Sundern. Die Sauerländer Brot-Sommelière Elisabeth Vielhaber ist überzeugt, dass das Brötchen kein Luxus wird.
Die Preisspirale dreht sich seit Monaten unaufhörlich und mit hohem Tempo. Weil vieles mit vielem zusammenhängt, wird auch vieles teurer. Das gilt auch für Backwaren wie das tägliche Brot. „Es ist der Moment der Handwerksbrote“, sagt Elisabeth Vielhaber.
Wie die frischgebackene Brot-Sommelière das genau meint? „Wir möchten weiter der Bäcker für jeden sein und entwickeln Backwaren für ein kleines Budget.“ Wer Handwerk gut beherrscht, hat offenbar gute Möglichkeiten.
Unterschätztes Produkt
Die 30-jährige Vielhaber, Juniorchefin der gleichnamigen Mühlenbäckerei aus Sundern im Sauerland, ist Bäcker- und Mühlenmeisterin, studierte Betriebswirtin und seit dem Frühjahr auch zertifizierte Brot-Botschafterin.
Rund 190 solcher Sommelièrs, ausgebildet an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim, gibt es bislang. Die meisten kommen aus Deutschland, ein paar aus Österreich, der Schweiz und Belgien. Es ist eine aufwendige, rund ein Jahr dauernde Ausbildung, zu der nur Experten zugelassen sind, etwa Bäckermeister. „Die Theorie war anspruchsvoller, als wir alle dachten“, bemerkt Vielhaber. Abgesehen von der angeblich mehr als 22.000 Jahre alten Geschichte des Brotes (Fladen auf heißem Stein), lehrt die Akademie Sensorik, welches Brot zu welchem Wein oder – im Sauerland noch wichtiger – zu welchem Bier passt, was Kunde und Kundin mit Brot alles anstellen können. Feine Rezepte.
Vor allem aber bekommen die Experten mit auf den Weg, als Botschafter für dieses Ur-Lebensmittel überzeugend zu sein – und das geht wohl nur, wenn die Protagonisten selbst vom Produkt zutiefst überzeugt sind. Wie Elisabeth Vielhaber: „Das Handwerksbrot wird absolut unterschätzt.“
Es kann vegan oder vegetarisch sein, es ist abwechslungsreich, benötigt wenig bis keine Verpackung und ist im Gegensatz zum Industriebrot regional. „Es ist alles, was wir gerade brauchen“, findet die junge Sommelière. Jeden Tag frisch, jeden Tag vor Ort, kein Wegwerfartikel. „Im Prinzip muss man kein Brot wegschmeißen. Welches andere Lebensmittel kann das, und dann zu diesem Preis?“, fragt Vielhaber.
Kein Wegwerfartikel
Es ist schon etwas dran, vermutlich sogar eine Menge. In Zeiten rasender Inflation geht es aber auch darum, dass Grundnahrungsmittel, und zu denen darf man Brot getrost zählen, bezahlbar bleiben. Backwaren für das kleine Budget also. „Wir schauen, wo es bei der Produktion in der Backstube ein Handgriff weniger sein kann“, sagt Vielhaber. Ein Mischbrot ohne eingeschnittene Kruste, der gleiche hochwertige Teig, nur ohne Körner. „Man wird kreativer, je mehr man unter Druck ist“, sagt die Brot-Expertin, für die so manche Preissteigerung auch ein Buch mit sieben Siegeln ist. Wenn plötzlich ohne ersichtlichen Grund die Hefe teuerer wird beispielsweise. Bei vielen Rohstoffen hilft die Regionalität. Vielhabers über 200 Jahre alte Mühle mahlt vor allem Roggen. Das Korn kommt aus der Umgebung, aus Werl, Werdohl, Iserlohn, Balve und der Soester Börde.
Nebenbei: Roggen hat gegenüber Weizen einige Vorteile. Tiefere Wurzeln, was bei trockenen Sommern hilft. Roggen muss weniger gedüngt werden als Weizen, dem ohne ausreichend Dünger Proteine und damit die Eignung als Brotweizen fehlen. „Roggen ist ein besserer Ersatz für Weizen als Dinkel“, botschaftet Elisabeth Vielhaber, dieses Mal vielleicht auch ein bisschen in eigener Sache. Jedenfalls bleiben die mit den regionalen Landwirten für die Roggenmengen vereinbarten Preise einigermaßen unberührt vom Getreideweltmarkt, was beim Thema Preisstabilität gerade hilft.
Im Unternehmen mit rund 30 Filialen vom Sauerland bis Dortmund wird auf Effizienz geschaut. Am Stammsitz in Sundern sind Wärmerückgewinnung, eine neue Kälteanlage bis hin zu Sonnenstrom vom Dach die Zukunftsthemen, damit Brot und Brötchen nicht zum Luxusgut werden. „Es gab einmal Zeiten, da kosteten die Bildzeitung, eine Kugel Eis und ein Brötchen gleich viel. Das Brötchen hat sich im Preisvergleich gut gehalten, finde ich. Wenn ein Brötchen also als Luxus bezeichnet wird, was ist dann erst mit Eis?“, fragt die Sommelière.