet ihm mit Respekt.
Reden Sie im Alltag auch so miteinander?
Er: Wenn wir miteinander reden, klingt das natürlich nicht mehr nach Lehrbuch, aber wir haben diese Dinge verinnerlicht.
Wahrscheinlich reden Sie sehr viel miteinander?
Er: Wir ertragen auch Stille(lacht). Und: Erwarte ich von jedem Abend, dass wir eine Super-Partnerschaft haben? Nein! Willkommen in der Realität. Da ist die Frage, wie gehe ich damit um, welche Erwartungshaltung habe ich? Auf jeden Fall nicht: Mach mich glücklich!
Aber erwarten langjährige Paare nicht genau das, dass es wieder so prickelnd wird wie am Anfang?
Er: Das geht nicht. Gott sei Dank! Der neurobiologische Zustand eines Verliebten ist ähnlich dem einer Manie. Das kann unser Körper nicht aufrechterhalten. Es kann nicht wie am Anfang werden, dafür hat man auch zu viel erlebt. Aber es kann anders werden, besser.
Sie wissen, wie eine gute Beziehung aussieht. Können Sie dann selbst eine perfekte Beziehung führen?
Sie: Was ist eine perfekte Beziehung?
Er: Wir haben genauso Konflikte wie alle anderen. Wir können damit nur perfekter umgehen. Das Leben bedeutet, dass Konflikte da sind. Und klar mit Kindern, wir haben beide je eine Tochter aus früheren Beziehungen, da ist auch mal Alarm in der Bude. Das muss ja auch sein.
Also bei Ihnen fliegen auch mal die Fetzen?
Beide schütteln den Kopf
Sie: Wir haben keine Streitkultur, bei der es laut wird oder die Sachen fliegen.
Er: Wir sind vielleicht ein bisschen ehrlicher mit uns selbst: „Ach, das war jetzt gerade echt mein Fehler.“
Ist denn die Lautstärke beim Streit ein Indikator für eine schlechte Beziehung?
Sie: Nein, nein. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Manche Pärchen brauchen das, damit sie sich wieder spüren. Schwierig wird es, wenn einer solch eine Streitkultur braucht und der andere nicht.
Dann kommen Sie ins Spiel. Was ungewöhnlich ist: Sie therapieren das Paar zusammen?
Sie: Das ist unser spezielles Angebot. So fühlen sich alle gut aufgehoben. Der Mann hat zum Beispiel nicht das Gefühl, dass sich seine Frau mit der Therapeutin zusammentut – oder umgekehrt.
Sind Sie denn immer einer Meinung, wo der Kern des Problems liegt?
Er: Nein. Aber das ist auch gut.
Sie: Wir haben unterschiedliche Perspektiven, wir ergänzen uns.
Er: Es gibt ja nicht das Richtige oder das Falsche, es gibt immer nur das Richtige für das Paar.
Haben Sie selbst schon mal einen Paartherapeuten aufgesucht?
Er: Nee, aber wenn das von Nöten wäre, wäre das genau das, was wir machen würden. Ein Arzt kann sich ja auch nicht sein eigenes Magengeschwür wegoperieren. Man hat selbst nicht die nötige Objektivität. Die haben nur andere.
Therapie und Wartezeiten
Die Kosten für die Stunden bei Heilpraktikern für Psychotherapie werden nicht von der Krankenkasse übernommen, nur von manchen Zusatzversicherungen. Dafür bekommt man schneller einen Termin: In der Steinmeier-Praxis in Dortmund müssen Paare im Schnitt zehn bis 14 Tage warten.