Münster. Die Landwirte in Westfalen-Lippe starten auch 2022 im Krisenmodus. WLV-Präsident Hubertus Beringmeier drängt auf höhere Lebensmittelpreise.
Seit Februar 2020 ist Hubertus Beringmeier Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Knapp zwei Jahre im Krisenmodus liegen hinter dem 60-jährigen Ostwestfalen und Normalität in der Branche ist weiter nicht in Sicht. „Die Krise ist ähnlich wie vor 20 Jahren mit BSE. Wir stehen mit dem Umbau der Landwirtschaft vor einer Mammutaufgabe“, sagte Beringmeier am Mittwoch im digitalen Chat mit Journalisten.
Wie sehr die Pandemie sich auswirke, zeige sich am drastischen für die Schweinehalter in Deutschland. Die Preise, die im Pandemiezeitraum von rund 2 Euro pro Kilogramm auf gut 1,20 Euro gesunken sind, bezeichnet Beringmeier als „ruinös“. Wie viele Schweinehalter tatsächlich schon aufgegeben hätten oder kurz davor seien, könne man zwar nicht genau sagen, aber die Rahmenbedingungen sorgten dafür, dass ein Strukturbruch in der deutschen Landwirtschaft drohe.
20 Cent vom Euro landen bei Bauern
Verantwortlich dafür macht der WLV-Präsident auch die vier großen im Lebensmittelhandel: Aldi, Lidl, Edeka und Rewe. Offenkundig bleibt es ein zähes Ringen um auskömmliche Vergütung. „Gerade heute Morgen habe ich noch einen erbitterten Kampf geführt, um überhaupt die Preise zu halten“, sagt Beringmeier, selbst Schweinehalter mit rund 4000 Tieren in Hövelhof bei Paderborn und im Deutschen Bauernverband (DBV) zuständig für diese Gruppe der Landwirte.
Von einem Euro, den der Kunde im Geschäft zahlt, bliebe den Landwirten im Schnitt nur rund 20 Cent, Tendenz sinkend. Ein bisschen mehr für Eier (etwa 40 Prozent) und aktuell auch Milch (rund 35 Prozent), gerade einmal 3,9 Prozent für Brotgetreideerzeugnisse und ungefähr die 20 Prozent für Fleisch und Wurst. Insofern begrüßt Beringmeier die Ankündigung des neuen Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir, der höhere Preise für Lebensmittel einfordert – vorausgesetzt, davon kommt auch etwas bei den Erzeugern an.
Hier dreht sich die Diskussion nach wie vor im Kreis: Mehr Qualität, mehr Tierwohl, mehr ökologische Landwirtschaft und Artenschutz wird eingefordert, gleichzeitig fließe absehbar deutlich weniger Geld aus Brüssel auf die deutschen Höfe. Dazu kommen deutliche höhere Preise für Energie oder auch den Einsatz von Dünger. Hier haben sich die Preise für bestimmte Sorten in den vergangenen Monaten verdreifacht. Aus Sicht des WLV gehe die Rechnung nur auf, wenn am Ende auch mehr Geld in die Kassen der deutschen Erzeuger fließe – solange es sie noch in ausreichender Zahl gebe, um die Regale zu füllen. Über diese „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ (Beringmeier) will die Branche in der kommenden Woche mit Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sprechen, ihn auf Stand bringen, denn „er hat ja noch nicht so viele Vorkenntnisse“, so der WLV-Präsident.
Omikron macht Sorge
Kurzfristig dürfte die Krise sich eher noch verschärfen. Jedenfalls in der Schweinebranche. Wegen der Omikron-Variante des Virus’ befürchtet man erneut Einschränkungen in den großen Schlachthöfen, möglicherweise auch bei Saisonarbeitern – beinahe alles wie vor zwei Jahren, nur sind langsam die Reserven aufgebraucht.