Essen. Energieexpertin Wallraf kritisiert undurchsichtige Fernwärme-Preise und lehnt Anschlusszwang ab. Was sie gerne von ihrem Anbieter wissen würde.

Die starken Preiserhöhungen bei der Fernwärme haben die Verbraucherschützer auf den Plan gerufen. Sie fordern mehr Transparenz in der Preisbildung und lehnen den in der Politik diskutierten Anschlusszwang ab. Christina Wallraf, Energieexpertin der Verbraucherzentrale NRW, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion, woran es bisher hakt und was sich ändern müsste.

Frau Wallraf, die Bundesregierung setzt auf einen massiven Ausbau von Fernwärme. Die Verbraucherzentralen sind nicht ganz so euphorisch, warum?

Wallraf: Die Preise schwanken stark und sind zuletzt enorm gestiegen. Gerade dann sollte es für Verbraucherinnen und Verbraucher einfach nachvollziehbar sein, warum das passiert. Doch die vielen Faktoren bei der Fernwärme, etwa diverse Preisindizes, sind schwer zu durchschauen. Das ist umso ärgerlicher, da der örtliche Fernwärmeanbieter jeweils ein Monopol hat. Mieter können gar nicht wechseln, Eigentümer nur in seltenen Fällen. Dennoch halten auch wir den Ausbau der Fernwärme für nötig, aber die Rahmenbedingungen müssen fair und verbraucherfreundlich sein.

Was müsste sich ändern?

Wallraf: Die Verträge laufen bis zu zehn Jahre und damit länger als jeder Gas- oder Stromvertrag. Deshalb muss die Preisbildung so transparent wie möglich sein, das ist sie in den meisten Fällen nicht – auch, weil jeder Anbieter seine eigene Formel hat. Ich möchte bei den einzelnen Faktoren direkt auf die Quelle verlinkt werden, um das prüfen zu können. Ich möchte wissen, wie hoch die Netzverluste meiner Fernwärme sind. Und ich fände es sehr wichtig, den Herkunftsmix meiner Fernwärme zu erfahren.

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Warum?

Wenn ich weiß, wie viel Kohle, Öl, Gas oder Müll für meine Fernwärme verbrannt wird, kann ich besser nachvollziehen, ob meine Preise sich überhaupt nach diesen Energieträgern richten, oder ob ganz andere Faktoren in meiner Formel eingesetzt werden. Außerdem möchte ich auch wissen, wie grün meine Fernwärme ist, hohe Öl- oder Kohle-Anteile wären alles andere als klimafreundlich.

Waren die massiven Preiserhöhungen denn nachvollziehbar?

Wallraf: Das lässt sich aus den genannten Gründen sehr schwer und ohnehin nur für jeden Einzelfall bewerten. Unser Bundesverband bereitet gerade eine Musterklage gegen Eon vor, weil wir da bestimmte Preissprünge nicht nachvollziehen können. Zum Glück gilt für die Fernwärme ja eine recht niedrige Preisbremse von 9,5 Cent je Kilowattstunde, mit der die Haushalte zumindest sicher durch den nächsten Winter kommen.

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Um die Ausbauziele zu erreichen, ist ein Anschlusszwang an die Fernwärme für Gebiete im Gespräch, wo sie für viele Häuser verfügbar ist. Was halten Sie davon?

Wallraf: Einen Anschluss- und Benutzungszwang hielte ich für falsch. Fernwärme sollte sich durchsetzen, weil sie klimafreundlich und bezahlbar ist, nicht mit Zwang. Natürlich wird Fernwärme umso günstiger, je mehr Gebäude an ein Netz angeschlossen sind. Es gibt einige Vorteile, etwa geringere Wartungskosten und eine potenziell klimaschonende Wärmeversorgung. Trotzdem sollten Verbraucher selbst entscheiden können, welche Heizungsart sie zu welchen Preisen haben wollen. Sollte ein Benutzungszwang kommen, müsste es zwingend eine Preisaufsicht geben, um Marktmissbrauch zu verhindern, etwa beim Bundeskartellamt.