Hagen. Das Hagener Kaltwalzwerk Bilstein gehörte 2021 zu den ersten Investoren ins Stahl-Start-up H2 Green Steel. Wie sich das nun offenbar auszahlt.

Eines der weltweit spannendsten Projekte auf dem Weg zu grünem Stahl ist das schwedische Start-up H2 Green Steel (H2GS). Eines der ersten Unternehmen, die in den Aufbau des grünen Stahlwerks auf der ebenfalls grünen Wiese in Nordschweden investierten, war das Traditionsunternehmen Bilstein aus Hagen-Hohenlimburg. „H2GS ist ein extrem ambitioniertes Projekt und für uns ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion“, sagt Marc T. Oehler, Geschäftsführender Gesellschafter des Kaltbandunternehmens. Als das Start-up H2GS 2021 die erste Runde einläutete, um Geld für das Milliardenprojekt einzusammeln, war Bilstein mit einem Millionenbetrag dabei. Wie einige Unternehmen, etwa Mercedes, Scania oder auch der Anlagenbauer SMS. Mehr als 100 Millionen Euro Kapital kamen zusammen.

Am Stahlwerksbau H2GS beteiligt

Mittlerweile halten auch Investmentfonds das Projekt für eine gute Anlage und haben sich in der zweiten Runde im vergangenen Jahr als Kapitalgeber beteiligt. Rund 190 Millionen Euro zählte man dieses Mal. Den Auftrag zum Bau der ersten Anlage von H2GS in Höhe von einer Milliarde Euro sicherte sich SMS. Es war Ende 2022 der größte Einzelauftrag in der Geschichte des Unternehmens mit seinen Wurzeln im Siegerländer Hilchenbach. Ab 2026 soll unter Einsatz von Wasserstoff (H2) grüner Stahl erzeugt werden. Kunde der ersten Stunde wird die Bilstein Group aus Hagen sein. Sie sicherte sich jetzt – nach „intensiven Verhandlungen signifikante Mengen CO2-neutralen Warmbands“, wie es aus dem Unternehmen heißt.

„Wir gehören zu den ersten Investoren und nun konnten wir auch mit als erste Verhandlungen führen“, sieht Bilstein-Chef Oehler zumindest einen Zeitvorteil durch das mutige Invest in Schweden. Mit Blick dorthin spricht er von einem Leuchtturmprojekt, „das in Zukunft eine wesentliche Säule unseres Vormaterialbezugs darstellen wird.“ Über den Vertrag freut man sich in Schweden ebenso wie in Hagen: „Fantastische Neuigkeiten! Wir haben eine siebenjährige verbindliche Vereinbarung zur Lieferung von grünem Stahl an die Bilstein Group abgeschlossen, ein Unternehmen mit einer jahrhundertelangen Geschichte in der Stahlverarbeitung, das einige der hochwertigsten Stahlsorten in seiner Produktion verwendet“, twitterte das Unternehmen H2GS umgehend.

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Allein auf die mit grünem Wasserstoff in Schweden hergestellten Mengen an Material verlässt man sich beim Kaltwalzspezialisten in Hagen allerdings nicht. Auch mit der Salzgitter AG wurden in den vergangenen Monaten Vereinbarungen über die Lieferungen von grünem Stahl getroffen, außerdem soll Thyssenkrupp Stahl aus Duisburg und Material aus dem nahe gelegenen Thyssenkrupp-Werk in Hohenlimburg liefern, bei dem der CO2-Ausstoß um bis zu 75 Prozent gegenüber dem heutigen Stand reduziert sein soll (Blue Mint Steel). Bilstein will damit zu den ersten zählen, die ihren Kunden, davon ein erheblicher Teil aus der Autoindustrie, große Mengen CO2-reduziertes und perspektivisch sogar CO2-neutrales Kaltband liefern können.

H2-Pipelines ins Lennetal

„Der CO2-Fußabdruck von kaltgewalztem Bandstahl entsteht zu weit über 90 Prozent bei der Stahlherstellung, also der Fertigung unseres Vormaterials, und ist somit von uns nicht unmittelbar beeinflussbar“, sagt Bilstein-Chef Oehler. Blieben immerhin noch zehn Prozent, die das Unternehmen selbst beeinflussen könnte – und auch will: An den deutschen Standorten des Unternehmens (das auch ein großes Werk in den USA betreibt) sollen absehbar zumindest schon einmal die Strukturen geschaffen werden, um Erdgas durch Wasserstoff (H2) zu ersetzen. Je nach Verfügbarkeit könnte dann zwischen H2 und Erdgas umgestellt werden. Einen zweistelligen Millionenbetrag will die Bilstein Group hierfür ausgeben.

Bis grüner Wasserstoff per Pipeline Unternehmen in der Region an der Lenne erreicht, dürften aber noch ein paar Jahre vergehen. Das Projekt „Zukunft RuH2r“ soll grünen Wasserstoff von der Metropolregion Ruhrgebiet nach Südwestfalen transportieren und ist Teil des Ausbauplans für eine Wasserstoffwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Oehler ist optimistisch, dass es vielleicht schneller geht als zunächst angenommen.

Der Plan des Hagener Unternehmens war es, bis 2035 klimaneutral zu sein, und zwar in allen Bereichen – Produktion, Logistik und Verwaltung. Zunehmend drängen die Kunden darauf, Produkte mit einem möglichst geringen CO2-Fußabdruck zu erhalten. „Wir wollen, ja müssen beim Klimaschutz ganz vorne mit dabei sein, um auch zukünftig unsere Spitzenposition in der europäischen Kaltwalzindustrie zu behaupten“, sagt Oehler. Mit den bereits umgesetzten und laufenden Maßnahmen und Projekten sei es realistisch, dieses Ziel „bereits deutlich früher zu erreichen. Hier wird grüner Wasserstoff eine ganz wichtige Rolle spielen“, ergänzt Bilstein-Technikvorstand Michael Ulrich.