Hagen/Berlin. Unter Hochdruck hat die Regierung die Eckpunkte für Gas- und Strombremse festgelegt. Wer wann entlastet wird und warum die Branche skeptisch ist.
Die Bundesregierung hat unter Hochdruck die Eckpunkte für die Gas- und Strompreisbremsen formuliert, um sie auf den parlamentarischen Weg zu geben. Ob sich auf der Strecke erweist, dass sie an der ein oder anderen Stelle mit zu heißer Nadel gestrickt hat, ist nicht auszuschließen. Die Umsetzung der Strompreisbremse für Unternehmen zum 1. Januar 2023 halten die Verbände der Energieversorger, kaum ist das Papier, das dieser Redaktion vorliegt, finalisiert, jedenfalls für nicht machbar.
Versorger fühlen sich überfordert
Für Unternehmen sind Zeitpunkt und Zeitraum der Bemessung ebenso wichtig wie die Bremse bei Gas und Wärme an sich. Anders als von der Expertenkommission vorgeschlagen, soll der Bezugszeitraum für den Energieverbrauch nicht 2021, sondern November 2021 bis Oktober 2022 sein. Dies käme Betrieben entgegen, die im vergangenen Jahr wegen durch die Überflutungen im Raum Hagen und dem Märkischen Kreis lange nicht produzieren konnten wie etwa Hagener Feinstahl. „Wir haben 2021 sicher 30, 40 Prozent weniger Energie als normal verbraucht. Noch besser wäre es für viele Betriebe sicher, einen längeren Vergleichszeitraum zu nehmen, etwa den Durchschnitt über mehrere Jahre“, sagt Ingo Bender, Geschäftsführer des Stahl verarbeitenden Unternehmens, das als energieintensiver Betrieb gilt und sogenannter RLM-Kunde mit mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Jahresverbrauch ist.
Wichtige Eckpunkte
Privathaushalte und kleinere Firmen erhalten eine einmalige Soforthilfe für Gas und Wärme. Sie müssen keinen Dezemberabschlag zahlen.
Die staatliche Erstattung für rund 1500 Versorger läuft über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ab Dezember.
Diese Kunden erhalten ab 1. März 2023 bis 30. April 2024 einen garantierten Gasbruttopreis von 12 Cent/kWh für 80 Prozent der voraussichtlichen Jahresverbrauchsmenge; Fernwärmepreis: 9,5 Cent/kWh. Eine rückwirkende Entlastung zum 1. Februar wird angestrebt. Ab 75.000 Euro Haushaltseinkommen wird die Bremse als geldwerter Vorteil besteuert.
Großkunden (RLM-Kunden) mit mehr 1,5 GWh/a erhalten vom 1. Januar 2023 bis 30. April 2024 einen netto Fixgaspreis von 7 Cent/kWh für 70 Prozent des Jahresdurchschnittsverbrauchs. Betroffen. ca. 25.000 Unternehmen und 1900 Krankenhäuser und alle staatlich anerkannten gemeinnützigen Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen.
Die Strompreisbremse soll für alle ab dem 1. Januar 2023 bis zum 30. April 2024 gelten. Für Private etc. bei 40 Cent/kWh für 80 Prozent des historischen Verbrauchs.
Bei RLM-Kunden: netto 13 Cent/kWh für 70 Prozent des hist. Verbrauchs.
Angestrebt: Eine Härtefallregelung, ggf. auch für Öl und Pelletnutzer.
Für Betriebe wie Versorger dürfte es Benders Ansicht nach kaum ein Problem sein, solche repräsentativeren Zeiträume abzufragen. „Ein Knopfdruck ist das“, sagt der Hagener Unternehmer. Immerhin ist die jetzt auf den Weg gebrachte Regelung besser als die der Kommission, auch wenn viele Betriebe im November vergangenen Jahres längst noch nicht wieder annähernd normal produzieren konnten. Ebenso wichtig wie eine Preisdämpfung sei nun, verlässlich Preise kalkulieren zu können, um nicht weiter Kunden in aller Welt zu verlieren.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese zuversichtlich
„Ich bin optimistisch, dass die Gas- und Strompreisbremse für RLM-Kunden zum 1. Januar umsetzbar ist und wir das parlamentarische Verfahren zügig abschließen. Wenn dies wider Erwarten nicht klappt, sollten beide rückwirkend ab Jahresbeginn gelten, damit die Unternehmen möglichst früh Planungssicherheit bekommen“, rät der Südwestfälische SPD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionschef, Dirk Wiese, zu größtmöglichem Pragmatismus.
Branchenverbände: Strompreisbremse zum 1. Januar nicht möglich
Allerdings gaben sich Praktiker der Energiebranche erschrocken: „Die Strompreisbremse, die genauso komplex wie die Gas- und Wärmepreisbremse ist, bereits zum 1. Januar 2023 also zwei Monate früher beginnen zu lassen, geht nicht“, sagt Ingbert Liebing, Geschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, dem zahlreiche Stadtwerke angehören. Als „zeitlich völlig unrealistisch“, bezeichnet Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft die „Stromvorlage“.