Essen. Trotz Corona-Krise ist die Nachfrage nach Gewerbeflächen im Ruhrgebiet ungebrochen. In nur 18 Monaten wurden 333 Firmenansiedlungen realisiert.
Seit Jahren schmilzt der Vorrat an Gewerbe- und Industrieflächen im Ruhrgebiet. Die hohe Nachfrage konnte nicht einmal die Corona-Pandemie bremsen. Nach Zahlen der Business Metropole Ruhr GmbH (BMR) sind zwischen Hamm und Wesel gerade noch 304 Hektar sofort verfügbar. Das entspricht zusammengenommen in etwa der Größe des Tesla-Werks, das der Elektroauto-Titan Elon Musk gerade in Brandenburg baut.
„Die Corona-Krise hat sich bislang nicht negativ auf die Nachfrage nach Gewerbeflächen ausgewirkt. Im Gegenteil ist der Bedarf leicht gestiegen“, sagt BMR-Geschäftsführerin Julia Frohne. Die Zahlen, die ihr Team ermittelt hat, sprechen für sich. Danach ist der Flächenvorrat im Ruhrgebiet zwischen 2019 und Sommer 2021 trotz diverser Lockdowns, Kurzarbeit und großer Verunsicherung in der Wirtschaft von 2057 auf 1636 Hektar geschrumpft. Im Umkehrschluss heißt das: Gut 420 Hektar Gewerbeflächen wurden in diesen eineinhalb Jahren vermarktet, um insgesamt 333 Unternehmen im Revier anzusiedeln. „Die Nachfrage ist sehr viel höher als das Angebot“, unterstreicht Frohne und umreißt die Konsequenzen: „Das bedeutet steigende Preise, die Kommunen zahlen müssen, wenn sie Brachen entwickeln wollen.“
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Denn an dem Grundproblem hat sich in den zurückliegenden Jahren nichts geändert: Von den 1636 verfügbaren Hektar sind mit 304 Hektar nur ein Bruchteil sofort nutzbar. Ende 2019 waren es noch 526 Hektar. Zu den größeren verfügbaren Arealen gehören der Hafen Emmelsum in Voerde, der Gewerbepark Graf Schwerin in Castrop-Rauxel und der Gewerbepark Robert Müser in Bochum.
Altlasten und fehlende Anbindung
„Wir haben immer mehr Flächen mit Erschwernissen wie Altlasten oder fehlender Anbindung an das Straßen- und Kanalnetz. Oder es fehlt die Verkaufsbereitschaft des Eigentümers“, nennt die Wirtschaftsförderin nur einige der Restriktionen, die es verhindern, dass alten Arealen neues Leben eingehaucht werden kann. Rufe nach einem Flächenfonds und nach öffentlicher Förderung der Sanierungskosten gibt es seit geraumer Zeit, viel getan hat sich indes aber nicht.
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Auch deshalb tritt Frohne entschieden dem Eindruck entgegen, dass im großen Stil Freiflächen geopfert werden sollten, um Platz für Unternehmen zu schaffen. „70 Prozent der gewerblichen Ansiedlungen sind zuletzt auf Brachflächen erfolgt. Das bedeutet, dass wir nur zu einem geringen Anteil in den Freiraum eingreifen“, sagt die BMR-Geschäftsführerin. Das solle auch in Zukunft so bleiben. „Unser Ziel ist es, bestehende Gewerbe- und Industrieflächen im Kreislauf zu halten“, verspricht sie und verweist darauf, dass sich in modernen Gewerbegebieten längst nicht mehr nur Halle an Halle reihten.
Gewerbegebiete werden grüner und nachhaltiger
Als Paradebeispiel für eine grünere und nachhaltigere Nutzung ehemaliger Industriestandorte nennt sie Mark 51°7 in Bochum. „Auf der 70 Hektar großen ehemaligen Opel-Fläche werden künftig nur 44 Hektar gewerblich genutzt, 15 Hektar werden Grün- und Freiflächen. Heute wird nicht mehr alles zugebaut“, betont Frohne. Gernot Pahlen, der bei der BMR die Flächenentwicklung leitet, geht noch einen Schritt weiter: „Wer nicht nachhaltig baut, bekommt ein riesiges Finanzierungsproblem. Immobilien-Fonds achten zunehmend auf die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards.“
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Wie bedeutend Gewerbegebiete für die Wirtschaftsentwicklung des Ruhrgebiets seien, will sie mit einer Zahl verdeutlichen: Zwischen 2012 und 2018 seien 56,2 Prozent der Arbeitsplätze in der Region eben dort entstanden. „Gewerbegebiete sind richtige Jobmotoren für das Ruhrgebiet“, so die Wirtschaftsförderin. Dabei machen sie mit 28.000 Hektar gerade einmal 6,3 Prozent der Fläche in der Metropole Ruhr aus. Das sind umgerechnet ungefähr 39.215 Fußballfelder. Zum Vergleich: Die Landwirtschaft im Ruhrgebiet hat einen Flächenanteil von 39 Prozent und über 14 Prozent sind Wald.
Flächenmangel vor allem in Essen, Mülheim und Bottrop
Zu den bedeutenden Ansiedlungen der jüngeren Vergangenheit gehören das Edeka-Zentrallager in Oberhausen, das Logistikzentrum des Autozulieferers Bilstein auf dem Schalker Verein in Gelsenkirchen und das Lager des Logistikkonzerns DSV in Duisburg-Walsum. In Dortmund baut der Stromnetzbetreiber Amprion auf Phönix West ein viergeschossiges Konferenzgebäude.
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Der Flächenvorrat in den Revierstädten entwickelt sich recht unterschiedlich. Bottrop und Essen sind nahezu ausverkauft. Mülheim hat unter anderem durch die Vermarktung der Fläche der ehemaligen Tengelmann-Zentrale wieder etwas mehr Spielraum. Die größten Grundstücksvorräte haben Dortmund sowie die Kreise Wesel, Recklinghausen und Unna aufzuweisen. Während der Corona-Pandemie zwischen Ende 2019 und Mitte 2021 war vor allem Duisburg bei der Vermarktung von gewerblich-industriellen Flächen erfolgreich. Das Polster der Stadt am Rhein schrumpfte in diesen 18 Monaten um 93 auf 109 Hektar. Im Kerngebiet wiesen nur noch Bochum mit einem Minus von 24,3 und Gelsenkirchen mit 21,1 Hektar eine hohe Aktivität aus.