Bochum. Wegen der rasant steigenden Preise bremsen Vonovia und andere Wohnungsunternehmen beim Neubau. Inflation lässt auch die Mieten steigen.
Wegen steigender Zinsen und wachsender Inflation bremst Vonovia bei Investitionen und legt mögliche Wohnungszukäufe auf Eis. Um die galoppierenden Baukosten zu kompensieren, plant Konzernchef Rolf Buch, den größten Teil seiner Neubauten gleich wieder zu verkaufen.
„Wir halten uns mit Investitionen zurück. Neubau lohnt sich aktuell nicht“, sagte Buch am frühen Donnerstagmorgen vor Journalisten. So will der Bochumer Dax-Konzern nunmehr im laufenden Jahr nur noch 300 bis 400 Millionen Euro in Neubau-Wohnungen für den eigenen Bestand stecken. Weitere Projekte im Wert von 900 Millionen Euro will Vonovia veräußern. „Die Renditen liegen aktuell unter den Kapitalkosten“, sagte Buch im Hinblick auf die nach seinen Angaben um 15 Prozent gestiegenen Baukosten.
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Der Krieg in der Ukraine treibe die Inflation an und verschärfe die Materialnot auf den Baustellen. „Der Kapitalmarkt reagiert auf die Lage in Europa, steigende Zinsen trüben das Investitionsumfeld. Das können wir nicht einfach ignorieren“, sagt Buch und skizziert weitere Folgen für Vonovia: „Wir nehmen keine neue Schulden mehr auf.“ Damit sei auch erst einmal der Expansionskurs auf mehr als 570.000 Wohnungen der vergangenen Jahre beendet.
Vonovia stoppt vorerst weitere Zukäufe
Die Bochumer wollen vorerst nur noch organisch, also aus eigener Kraft und ohne Übernahmen, wachsen. Im vergangenen Jahr hatte Vonovia den Berliner Rivalen Deutsche Wohnen geschluckt und sich den Aktientausch rund 17 Milliarden Euro kosten lasten. Entsprechend stark stieg die Verschuldung des Bochumer Unternehmens.
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Als deutscher Marktführer ist Vonovia nicht der erste Großvermieter, der auf die wirtschaftlichen Konsequenzen des Ukraine-Kriegs mit einem Kurswechsel reagiert. Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, dass die Mehrheit der genossenschaftlichen und kommunalen Firmen neue Bauprojekte auf Eis legen wolle. Betroffen seien rund 3500 Wohnungen ab 2023. Auch bei der energetischen Sanierung will man in Bayern auf die Bremse treten.
„Kleinere Genossenschaften gehen in die Knie“
Auswirkungen werden aber auch in NRW erwartet. „Die jüngsten Kostensteigerungen zwingen vor allem kleinere Wohnungsbaugenossenschaften in Nordrhein-Westfalen in die Knie“, sagt auf Anfrage Alexander Rychter, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen, und nennt ein Beispiel: Ein Neubauprojekt einer Wohnungsbaugenossenschaft im Rheinland sei gestoppt worden, weil es nicht mehr wirtschaftlich sei. „Selbst unter Inkaufnahme einer deutlichen Mieterhöhung“, wie Rychter betont.
Der Verband, dem 473 sozial orientierte Wohnungsunternehmen in NRW angehören, blickt pessimistisch in die Zukunft: „Setzt sich dieser drastische Preisanstieg weiter fort, werden viele Neubau- und Modernisierungsprojekte ab 2023 gestoppt“, so der Direktor. Laufende Bauvorhaben würden überdies „viel länger als geplant“ dauern. Rychter: „Bezahlbares Bauen und Wohnen in Nordrhein-Westfalen lässt sich vor diesem Hintergrund immer schwerer realisieren.“ Dabei hat sich die Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt, bundesweit jährlich 400.000 Wohnungen neu bauen zu lassen – 100.000 davon öffentlich gefördert.
Aber keine Abstriche bei der Energetischen Sanierung
Das schließt Rolf Buch für sein Unternehmen allerdings kategorisch aus. „Bei der Energetischen Sanierung wird Vonovia trotz steigender Baukosten 0,0 Prozent Abstriche machen. Wir werden weiter auf unserem Klimapfad gehen. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig“, sagte der Vonovia-Chef im Gespräch mit unserer Redaktion.
Buch rechnet rechnet allerdings auch damit, dass die Mieten nicht nur wegen der hohen Nachfrage, sondern zusätzlich wegen der auf über sieben Prozent gekletterten Inflation steigen werden. „Wir haben uns an eine niedrige Inflation gewöhnt. In den 70er Jahren haben wir gesehen, dass mit der Inflation die Mieten im zweistelligen Bereich gestiegen sind. Davon sind wir im Moment zum Glück noch weit entfernt“, meint der Vonovia-Chef. Er erwartet jedoch, dass die Inflation in den Mietspiegeln der Städte, die die Preisentwicklung der zurückliegenden sechs Jahre berücksichtigen, jährlich mit einem Sechstel zu Buche schlagen werde.
Rolf Buch: Inflation treibt die Mieten an
Im ersten Quartal des laufenden Jahres seien die Mieten bei Vonovia „marktbedingt“ um 1,6 Prozent gestiegen. Modernisierungen führten zu einem weiteren Plus von 1,6 Prozent, Investitionen in Neubau und Dachaufstockung von 0,7 Prozent. Im Schnitt zahlen Kundinnen und Kunden von Vonovia aktuell eine Kaltmiete von 7,26 Euro pro Quadratmeter.
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen für seine Branche glaubt Buch nicht an eine Überhitzung des Wohnungsmarkts. „Wir halten die Diskussion um eine Blase für einen netten Aufreger“, schmunzelt der Vonovia-Chef. „In Deutschland sind Wohnungen nie günstiger geworden – solange die Nachfrage hoch war. Es gab nur eine Ausnahme, als nach der Wiedervereinigung die Leerstandsquote in die Höhe ging.“ Vor allem in den Großstädten sei der Wohnungsmarkt „leergefegt“. Das bereite umso mehr Probleme, weil es immer schwieriger werde, geflüchtete ukrainische Familien hierzulande unterzubringen. Vonovia habe trotz der angespannten Lage bereits 420 Wohnungen zur Verfügung gestellt.