Gelsenkirchen. Gewerkschaftschef Vassiliadis sorgt sich um steigende Heizkosten für Mieter und kritisiert den Ausbau der Erneuerbaren im Schneckentempo.
Als Vorsitzender der Chemie-Gewerkschaft IGBCE gehört Michael Vassialiadis zu den Architekten der Gaspreisbremse, die ab Frühjahr 2023 greifen und die Verteuerung für Verbraucherinnen und Verbraucher abmildern soll. Doch schon jetzt warnt er davor, sich darauf auszuruhen. „Wir nehmen 200 Milliarden Euro in die Hand und verbrennen sie. Die sind dann weg. Damit machen wir keine Zukunft“, kritisierte Vassiliadis beim Vivawest-Abend in Gelsenkirchen und forderte die europäischen Regierungen auf, mehr Mut bei der Energieversorgung der Zukunft aufzubringen.
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Vielen der rund 160 Gästen des Gelsenkirchener Wohnungskonzerns Vivawest aus Politik und Immobilienwirtschaft werden die Ohren geklingelt haben, als Vassiliadis ansetzte, einige „ernste Dinge“ anzusprechen. „Dass wir zu wenige Erneuerbare Energien haben, liegt nicht an Putin, sondern ist Versagen“, sagte er. Der Ausbau der Netze, die Windstrom von der deutschen Küste nach Süddeutschland transportieren, schreite so schnell voran „wie eine Weinbergschnecke“.
Aber auch in der Immobilienwirtschaft bewegt sich nach seiner Einschätzung viel zu wenig. „Wir brauchen Wohnungen, bauen sie aber nicht. Wir müssen endlich ins Tun kommen“, forderte Vassiliadis. Als Chef der IGBCE sitzt er auch im Aufsichtsrat von Vivawest. Die Gewerkschaft hält 18,2 Prozent an dem Konzern mit seinen rund 120.000 Wohnungen. Während der Neubau wegen steigender Zinsen, höherer Baukosten und unklarer staatlicher Zuschüsse bundesweit nahezu zum Erliegen gekommen ist, will das Gelsenkirchener Unternehmen weitgehend an seinen Investitionsplänen festhalten.
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„Auch wenn wir bei Vivawest den Preisdruck spüren, werden wir den Neubau nicht pausieren, sondern weiter betreiben – sicherlich nicht in dem Umfang, wie wir es noch im Frühjahr gedacht haben, aber in einer Größenordnung, mit der wir einen Beitrag sowohl zum Klimaschutz als auch für bezahlbaren Wohnraum leisten können“, stellte die Aufsichtsratsvorsitzende Bärbel Bergerhoff-Wodopia klar. Als Vorständin der RAG-Stiftung vertritt sie den größten Vivawest-Gesellschafter, der 40 Prozent am Unternehmen hält.
Die Gelsenkirchener hatten im Sommer bekannt gegeben, bis zum Jahr 2026 rund 1,8 Milliarden Euro in 6400 neue Wohnungen zu investieren. Ob es unter den erschwerten Bedingungen bei der vollen Höhe bleibt, gilt als offen. Vivawest-Chef Uwe Eichner forderte mehr Unterstützung der Politik. „Seit Jahren wird der Wohnungswirtschaft eine Entbürokratisierung versprochen, die den Anstieg der Baukosten wirksam abbremst. Passiert ist das Gegenteil“, schimpfte Eichner. „Jede neue Anforderung führt zu einem weiteren Anstieg der Baukosten, der es immer weniger Menschen ermöglicht, die Mieten für eine Neubau-Wohnung zu bezahlen.“
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Die Sorge um galoppierende Mieten und Nebenkosten treibt auch den Gewerkschafter Vassiliadis um. „Die Ängste der Menschen sind fundamental“, sagte er. Früher sei eine Wohnung mit drei Zimmern, Küche, Diele und Bad „die Währung des Wohnens“ gewesen. Inzwischen heiße es für viele Mieterinnen und Mieter „Drei Zimmer, Küche, Pleite“, erklärte der IGBCE-Chef.
Trotz aller Hilfspakete der Bundesregierung warnte Vassiliadis vor der irrigen Annahme, die Energiekrise sei im Griff. „Ob das Gas reicht, ist nicht geklärt“, betonte er. „Wenn die Gasmangellage eintritt, haben wir hier ganz schnell Rock’n Roll“, sagte Vassiliadis im Hinblick auf die hohe Abhängigkeit vor allem der deutschen Chemie- und Nahrungsmittelindustrie vom Gas. So günstig wie in der Zeit vor dem Ukraine-Krieg würden die Energiepreise sicher nie mehr werden. Deshalb erwartet der Gewerkschaftschef Antworten der Politik: „Was passiert, wenn die Gaspreisbremse zu Ende ist?“