Essen. Die Initiative Joblinge Ruhr hat in zehn Jahren 2000 junge Arbeitslose betreut. Patrick Handima erzählt, wie er so zu seinem „Traumberuf“ kam.

Als Patrick Handima aus seiner Heimat Sambia nach Deutschland kam, schrieb er viele Bewerbungen und fand dennoch nicht den richtigen Ausbildungsplatz. Erst über das Programm „Joblinge Ruhr“ funkte es dann. „Kfz-Mechatroniker ist mein Traumberuf“, sagt der 27-Jährige.

Geschichten mit gutem Ausgang wie die von Patrick Handima kann Geschäftsführer Raphael Karrasch gleich 2000fach erzählen. Denn ungefähr so viele junge Leute hat Joblinge Ruhr seit der Gründung im Oktober 2012 bereits betreut und mit Spenden in Höhe von mehr als vier Millionen Euro in Ausbildung oder Arbeit gebracht. „Joblinge ist vor zehn Jahren als soziales Projekt gegen Jugendarbeitslosigkeit gestartet. Inzwischen ist es eine Wirtschaftsinitiative gegen den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Die Unternehmen rufen bei uns an und fragen: Habt Ihr nicht noch jemand“, sagt Karrasch.

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Es waren die RAG-Stiftung und die Unternehmensgruppe Kötter, die gemeinsam mit der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle, Boston Consulting und Trimet Aluminium seinerzeit die gemeinnützige Joblinge AG Ruhr gründeten. Das Ziel: Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die langzeitarbeitslos sind, zu qualifizieren und in Ausbildung zu bringen. Inzwischen sind die Joblinge Ruhr mit Standorten in Essen, Gelsenkirchen und Recklinghausen vertreten.

Sechsmonatiges Qualifizierungsprogramm

Wie die Initiative wirkt, erzählt Patrick Handima. In Sambia lernte er seine spätere Frau kennen, die sich in seiner Heimat während eines Schüleraustauschs aufhielt. 2017 heiratete das Paar, und Handima zog zu seiner Frau nach Gladbeck. Erfolg bei Bewerbungen stellte sich erst ein, als das Jobcenter ihn auf Joblinge aufmerksam machte. Der Mann nahm am sechsmonatigen Qualifizierungsprogramm mit Bewerbungstraining, Theatergruppe, Computer-Schulungen und Deutschkursen teil. 2020 dann machte Handima ein Praktikum in der Kfz-Werkstatt des Essener Sicherheitsunternehmens Kötter. „Das war so super. Mir wurde ein regulärer Ausbildungsplatz angeboten“, sagt der heute 27-Jährige. Dabei kam ihm zugute, dass er schon Berufserfahrung hatte. „In meiner Heimat im Süden von Sambia habe ich oft in der Autowerkstatt des Vaters eines Freundes geholfen.“

Rapahel Karrasch ist Geschäftsführer der Joblinge Ruhr.
Rapahel Karrasch ist Geschäftsführer der Joblinge Ruhr. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

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Gut zwei der dreieinhalb Ausbildungsjahre hat der angehende Kfz-Mechatroniker bereits absolviert. „Ich habe selten so einen freundlichen und engagierten Azubi gesehen. Er ist immer mit viel Einsatz und Spaß bei der Arbeit“, schwärmt Kathrin Kerkmann, Leiterin der Personalentwicklung bei Kötter. Die Werkstatt in Essen wartet die Firmenfahrzeuge der Standorte im Ruhrgebiet, ist aber auch für externe Kunden geöffnet.

Das Unternehmen hat eine besondere Beziehung zu Joblinge. Mitinhaber Friedrich P. Kötter ist Aufsichtsratsvorsitzender. Seine Unternehmensgruppe beschäftigt nach eigenen Angaben aktuell elf Joblinge, seit der Gründung sind es rund 50.

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„Die Unternehmen werden bei den Einstellungskriterien offener, weil es deutlich weniger Bewerbungen gibt. Jetzt haben auch Jugendliche eine Chance, die allein vom Zeugnis nicht eingestellt worden wären“, sagt Geschäftsführer Karrasch im Hinblick auf den sich weiter verschärfenden Arbeitskräftemangel und fordert auf Seiten der Arbeitsverwaltung mehr Effizienz. „Im Schnitt sind Teilnehmende 21 Jahre alt, wenn sie zu uns kommen. Dann haben sie bereits zwei oder drei Bildungsmaßnahmen hinter sich, aber immer noch keinen Ausbildungsplatz“, so Karrasch. Joblinge dagegen vermittele junge Erwachsene in der Regel innerhalb von fünf Monaten in Ausbildung oder Arbeit. Der Geschäftsführer: „So erzielen wir maximale Wirkung in kürzester Zeit.“

Karrasch: Zu wenig Individualisierung bei Agentur für Arbeit

Und das bei einer Abbrecherquote, die bei Joblinge nur 13 Prozent betrage, bei Maßnahmen der Agentur für Arbeit oder der Jobcenter dagegen „zum Teil 40 bis 50 Prozent“. Karrasch betont, die Kooperation mit der Arbeitsverwaltung sei gut, kritisiert aber: „Bei den Angeboten der Agentur für Arbeit und der Jobcenter findet zu wenig Individualisierung statt. Es fehlen die Flexibilität und die Anpassung an lokale Gegebenheiten. Sie haben leider verpasst, offen für kreative Projekte zu werden. Das ist auch ein politisches Thema.“

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Zum Konzept von Joblinge gehöre es deshalb auch, Nischenberufe vorzustellen, „die viele junge Menschen gar nicht kennen. Insgesamt haben wir in über 160 verschiedene Berufe vermittelt“, zieht der Geschäftsführer eine Bilanz nach zehn Jahren. Ab Herbst will Joblinge verstärkt berufliche Chancen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Energiekrise aufzeigen.

>>> Die Unterstützer von Joblinge Ruhr

Die bundesweite Initiative Joblinge wurde 2008 von Boston Consulting und der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG angestoßen. 2012 ging die Joblinge Ruhr gGmbH an den Start.

„Fachkräfte fallen nicht einfach so vom Himmel. Genau deshalb dürfen wir kein Talent ungenutzt lassen. Joblinge setzt genau hier an und bietet vielen jungen Talenten die so wichtige zweite Chance“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstand der RAG-Stiftung und stellv. Vorsitzende des Aufsichtsrats von Joblinge Ruhr.

„Politik und öffentliche Hand sollten die nachhaltige Wirkung von Initiativen wie Joblinge noch stärker belohnen“, fordert Aufsichtsratschef Friedrich P. Kötter. Diese Initiativen punkteten gleich doppelt. „Durch ihre Erfolge gegen den Arbeitskräftemangel und als Integrationsmotor zum Beispiel für Geflüchtete.“