Essen.

Wachsende Krankenstände von Beschäftigten sorgen jährlich für Ausfälle in dreistelliger Milliardenhöhe. Das Essener Start-up Spexa hat einen Index entwickelt, der nach eigenen Angaben erstmals ein Gesamtbild des physischen, psychischen und sozialen Gesundheitszustandes eines Unternehmens und seiner Mitarbeitenden ermittelt und daraus Handlungsempfehlungen ableitet. Einer der beiden Gründer ist ein bekannter Unternehmer.

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Die Lage wird immer angespannter: Im ersten Halbjahr 2022 waren Beschäftigte so lange krankgeschrieben wie noch nie im selben Zeitraum. Diesen Befund hat die größte deutsche Krankenkasse, die Techniker, aus Daten von 5,5 Millionen Erwerbstätigen abgeleitet. Danach fehlten Angestellte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres durchschnittlich 9,1 Tage am Arbeitsplatz. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2021 waren es 6,8 Tage und im ersten Corona-Halbjahr 2020 beliefen sich die Fehltage im Schnitt auf 7,9 Fehltage.

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Die hohen Krankenstände führen die beiden Gründer von Spexa auch auf unzureichende Vorsorge zurück. „Wir wollen Unternehmen anhalten, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen. Sie müssen für ihre Mitarbeitenden gesundheitliche Fürsorge betreiben. Leider fehlt in den meisten Betrieben dafür das Verständnis“, sagt Wolfgang Köning. Hinzu kommt, dass es bislang offenbar keinerlei Messinstrumente gibt, die Auskunft darüber geben, ob etwa von der Firma angebotene Sport- oder Yogakurse tatsächlich zum Stressabbau beitragen.

Erhebungen gibt es nur über die Fehlzeiten

„Weltweit gibt es für Unternehmen keine Normen oder Verfahren, wie sie den Erfolg von betrieblicher Gesundheitsvorsorge messen können. Erhebungen gibt es nur über die Fehlzeiten“, meint Spexa-Mitgründer Marc Sommer. In Deutschland gebe es allein die psychische Gefährdungsbeobachtung im Betrieb, die seit dem Jahr 2013 verpflichtend ist.

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Der Mülheimer, inzwischen 60 Jahre alt, hat im Laufe seines Berufslebens an unterschiedlichen Stationen Erfahrungen gesammelt: Sommer ist ausgebildeter Dirigent, arbeitete für den Medienkonzern Bertelsmann und leitete über Jahre den Bertelsmann Buchclub. Bis Juni 2009 gehörte Sommer dem Vorstand des damaligen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor an. 2012 wurde der Manager geschäftsführender Gesellschafter der nachhaltigen Modekette Hessnatur. Dort stieg er im vergangenen Jahr aus.

Spexa entwickelt den BHI-Index

Um überhaupt eine Datengrundlage zu schaffen, hat das Spexa-Team den sogenannten Business Health Index (BHI) entwickelt und in den zurückliegenden eineinhalb Jahren mit zwölf Unternehmen getestet. Beschäftigte von Firmen, die an dem Programm teilnehmen, erhalten einen Link und beantworten anonym Fragen rund um die physische, psychische und soziale Gesundheit im Betrieb.

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Die Spexa-Software wertet die Antworten vollautomatisiert aus und schickt dem Unternehmen eine 70-seitige Zusammenfassung – Handlungsempfehlungen inklusive. Nach der Auswertung der Datensätze aus den ersten Betrieben erkennt Wolfgang Köning eine erste Tendenz: „Unser Eindruck aus der Testphase ist, dass es in den Unternehmen mehr psychische als physische Probleme gibt.“

Große volkswirtschaftliche Schäden

Die Schlussfolgerung deckt sich mit den regelmäßigen Berichten der Krankenkassen, die seit längerem eine Zunahme von psychischen Störungen wie Burnout und Erschöpfung beobachten. „Wir haben uns gefragt, warum da nicht mehr passiert. Die Unternehmen wissen doch gar nicht, wo sie ansetzen sollen“, sagt Spexa-Mitgründer Sommer und verweist auf die gigantischen volkswirtschaftlichen Schäden, die das Statistische Bundesamt regelmäßig erhebt.

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„Betriebe in Deutschland geben jährlich zwei Milliarden Euro für Prävention aus. Das sind grob 0,1 Prozent der Personalkosten. Ein Prozent in gesunde Arbeit zu investieren, wäre die bessere Größe eine gute Richtgröße“, argumentiert Sommer. Weniger Fehlzeiten erhöhten die Produktivität. „Wir müssen davon ausgehen, dass es oft das Unternehmen selbst ist, das krank macht. Physische, psychische und soziale Themen hängen zusammen“, sagt der Geschäftsführer und beruft sich bei seiner Einschätzung auch auf die ganzheitliche Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO.

>>> RAG-Stiftung gehört zu den Investoren

Neben den beiden Gründern Wolfgang Köning und Marc Sommer stehen eine Reihe von Investoren hinter der Spexa GmbH: unter anderem die hinter dem Startup-Accelerator Bryck stehende RAG-Stiftung, der Sector-Seven-Eigner Rainer Bormann aus Berlin, der Klinikchef Tony Walkow und Axel Heinemann von der Boston Consulting Group.

Zum Spexa-Team gehören fünf festangestellte Mitarbeitende und eine Reihe freiberuflicher Software-Entwickler. Der Vertrieb des BHI-Index erfolgt über Partner, die gerade geschult werden.