Mülheim. Mit der Stationierung eines Zeppelin in der neuen Mülheimer WDL-Luftschiffhalle erwartet Zeppelin NT einen Schub für den Tourismus im Ruhrgebiet.
Das WDL-Luftschiff am Flughafen Essen/Mülheim gehört zu den Wahrzeichen des Ruhrgebiets. In diesen Tagen soll nicht nur sein neuer Hangar fertiggestellt werden. „Theo“, so sein Name, soll auch einen Kollegen erhalten. Mit dem zusätzlichen Zeppelin aus Friedrichshafen will das Unternehmen Zeppelin NT auch ausländische Touristen für Rundflüge ins Revier locken.
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Die Fassade besteht aus 550 Tonnen sauerländischem Holz, der gläserne Sockel bietet Aussicht auf die grünen Ruhrhöhen, auf dem Boden liegen Platten aus dem abgerissenen Logistikzentrum eines großen Mülheimer Discounters. Der neue Hangar mit einer Grundfläche, die so groß ist wie ein Fußballfeld, bietet genug Platz für zwei Luftschiffe. Im Gegensatz zum WDL-Blimp hat der Zeppelin eine Skelett aus Kohlefasern, das ihm mehr Stabilität verleiht.
Beide Luftfahrzeuge sollen die Stars des neuen Event-Zentrums am Flughafen Essen/Mülheim sein, das die Westdeutsche Luftwerbung (WDL) gerade baut. Schon der Charme der alten Halle mit ihrer grünen Kunststoffhülle war Kulisse für Filmemacher, Auto-Präsentationen, Parteitage und Konzerte. Mit dem neuen Hangar und einem geplanten zweiten Bauabschnitt will die WDL das Veranstaltungsgeschäft weiter ankurbeln.
Zeppelin NT sieht Potenzial in NRW
Das Konzept überzeugte auch Eckhard Breuer. Der gelernte Luftfahrtingenieur führt am Bodensee die beiden traditionsreichen Unternehmen Deutsche Zeppelin-Reederei und Zeppelin Luftschifftechnik mit zusammen 100 Mitarbeitenden. „Es ist für uns eine einmalige Gelegenheit, Mieter im neuen Hangar der WDL zu werden“, sagt der Geschäftsführer im Gespräch mit unserer Redaktion. Friedrichshafen sei zwar „die deutsche Luftschiffstadt“. Bei Zeppelin NT habe man aber bereits seit geraumer Zeit darüber nachgedacht, den Markt für Rundflüge über den Bodensee hinaus ausweiten. „Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland und am Standort Ruhrgebiet sind wir nah an den Beneluxstaaten. Essen/Mülheim ist auch gut von Großbritannien, Berlin und Hamburg zu erreichen“, sagt Breuer.
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Rund 20 Mitarbeitende – Piloten, Techniker und Bodenpersonal – will er für den neuen Standort im Ruhrgebiet einstellen, um ab 2024 zwischen März und Weihnachten Rundflüge mit dem Zeppelin anzubieten. Das Auswahlverfahren der Piloten übernimmt die Mülheimer Flugschule TFC, die WDL im Jahr 2021 übernommen hatte.
Flugroute über Fußballstadien geplant
„Wir können uns eine Bundesliga-Route über die großen Fußball-Stadien in NRW vorstellen, aber auch eine Route der Industriekultur. Daran arbeiten wir noch“, erklärt der Zeppelin NT-Chef und zeigt sich zuversichtlich, dass die Stationierung eines zweiten Zeppelins einen touristischen Schub für das Ruhrgebiet bedeuten werde. „Aus Friedrichshafen wissen wir, dass der Zeppelin auch viele Zaungäste anlocken wird. Der Flughafen Essen/Mülheim wird deshalb auch ein Ausflugsziel werden“, meint Breuer.
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Die Chancen scheinen tatsächlich nicht schlecht zu stehen. Mit dem neuen Zeppelin, den sein Unternehmen mit einem Gesamtinvest von rund 20 Millionen Euro gegenwärtig in Friedrichshafen baut, werden weltweit gerade einmal sechs Zeppeline unterwegs sein – drei in Diensten der Deutschen Zeppelin-Reederei, drei in den USA in Regie des Reifenherstellers Goodyear. Hinzu kommt das WDL-Luftschiff „Theo“. Neben Friedrichshafen wird Mülheim also zum weltweiten Hotspot der mit Helium gefüllten Riesenballone, die Passagiere befördern, Sportveranstaltungen mit Kameras an Bord übertragen oder einfach nur Werbung an den Himmel bringen.
Probebetrieb soll im Mai 2023 starten
Im Mai 2023 will Breuer mit dem Probebetrieb auf den Ruhrhöhen beginnen. Trotz der hohen Ticketpreise glaubt er schon jetzt an einen Erfolg der Mission. „Ein 45-Minuten-Flug im Zeppelin NT kostet 430 Euro. Dieses Erlebnis leistet man sich in der Regel nur einmal im Leben. Die Zahl der potenziellen Interessenten ist dennoch hoch“, sagt der Zeppelin NT-Chef. 14 Passagiere finden in der Gondel des Riesenballons Platz, der mit einer Länge von 75 Metern die Ausmaße eines Airbus A 380 übertrifft.
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Breuer rechnet damit, dass jährlich rund 12.000 Fluggäste in Essen/Mülheim starten können. Auch WDL-Geschäftsführer Frank Peylo ist optimistisch, dass das neue Konzept aufgehen werde. „Luftschiffe ermöglichen einen völlig neuen Blick auf die Welt, weil man in geringer Höhe mit einer Reisegeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern dahin schwebt“, sagt er.
Derweil hat die WDL entschieden, dass ihr Luftschiff künftig als Werbeträger am Boden bleiben soll. „Theo wird ab 2024 nicht mehr fliegen. Als größte Stehlampe der Welt wird er beleuchtetes Wahrzeichen bei Veranstaltungen an der Luftschiffhalle sein“, kündigt Peylo an. Die in der Nacht beleuchtete „Zigarre“ war nicht nur bei Industriekultur-Festival Extraschicht in diesem Juni ein Magnet für Besucherinnen und Besucher. Auch große Veranstalter schätzen offenbar die Kulisse des Luftschiffs.
>>> Luftschiff und Zeppelin
Es war Ferdinand Graf von Zeppelin, der 1908 die Luftschiffbau Zeppelin GmbH gründete. 1898 hatte bereits der US-Reifenhersteller Goodyear mit der Zeppelin-Produktion begonnen. Sie wurde 2011 beendet. Eigentümer der Fluglinie und der Technikgesellschaft sind heute die Zeppelin-Gruppe (50,3 Prozent), die weltweit Baumaschinen vertreibt sowie der Autozulieferer ZF Friedrichshafen (49,7 Prozent).
Der Mülheimer Luftfahrtpionier Theodor Wüllenkemper hatte 1972 das erste Luftschiff als Werbeträger an den Himmel gebracht. Das Prallluftschiff verfügt im Gegensatz zum Zeppelin über kein stabilisierendes Innengerüst. Zeppeline sind deshalb größer und können mehr Passagiere transportieren. Beide Luftfahrzeuge werden mit schwer entflammbarem Helium gefüllt.
Der künftig in Essen/Mülheim operierende Zeppelin wird in einer Höhe von 300 Metern fliegen und dabei nach Herstellerangaben 62 dB(A) Geräusche produzieren. Das entspricht einem Fernseher in Zimmerlautstärke