Essen. Die Sicherheitsbranche boomt, aber es fehlen Arbeitskräfte. Die Kötter-Gruppe meldet in NRW 400 offene Stellen, die Branche über 11.000.

Friedrich P. Kötter prägte schon früh den Begriff vom Arbeitskräftemangel, der längst kein Fachkräftemangel mehr sei. Als Chef des Essener Sicherheitsdienstleisters Kötter bekommt der Unternehmer die Engpässe besonders hart zu spüren. Die Branche wächst schneller als die zur Verfügung stehenden Beschäftigten. Allein in NRW gibt es bei der Kötter-Gruppe 400 offene Stellen. Für den gesamten Wirtschaftszweig meldet die Bundesagentur für Arbeit rund 11.400 unbesetzte Arbeitsplätze – Tendenz steigend.

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Als Personalchef hat Volker Hofmann im Moment einen besonders harten Job. „Wer die Leute hat, bekommt die Aufträge“, greift der Manager auf einen „holzschnittartigen Leitspruch“, wie er selbst sagt, zurück. Um die Leute zu bekommen, hat die Kötter-Gruppe eine Akademie gegründet, die Hofmann zusätzlich leitet. Bundesweit wurden 13 Rekrutierungszentren aufgebaut. „Es bringt ja nichts, Beschäftigte zum Beispiel für ein Objekt in Ostdeutschland zentral von Essen aus zu suchen“, sagt der Personalchef nüchtern. „Die auftragsgemäße Besetzung der Objekte hat für uns höchste Priorität.“

Mehr Aufträge und ein höheres Sicherheitsbedürfnis

Die Ausschreibungen und Aufträge mehren sich, Baustellen, Bürogebäude oder Werkshallen zu bewachen und Privathäuser zu sichern. Unternehmen vergeben verstärkt Dienstleistungen fremd, staatliche Aufgaben wurden zum Teil privatisiert. „Aber auch das Sicherheitsbedürfnis der Bürger und insbesondere der Unternehmen wächst“, listet Hofmann Gründe für den Boom der Sicherheitsbranche auf und verweist auf Schätzungen, denen zufolge jährlich 200 Milliarden Euro Schaden durch Wirtschaftskriminalität entstehen. Mehr als 200 Millionen Euro allein durch Wohnungseinbrüche.

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Unternehmen wie Kötter müssen die Sicherheit 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr gewährleisten. „Die Arbeitszeiten rund um die Uhr machen die Suche nach neuen Mitarbeitenden natürlich nicht einfacher“, räumt Hofmann ein. Gravierender sei aber „der zunehmend ausgeschöpfte Arbeitsmarkt, dem wir uns als Sicherheitsbranche genauso stellen müssen wie die Wirtschaft insgesamt“, sagt der Personalchef.

400 offene Stellen hat die Essener Kötter-Gruppe allein in NRW. V.l. Objektleiterin Ricarda Backhaus, Personalchef Volker Hofmann und Kathrin Kerkmann, Leiterin der Personalentwicklung.
400 offene Stellen hat die Essener Kötter-Gruppe allein in NRW. V.l. Objektleiterin Ricarda Backhaus, Personalchef Volker Hofmann und Kathrin Kerkmann, Leiterin der Personalentwicklung. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Dabei hat die Branche schon vor 20 Jahren vorgebaut und den neuen Ausbildungsberuf Fachkraft für Schutz und Sicherheit ins Leben gerufen. Dass dieser Job durchaus Chancen auf Karriere ermöglicht, zeigt die Geschichte von Ricarda Backhaus. Nach dreijähriger Ausbildung und zwei Jahren im Beruf ist die Dinslakenerin gleich zur Objektleiterin aufgestiegen und führt ein rund 20-köpfiges Team mit Kötter-Mitarbeitenden, die in der Duisburger Niederlassung für den Antriebshersteller Flender im Einsatz sind.

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„Ich wollte beruflich etwas Umfassendes machen. Einerseits klassische Tätigkeiten wie Streife, Empfang oder Brandschutz, andererseits Zusatzaufgaben wie Angebotserstellung, Einsatzplanung und Kundenbetreuung – der Beruf der Fachkraft für Schutz und Sicherheit bietet diese Vielfalt“, sagt die 25-Jährige. „Es ist immer etwas los. Das gefällt mir.“

Ricarda Backhaus: Nach zwei Jahren schon Objektleiterin

Als Chefin entfallen für Backhaus die nächtlichen Kontrollgänge durch die Produktionshallen. Ausgemacht haben ihr diese Tätigkeiten aber nichts. „Angst hatte ich dabei nicht. Per Smartphone können wir jederzeit einen Notruf bei unserer Leitstelle absetzen. Die Totmann-Schaltung gibt uns zusätzliche Sicherheit. Sie löst Alarm aus, wenn wir uns eine bestimmte Zeit lang nicht melden“, erzählt sie. Da mache es für sie auch keinen Unterschied, welches Geschlecht die Mitarbeitenden in der Branche haben. „Auch Polizistinnen gehen schließlich Streife oder machen Nachtdienste. Sicherheit ist somit längst keine reine Männerdomäne mehr. Trotzdem ist die Mehrzahl in meinem Team männlich“, sagt Backhaus.

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Und auch der Arbeit an Wochenenden und Feiertagen ringt die Objektleiterin positive Seiten ab. „Als Ausgleich haben Sicherheitsbeschäftigte dann unter der Woche freie Tage. Als ich mich für den Beruf entschieden habe, wusste ich, was auf mich zukommt.“

Rund um die Uhr im Einsatz

Diese Einstellung teilt auch Kathrin Kerkmann, die bei Kötter die Personalentwicklung leitet. „Die allermeisten Bewerberinnen und Bewerber wissen, auf was sie sich in der Sicherheitsbranche einlassen, wie etwa Einsätze auch in der Nacht oder an Wochenenden“, sagt sie. „Die damit verbundenen tariflichen Zuschläge sind für sie reizvoll und für uns bei der Rekrutierung damit von Vorteil.“ Auch für weibliche Sicherheitskräfte, so Kerkmann, sei es längst keine Besonderheit mehr, dass sie nachts Kontrollgänge laufen und dabei gelegentlich allein unterwegs sind.

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Bei der Nachwuchssuche spürt auch das Essener Familienunternehmen, dass sich Bewerberinnen und Bewerber inzwischen die Stellen zum Teil aussuchen können. „Arbeitszeiten freitags nur bis 14 Uhr können wir in der Sicherheitswirtschaft nicht bieten. Da müssen wir ehrlich sein“, räumt Kerkmann ein. Das gilt auch für das mobile Arbeiten. Von den insgesamt 16.500 Kötter-Beschäftigten können davon in der Regel nur die aus der Verwaltung Gebrauch machen.