Hagen/Berlin. Die Ampel will Bäckereien mit 100 Mio. Euro fördern, wenn sie statt fossiler Brennstoffe Strom für Öfen verwenden. Wie das der Branche schmeckt.

Schafft es das Bäckerhandwerk, in Zukunft noch bezahlbare Brötchen und Brote zu backen? Seit Monaten spitzt sich die Situation für das Bäckerhandwerk weiter zu. Knapp 10.000 Betriebe gab es 2021 bundesweit noch. Wie viele es heute sind, weiß nicht einmal die Branche selbst. Und wie diejenigen, die übrig bleiben, die Energiepreisexplosionen abfedern sollen, ist trotz Gas- und Strompreisbremse ebenso offen. „Die Bäcker werden reagieren müssen“, sagt Susan Hasse, Sprecherin des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Das Handwerk könnte im Wettbewerb mit der Backindustrie – deren Waren Hasse „Käfigbrötchen“ nennt und die beim Discounter ausliegen – wegen weiter notwendiger Preiserhöhungen bei inflationsgebeutelten Kunden erheblich an Boden verlieren.

Wahlfreiheit bei der Preisbremse

Kurzfristig sollen Gas- und Strompreisbremsen helfen, mittel- und und langfristig der Abschied vom Einsatz fossiler Brennstoffe in den Backstuben. Nach Angaben des Bundesverbands werden rund 70 Prozent der Öfen in Handwerksbetrieben mit Gas befeuert.

Damit sich dies bald ändert, will die Ampelkoalition in Berlin zusätzlich noch einmal einhundert Millionen Euro Fördergelder im Haushalt 2023 verankern. „Neben der Gas- und Strompreisbremse, die wir gerade final beraten, ist es ein wichtiges Signal der Ampel-Koalition, dass wir kleine Unternehmen, insbesondere Bäckereien, bei einer geplanten Umstellung der Energieversorgung zusätzlich unterstützen“, befindet der südwestfälische SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese.

Parallel zur Energie-Expertenkommission und dem Gefeile an den Details zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern tagte der Haushaltsausschuss des Bundestages. SPD, Grüne und FDP brachten einen entsprechenden Antrag zur „Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe“ in die vergangene Sitzung des Gremiums ein, das den 100-Millionen-Euro-Antrag beschlossen hat und an Bundesfinanzminister Christian Lindner weiterleitete. Inhalt: Kurzfristig soll im Finanzministerium eine neue Förderrichtlinie entwickelt werden, die die Umstellung von Produktionsanlagen von Gas oder Öl auf Strom in kleinen und insbesondere in Kleinstunternehmen, etwa im Lebensmittelhandwerk, anreizen soll.

Speziell Branchen wie das Bäckerhandwerk habe man dabei im Blick, erläutert Wiese. Wichtig bei der neuen Förderung: Sie soll bürokratiearm und auf die Bedarfe der Betriebe ausgerichtet sein, für die die aktuellen Förderbedingungen keinen ausreichenden Anreiz böten, in neue Anlagen zu investieren. Förderhöhen und Förderhöchstsätze sollen möglichst genau auf diese Bedarfe angepasst sein. Bis Ende März erwarten die Ideengeber der „100-Millionen-Brötchenförderung“ Ergebnisse vom Bundesfinanzministerium.

Wird diese Förderung für 2023 im Bundeshaushalt verankert, muss dies keine Eintagsfliege sein. Schließlich geht es um Sicherung des Bäckerhandwerks, und damit eines deutschen Kulturguts. Akut helfen dem Handwerk allerdings vor allem schnell preisdämpfende Maßnahmen über die Runden. Sowohl die Gas- als auch die Strompreisbremse sollen zwar erst ab 1. März gelten, aber, wie am Dienstag bekannt wurde, rückwirkend auch im Januar und Februar berechnet werden. Ein positives Signal auch für kleine und mittlerere Betriebe, aber aus Sicht des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks noch lange keine Grund zu jubeln. Dafür sind die Kosten pro Kilowattstunde im Vergleich zum Vorjahr weiter zu hoch. Dass die Branche die gewünschten 5 Cent pro kWh Gas noch bekommt, scheint selbst dem Verband unrealistisch: „Es handelt sich um Steuergelder und irgendwie muss das ja bezahlbar bleiben“, weiß Sprecherin Hasse. Es sollte aber für die Betriebe die Möglichkeit geben, selbst zwischen der Einstufung zu wählen: Als kleines Unternehmen und dann 13 Cent für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Oder als Industriekunden für 7 Cent bei 70 Prozent Entlastung.

Härtefallregelung gegen Pleiten

Wirklich positiv sieht man im Bundesverband, dass sich nach Bayern auch Niedersachsen und vermutlich Nordrhein-Westfalen durchgerungen haben, von der Pleite bedrohte Betriebe kurzfristig über einen Härtefallfonds zu unterstützen und so die Abwärtsspirale bei Bäckereien in Deutschland zu dämpfen. Im Schnitt sank die Zahl Betriebe in den vergangenen Jahren laut Verband um rund zwei Prozent. In diesem Jahr dürfte die Quote in die Höhe geschnellt sein. „Unsere Sorge ist, dass in diesem aktuell wirtschaftsfeindlichen Klima keine jungen, ambitionierten Bäcker mehr den Schritt zur Gründung wagen“, erklärt Hasse. Im vergangenen Jahr standen rund 600 Aufgaben immer hin noch 300 Neugründungen gegenüber.