Gelsenkirchen. Erste Tarifrunde der Metallindustrie auf Schalke ergebnislos. Arbeitgeber nennen IG-Metall-Forderung von acht Prozent „aus der Zeit gefallen“.
Die wichtigste Tarifrunde dieses Jahres dürfte eine besonders umkämpfte werden. Nach der Auftaktverhandlung der Arbeitgeber und der IG Metall für die rund 700.000 Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie zeigten sich beide Seiden enttäuscht. In der Gelsenkirchener Fußball-Arena Auf Schalke gingen Arbeitgeber und Gewerkschaft nach zwei Stunden ohne jede Annäherung auseinander.
Das ist in den ersten Runden alles andere als unüblich, allerdings scheinen die Tarifpartner diesmal so weit auseinander zu liegen wie lange nicht mehr. Dafür sorgt die besondere Lage in diesem Kriegsjahr: Wegen der Rekordinflation versuchen die Gewerkschaften auch in anderen Branchen ein möglichst hohes Lohnplus für die Beschäftigten herauszuholen, damit sie nicht zu sehr an Kaufkraft verlieren und ihre Energierechnungen bezahlen können. Unter denen leiden die meisten Betriebe freilich nicht minder, weshalb die Arbeitgeber auf Lohnzurückhaltung drängen.
IG Metall: Die Menschen brauchen mehr Geld
Acht Prozent fordert die IG Metall in Deutschlands größter Industriebranche mit bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten. „Viele Menschen blicken mit großen Ängsten und Sorgen in die Zukunft. Sie fordern soziale Sicherheit – und das heißt jetzt vor allem mehr Geld“, sagte Knut Giesler, NRW-Chef und Verhandlungsführer der IG Metall. Zur Zurückhaltung lässt er sich ungern ermahnen: „Wir haben in der Corona-Krise eine sehr verantwortungsvolle Tarifpolitik betrieben. Diese Verantwortung erwarte ich jetzt auch von den Arbeitgebern.“
Der Gewerkschaft sei bewusst, dass dieser Tarifabschluss die Inflation nicht werde ausgleichen können, das zeige die Forderung. In aller Regel liegt das Ergebnis bei etwa der Hälfte, würde demnach irgendwo bei vier Prozent liegen. Das würde bei einer Inflation um die acht Prozent noch einen Reallohnverlust von vier Prozent bedeuten. Den Konsum noch mehr abzuwürgen, sei „ökonomischer Unsinn“, denn: „Wer sein Geld zusammenhalten muss, damit die Gasrechnung bezahlt werden kann, kauft keine Waschmaschinen oder Autos.“
Arbeitgeber sehen „existenzielle Bedrohung“
Arndt Kirchhoff, Präsident und Verhandlungsführer der Arbeitgeber, betonte, die Industrie befinde sich in einer dramatischen Energiekrise. Zudem fürchteten die Unternehmen auch um die Versorgungssicherheit mit Strom und Gas. Diese Tarifrunde habe ein noch schwierigeres Umfeld als die vergangene mit der Corona-Pandemie. „Beides ist für unseren Industriestandort und damit auch für die Arbeitsplätze eine existenzielle Bedrohung“, sagte Kirchhof, „vor diesem Hintergrund wirkt die Acht-Prozent-Forderung der IG Metall wie aus der Zeit gefallen.“
Auch interessant
Die Lage sei für die Branche „so ernst wie selten zuvor“, betonte der Arbeitgeberpräsident und Unternehmer. Er verstehe die Sorgen der Beschäftigten, erwarte aber, dass die IG Metall auch die Ausnahmesituation in den Betrieben zur Kenntnis nehme, sagte Kirchhoff.
Inflationsprämie könnte Teil der Lösung sein
Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 30. September in Neuss terminiert. Ein Mittel, sich entgegenzukommen, könnte die von der Bundesregierung vorgeschlagene Inflationsprämie von bis zu 3000 Euro sein, auf die der Staat keine Steuern und Abgaben erheben will. Im Vorfeld dieser Tarifrunde hatten beide Seiten signalisiert, dass dies ein Teil der Lösung werden könnte. IG Metall und Arbeitgeberlager sind sich auch einig darin, dass die Regierung den Menschen in dieser Krise mehr helfen muss, was die Ampel mit ihrem dritten Entlastungspaket versucht.