Essen. Die NRW-Wirtschaft ist eng mit Russland verbunden. Mit Sorge sehen Unternehmen einen möglichen Angriff der Ukraine und ihm folgende Sanktionen.
„Sorge“ ist das erste Wort, mit denen Unternehmen auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine reagieren. Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ist eng mit der russischen Föderation verbunden. Zuletzt haben NRW-Firmen jährlich Waren im Wert von 3,2 Milliarden Euro nach Russland exportiert. Ein Krieg und ihm folgende Wirtschaftssanktionen hätten massive Folgen.
Der Düsseldorfer Handelskonzern Metro setzt jeden zehnten Euro in Russland um. In den 93 Großmärkten mit ihren 10.000 Beschäftigten erwirtschaftete die Metro zuletzt 2,4 Milliarden Euro. 2,5 Millionen Kunden kaufen bei dem deutschen MDax-Konzern ein. Entsprechend beunruhigt zeigt man sich in der Düsseldorfer Zentrale.
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„Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen im Konflikt um die Ukraine mit Sorge. Wir setzen weiterhin stark auf diplomatische Bemühungen aller Seiten, um eine weitere Eskalation abzuwenden“, sagt Sprecherin Hülya Dagli. Die Metro spielt als Großhändler in Russland eine gewichtige Rolle. Die selbstständigen Unternehmern vor allem aus Gastronomie und Handel, die die Metro beliefert, seien „Treiber des russischen Mittelstands und für eine kulturell vielfältige Gesellschaft wichtig“, betont der Konzern.
Metro mit 13.400 Beschäftigten in Russland und Ukraine
Die Metro ist aber auch im Nachbarland Ukraine tätig, vor dessen östlichen Grenzen 100.000 russische Soldaten aufgezogen sind. In den 26 Metro-Filialen arbeiten aktuell knapp 3400 Menschen – ausschließlich Ukrainer. „Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit unserer Mitarbeiter in den verschiedenen Städten der Ukraine werden entsprechend den Entwicklungen vor Ort, die wir genau verfolgen, vorbereitet und umgesetzt“, betont Dagli.
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Trotz der militärischen Auseinandersetzungen im Donbass habe sich das Geschäft in der Ukraine in den vergangenen 20 Jahren „kontinuierlich positiv entwickelt“. Zuletzt setzte die Metro dort knapp 800 Millionen Euro um. „Eine militärische Eskalation könnte Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in der Ukraine haben, die sich direkt oder indirekt auf das Geschäft und die Infrastruktur von Metro auswirken könnten“, befürchtet der Düsseldorfer Konzern.
Krohne-Gruppe befürchtet Exportbeschränkungen
Ein starkes Standbein in Russland hat auch die mittelständische Krohne-Gruppe aus Duisburg. Der Messtechnik-Hersteller mit seinen weltweit 4000 Beschäftigten unterhält in der Föderation acht Niederlassungen. 155 Mitarbeitende sind dort im Vertrieb und 185 Beschäftigte in der Produktion tätig. Auch in der Ukraine ist Krohne mit einer fünfköpfigen Vertriebsgesellschaft vertreten. Entsprechend ernsthaft beobachten die Duisburger die Ereignisse an der russisch-ukrainischen Grenze.
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„Unsere Besorgnis ist sehr groß, da es neben den humanitären und geopolitischen Auswirkungen mit großer Sicherheit massive Auswirkungen auf die Investitionslage in den verschiedensten Wachstumsbranchen der Russischen Föderation geben wird“, sagt Verkaufsleiter Michael Rösener. Die Messsysteme von Krohne werden insbesondere in der Energiewirtschaft eingesetzt und spielen nach Einschätzung des Managers beim Export eine Schlüsselrolle. Sollte es zu einem Krieg und nachfolgend zu Sanktionen des Westens kommen, sieht Rösener das Risiko von Exportbeschränkungen. Die Krohne-Produktion in Russland könnte zum Erliegen kommen, fürchtet das Unternehmen.
Brenntag prüft permanent das Risiko
Im Osten sind eine Reihe weiterer prominenter Unternehmen aus NRW tätig. Europas größter Schuhhändler Deichmann aus Essen ist seit 2014 in Russland vertreten und betreibt dort aktuell 37 Filialen. Die zur Tengelmann-Gruppe gehörende Baumarktkette Obi mit Sitz in Wermelskirchen ist bereits seit 2003 in dem Riesenland aktiv und betreibt dort 28 Märkte, acht davon allein in Moskau.
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Bislang keine Auswirkungen auf das Tagesgeschäft spürt der Essener Dax-Konzern Brenntag. Der Weltmarktführer in der Distribution von Chemikalien und Inhaltsstoffen ist in 77 Ländern unterwegs, darunter auch Russland und die Ukraine. Der Konflikt zwischen beiden Ländern „hat und hatte bislang keine Auswirkungen auf unsere Geschäftsaktivitäten und die Warenverfügbarkeit“, erklärt Sprecher Robert Reitze auf Nachfrage. „Wir beobachten die aktuelle Lage und Entwicklung in der Region sehr genau und führen auf dieser Basis regelmäßig eine Risikoeinschätzung durch.“ Durch den engen Austausch mit Kunden und Lieferanten vor Ort könne Brenntag frühzeitig auf etwaige Lieferengpässe reagieren.
>>> NRW-Handel mit Russland und Ukraine in Zahlen
Als Handelspartner der russischen Föderation belegte Nordhein-Westfalen im Jahr 2020 Rang 17 noch vor Ländern wie Dänemark und Schweden. Das geht aus Zahlen von NRW.Global Business hervor. NRW importierte Waren im Wert von 2,7 Milliarden Euro aus Russland – knapp ein Drittel waren Erdöl und Erdgas, ein Viertel Metalle und über 20 Prozent Kohle sowie Kokerei- und Mineralölerzeugnisse.
Güter im Wert von 3,2 Milliarden Euro exportierte NRW nach Russland – darunter 29 Prozent Maschinen und ebenso viele chemische und pharmazeutische Produkte. Sieben Prozent entfielen auf Autos und Kfz-Teile, sechs Prozent auf elektrische Ausrüstungen.
Das NRW-Handelsvolumen mit der Ukraine belief sich 2020 auf 1,3 Milliarden Euro. Ein- und Ausfuhren hielten sich in etwa die Waage. Aus der Ukraine bezogen nordrhein-westfälische Unternehmen insbesondere Agrarprodukte, Metalle und Erze, aber auch Nahrungsmittel und Bekleidung. Der Export-Mix in die Ukraine ähnelte dem nach Russland.