Bochum. Menschen, die sich fürs Bett verabreden, genießen ein erfüllteres Sexleben. Paare, bei denen der Mann gewissenhaft ist, sind besonders zufrieden.
Ein tiefer Blick in die Augen – und die Klamotten fliegen. So stellen sich viele erfüllenden Sex vor. Doch in langjährigen Beziehungen entfacht die Leidenschaft nicht immer automatisch wie am Anfang. Da geht der Blick schon mal ins Leere. Es sei denn, die Paare zücken den Terminkalender und besprechen: „Passt Freitagabend bei dir?“ Julia Velten, Doktorin der Psychologie an der Ruhr-Uni Bochum, erforscht, was Paare im Bett glücklich macht. Maren Schürmann sprach mit der 33-jährigen Sexualtherapeutin über eine neue Studie, die besonders den strebsamen Menschen, die dem Klischee nach als verklemmt gelten, gute Sex-Noten erteilt.
Kann Casanova einpacken? Warum sind gewissenhafte Menschen besonders glücklich im Bett?
Julia Velten:Wir vermuten, dass diese Personen an das Thema Sexualität in der Partnerschaft anders rangehen. Sie lassen das nicht schleifen, sondern sagen, das ist eine Priorität, da plane ich Sex mit meinem Partner, mit meiner Partnerin ein und gebe mir Mühe. Wir haben knapp 1000 Paare befragt und herausgefunden, dass diejenigen, bei denen der Mann besonders gewissenhaft ist, häufiger Sex haben als andere.
Warum das?
Das könnte damit zusammenhängen, dass Männer im Schnitt häufiger diejenigen sind, die sich mehr Sex wünschen und daher auch den ersten Schritt machen. Und wenn der Mann besonders gewissenhaft ist, dann wirkt sich das darauf aus, dass die Paare häufiger miteinander schlafen und zufriedener mit ihrer Sexualität sind.
Weil er den nächsten Sex genauso im Terminkalender einplant wie das nächste Meeting?
Wir wissen aus der klinischen Erfahrung mit Patienten, dass es gerade in längeren Partnerschaften hilfreich sein kann, Sex zu planen. Wenn man viel zu tun hat, wird es schwierig, dass beide zum gleichen Zeitpunkt spontan Lust haben. Dann ist es besser, sich zum Sex zu verabreden. Das unterstreicht auch die aktuelle Studie, weil gewissenhafte Menschen eher dazu neigen, Dinge zu planen.
Zücken diese Paare wirklich gemeinsam den Terminkalender?
Manche machen das tatsächlich so. Aber das ist sehr unterschiedlich. Viele Patienten sagen zum Beispiel, freitagabends ist für uns ein guter Termin, da haben wir den Stress der Woche hinter uns und können am nächsten Morgen ausschlafen. Für andere ist der Samstagmorgen besser, da schlafen die Kinder noch. Und wieder andere haben keinen festen Termin, sie reden miteinander. Keine Kritik, sondern Lob und Fragen: Was willst du? Was sollen wir machen? Und lassen es nicht darauf ankommen, ob man gerade in dem Moment Lust hat.
Wo bleibt denn die Lust, wenn man sich wie zum Restaurant-Besuch verabredet?
Wir wissen, dass die spontane Lust nur ein Grund unter vielen ist, warum man Sex haben kann. Leidenschaft spielt bei einer neuen Partnerschaft eine große Rolle und es gibt Menschen, bei denen sie auch im hohen Alter noch wichtig ist. Aber viele Paare haben Sex, um dem Partner nahe zu sein, um sich zu entspannen, um sich etwas Gutes zu tun.
Wellness statt erotisches Erlebnis?
Zumindest am Anfang. Ich weiß, dass mir das guttut, deshalb mache ich das jetzt. Und währenddessen, wenn alles gut läuft, kommt eine erotische Stimmung, eine Leidenschaft.
Könnte es nicht auch gelingen, das Spontane in einer langjährigen Beziehung wieder zu beleben?
Die Idee ist schön (lacht). Und es gibt auch Paare, denen hilft es, wenn sie den Partner mit besonders erotischer Wäsche überraschen oder ihn an der Tür mit einem Glas Sekt begrüßen, sich neue Geschichten ausdenken, um das Ganze aufzulockern. Aber es gibt auch Paare, da funktioniert das nicht. Da fühlt man sich vielleicht eher überrumpelt. ,Puh, lass mich doch erst mal duschen.’ Es gibt ganz unterschiedliche Wege. Und verschiedene Menschen, die alle guten Sex haben können.
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Wenn man sich die Titelseiten von Frauenzeitschriften anschaut, stand dort früher: „Sex, der Ihr Leben verändert.“ Heute: „Sex für Faule“, „Sex, wenn es heiß ist“, „Slow Sex“. Lässt es heute keiner mehr krachen?
Ich glaube, da steckt die Erkenntnis hinter, dass es auch okay ist, wenn Sex zwischendurch nur durchschnittlich ist. Dass es manchmal sogar schädlich sein kann, unbedingt dem Ideal hinterherzulaufen: Es muss immer fantastisch, grandios, ekstatisch sein. Das macht Druck. Man sollte sich lieber darauf einstellen, dass Sex einfach auch mal routiniert und nur entspannend ist, und deswegen keine Katastrophe, sondern trotzdem schön.