Essen. Exklusiv-Umfrage: RWE zahlt schon mehr, Vonovia zeigt sich offen für Inflationsprämie. Das sagen Konzerne, Gewerkschaften und Sozialverbände.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lädt die Unternehmen zum „Unterhaken“ ein und empfiehlt ihnen, einen Inflationsbonus an ihre Beschäftigten zu zahlen. Sonderzahlungen bis 3000 Euro könnten von Steuern und Abgaben befreit werden. Wer womöglich wie viel zahlt, fragen sich nun viele Beschäftigte, auf die Antwort werden sie noch mindestens so lange warten müssen, wie die Ampel für die Umsetzung ihrer Idee braucht. Große Unternehmen im Ruhrgebiet und in NRW zeigten sich in einer Umfrage dieser Zeitung aber bereits offen dafür.

„Wir haben die im Entlastungspaket der Bundesregierung geschaffene Option einer steuer- und abgabenfreien Sonderzahlungen an Mitarbeitende von bis zu 3000 Euro mit Interesse zur Kenntnis genommen und sehen darin durchaus eine sinnvolle und interessante Handlungsoption“, erklärte der Essener Stromriese RWE. Dies, obwohl RWE bereits zusätzliches Geld ausschüttet: Um seine Mitarbeitenden bei steigenden Inflationsraten zu entlasten und zugleich deren gute Arbeit zu würdigen, hat der Dax-Konzern „rückwirkend zum 1. September 2022 weltweit die Gehälter aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 2,5 Prozent erhöht“, ließ RWE wissen.

RWE zahlt 2,5 Prozent mehr und nennt Inflationsprämie „sinnvolle Option“

Eine etwaige Sonderzahlung käme noch oben drauf. Deutschlands größter Stromerzeuger profitiert derzeit vor allem mit seinen Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen von den enorm gestiegenen Strompreisen, wird daher auch in Berlin meist an erster Stelle genannt, wenn es um die geplante Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ bei den Energiekonzernen geht.

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Der Essener Dax-Nachbar Eon, der als reiner Strom- und Gashändler in dieser Krise eher weniger verdient, bleibt erst einmal zurückhaltend: „Solange Umsetzung und Ausgestaltung der Ankündigung seitens des Gesetzgebers ausstehen, ist es für konkrete Aussagen noch zu früh“, erklärte der größte Endkundenversorger Deutschlands.

Der Chemiekonzern Evonik braucht ebenfalls zuerst Klarheit über die konkreten Bedingungen, er betont zugleich: „Ein derartiges Instrument wurde von Unternehmen, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gleichermaßen in die Diskussion eingebracht.“

Vonovia will zeitnah über Unterstützung entscheiden

Der Bochumer Wohnungsriese Vonovia erklärte: „Wir unterstützen den Ansatz der Bundesregierung, in Zeiten von steigender Inflation und erheblichen Anstiegen der Energiepreise Mitarbeitende und ihre Familien finanziell zu stärken.“ In welcher Form Vonovia dies tue, werde man „zeitnah entscheiden, sobald die Bedingungen klar sind“, versprach der Dax-Konzern.

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Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer äußerte sich etwas zurückhaltender und erklärte, noch nicht entschieden zu haben, ob er von der steuerfreien Sonderzahlung als Teuerungsausgleich Gebrauch machen werde. Die Leverkusener ließen aber Offenheit dafür zumindest durchblicken: „Wir beobachten die Entwicklung der Inflation sehr genau und werden vor dem Hintergrund unserer Wettbewerbsfähigkeit entsprechende Entscheidungen treffen.“

Scholz sieht Inflationsprämie als Tarifinstrument

Die Bundesregierung richtet ihren Vorschlag vor allem an die Tarifpartner und sieht ihn als Teil der von Kanzler Scholz ausgerufenen „Konzertierten Aktion“. Die Regierung diskutiere „gemeinsam mit den Sozialpartnern, wie mit den gestiegenen Preisen und den damit einhergehenden realen Einkommensverlusten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgegangen werden kann“, heißt es im Papier des Koalitionsausschusses.

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Das gefällt den Sozialverbänden gar nicht gut. Sie befürchten, dass die Inflationsprämie den Beschäftigten in großen und tarifgebundenen Unternehmen vorbehalten bleiben könnte. Der SoVD etwa spricht von einer „Nebelkerze, die offenbar vor allem zum Ziel hat, den Bundeshaushalt nicht zu stark zu belasten“. Denn die Sonderzahlung werde „von vielen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen nicht genutzt werden können, weil diese in der Krise die Mittel gar nicht zur Verfügung haben“, sagte ein SoVD-Sprecher unserer Zeitung. Stattdessen fordert der SoVD ein steuerfinanziertes Inflationsgeld nur für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen.

Sozialverband: Viele kleine Betriebe werden Prämie nicht zahlen

Bei den Gewerkschaften wurde der Vorschlag dagegen mit viel Wohlwollen aufgenommen. Sie sehen darin keinen Eingriff in die Tarifautonomie, sondern lassen erkennen, dass sie solche steuerfreien Einmalzahlungen durchaus in ihre Tarifrunden integrieren könnten. Die größte steht nun an in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren rund 3,8 Millionen Beschäftigten.

Knut Giesler, Chef der IG Metall in NRW, sagt zur Inflationsprämie: „Die angekündigte Abgabenfreiheit für zusätzlichen Zahlungen von Unternehmen an Beschäftigte von bis zu 3000 Euro kann die Menschen deutlich entlasten.“ Der Verhandlungsführer in NRW betont zugleich, dass es auch dauerhaft wirksame Erhöhungen geben müsse. „Deshalb kann es nur Teil einer Lösung bei Tarifverhandlungen sein“, sagte Giesler mit Blick auf die Inflationsprämie.

Gewerkschaften wollen Sonderzahlung in Tarifrunden integrieren

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis äußerte sich noch positiver und sprach von einem „starken Angebot der Bundesregierung an die Tarifpartner“. Kein Wunder, hatte die IGBCE doch kurz vor dem Koalitionsgipfel ein solches steuer- und abgabenfreies Entlastungsgeld gefordert. Es werde „ein wichtiger Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Bollwerk gegen die Inflation liefern und deshalb – neben tabellenwirksamen Entgelterhöhungen – ein Element der kommenden Tarifrunden der IGBCE sein“.

Die IG BAU warnt dagegen vor einem Flickenteppich bei den Sonderzahlungen, denn „vom Himmel fallen werden die steuerfreien Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro in den allermeisten Unternehmen nicht“, sagte Gewerkschaftsvorsitzender Robert Feiger. Gleichwohl findet er es gut, dass die Regierung die Wirtschaft mit in die Verantwortung hole. „Und hier darf sich jeder Betrieb angesprochen fühlen: Vom Handwerksbetrieb, der – etwa im Baubereich – seit Jahren gute Bilanzen macht, bis zum Großkonzern, der satte Gewinne einfährt.“