Hagen. In der Krise zahlt sich Treue für Kunden bei Energieversorgern gerade aus. Wie Anbieterwechsler mitunter kräftig zur Kasse gebeten werden.
In der Energiepreiskrise sind viele von denen besonders hart betroffen, die in der Vergangenheit am meisten auf den Cent geachtet haben. Wer heute nicht zu den treuen und braven Bestandskunden eines Stadtwerks gehört, dem droht auf der Suche nach einem neuen Strom- oder Gasvertrag mitunter die horrend teure Ersatzversorgung.
Wechselfreudige Verbraucher, die in den vergangenen Jahren aufmerksam die Strom- und Gasmärkte beobachtet und die erwünschte Liberalisierung der Märkte mit Leben gefüllt haben, werden gerade sanktioniert. Strafmaß: doppelt und dreifach hohe Preise für einen Zeitraum von bis zu einem Vierteljahr. „Das wird wahrscheinlich langfristig einen Schaden anrichten“, vermutet Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, die sich immer für Wettbewerb eingesetzt und Verbraucher natürlich ermuntert hat, durch Wechsel des Strom- und/oder Gasanbieters die Haushaltskasse zu entlasten.
Warum sind die Preise für Wechsler derzeit so hoch?
Lange hielten sich viele Strom- und Gaskunden zurück. Manche vielleicht aus Bequemlichkeit, andere möglicherweise aus Unkenntnis gepaart mit der Sorge, ein Anbieter vom anderen Ende der Republik könne nicht so verlässlich Strom und Gas liefern wie das eigene Stadtwerk. In gewisser Weise hat sich diese Befürchtung im vergangenen Jahr bestätigt, als Discountanbieter pleite gingen oder wie stromio, gas.de oder Grünwelt sich auf zweifelhafte Weise aus dem Markt verabschiedeten und tausende Kunden ohne Anbieter zurückließen.
Haben die teuren Preise rechtlich Bestand?
Allerdings gibt es in Deutschland Sicherheit: die Grundversorgung. Strom und Gas fließen in solchen Fällen weiter, werden aber mit dem Grundversorger abgerechnet – oft sind dies die Stadtwerke, denen man einst als zu teuer den Rücken kehrte. Um über Nacht für Hunderte, oder sogar Tausende Kunden zusätzlich Gas und Strom anbieten zu können, mussten die dazu gesetzlich verpflichteten Grundversorger zur Jahreswende zu Tagespreisen extrem teuer nachkaufen. Statt diese Kosten auf alle Bestandskunden umzulegen, richteten viele Anbieter eine Grundversorgung II ein. Die Anbieter gewährleisteten also die Versorgung der „Sparfüchse“, wollten aber verhindern, dass die Mehrkosten auch die treuen Bestandskunden zahlen müssen.
Eine einerseits nachvollziehbare, aber höchst umstrittene Vorgehensweise, die die Verbraucherzentrale NRW auf den Plan rief. Sie ließ Rheinenergie, die Stadtwerke Gütersloh und die Wuppertaler Stadtwerke exemplarisch für diese Ungleichbehandlung abmahnen, die dem Gedanken der Grundversorgung widerspräche. Inzwischen ist diese Vorgehensweise legitimiert. Im Sommer beschloss der Bundestag eine entsprechende Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes, nach der Grund- und Ersatzversorgung nicht mehr gleich bepreist sein müssen. Außerdem sind Discounter nun verpflichtet, mindestens ein Vierteljahr vorher anzukündigen, wenn sie die Belieferung einstellen wollen oder müssen.
Wie ist die Lage bei regionalen Anbietern?
Neue Gas-Kunden nehmen freiwillig momentan nur noch wenige Anbieter. Falls doch, dann zu derart schlechten Konditionen, dass man im Grundversorgungstarif des örtlichen Anbieters deutlich besser aufgehoben ist, wie der Blick in Vergleichsportale im Internet zeigt.
Beim Blick zu örtlichen Versorgern wie Mark-E aus Hagen, Hochsauerlandenergie (Meschede, Bestwig, Olsberg) oder Stadtwerke Menden wird auch klar, dass es nicht mehr allzu viele gibt, die in einem Ersatzversorgungstarif sind. Hochsauerlandenergie meldet Stand Mittwoch dieser Woche 139 Kunden in der Ersatzversorgung Gas bei rund 7200 Gaskunden und 29 Kunden in der Ersatzversorgung Strom bei mehr als 17.000 Kundinnen und Kunden. „Üblicherweise wechseln die Betroffenen deutlich schneller als nach drei Monaten in die Grundversorgung oder zu einem anderen Versorger“, sagt Sprecher Jörg Fröhling.
Der Hagener Versorger Mark-E, bei dem zur Jahreswende von stromio und gas.de über Nacht einige tausend Kunden anlandeten, macht keine konkreten Angaben, weist aber darauf hin, dass grundsätzlich kein Unterschied zwischen Bestandskunden und Neukunden gemacht werde. Wer gerade seine erste Wohnung bezieht oder ins Versorgungsgebiet umzieht, muss nicht den teuren Ersatzversorgungstarif fürchten, sondern kann beim Strom sogar noch auswählen.
Wer in Menden wohnt, hat bei Strom und Gas ohnehin Glück: Die Stadtwerke verzichten völlig auf einen Ersatzversorgungstarif. Die Zahl der Hausanschlüsse, die nicht von den Mendener Stadtwerken versorgt werden, sei so gering, dass dies nicht nötig sei, erklärt Unternehmenssprecher Josef Guthoff. Offenbar hat der Versorger auch in der Vergangenheit überzeugende Angebote gemacht.
Gasumlage mit heißer Nadel gestrickt
Verbraucherschützer Sieverding sieht die Ersatzversorgungstarife mit ähnlichen Argusaugen wie vor einigen Monaten die Grundversorgung II. „Stadtwerke machen es, aber wir halten es rechtlich für nicht zulässig. Alle Kunden haben ein Recht auf Grundversorgung.“ Sieverding geht davon aus, dass das Thema Anbieterwechsel erst einmal passé sein könnte: Erst wenn die Tagespreise an den Spotmärkten wieder deutlich unter das jetzige Niveau sinken, kämen wohl auch Discounter wieder ins Spiel, weil sie dann wahrscheinlich niedrigere Angebote machen können als die guten alten Stadtwerke. Deren Beschaffungsstrategie ist eine Mischung aus langfristig, mittelfristig und kurzfristig eingekauftem Gas und Strom, um Spitzen wie aktuell abfedern zu können. Logischerweise führen die momentan hohen Kosten also auf längere Zeit zu einem höheren Preisniveau, auch wenn die Tagespreise wieder sinken. „Viele Menschen werden erst einmal die Nase voll davon haben, Preise zu vergleichen und den billigsten Anbieter zu suchen“, sagt der Energieexperte und Verbraucherschützer Sieverding. Im Moment ist ohnehin kein billiger Anbieter zu finden.
Energiespartipps der Stadtwerke Menden
Die Mendener Stadtwerke kümmern sich in herausfordernden Zeiten lieber um alle gleich und nehmen das in den Blick, was momentan allen am meisten hilft: „Wir haben eine Energiesparkampagne gestartet und geben Tipps auf unserer Onlineseite.“ Klingt simpel, ist aber so gut gemacht, dass vermutlich jeder und jede durch die Hinweise noch ein paar Kilowattstunden sparen kann. Zu finden unter stadtwerke-menden.de/energiesparen. Sehr pfiffig und risikolos zugleich.