Hövelhof. Der neue Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes empfindet die Politik als „zu hysterisch“. Landwirte stehen unter Druck.

Der Besuch ist etwas früh. Hubertus Beringmeier braucht noch einen Moment, um sich umzuziehen. Der 58-Jährige war an diesem Morgen natürlich schon im Stall - genau so wie seit fast 40 Jahren. Und doch ist seit zwei Wochen vieles anders auf dem Hof in Hövelhof-Espeln.

Seit dem 17. Februar ist Beringmeier als Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) gefordert. „Ich bin jetzt der klassische Nebenerwerbs-Landwirt“, erklärt der Ostwestfale mit einem natürlich, freundlichen Gesichtsausdruck.

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Es ist alles geregelt. Mit seinem ältesten Sohn Michael hatte sich Beringmeier schon seit einiger Zeit die Leitung des Schweinemastbetriebes im Kreis Paderborn geteilt. Seit sechs Jahren ist der 31-Jährige dabei. „Es wäre nicht gut, wenn ich bis 67 auf Chef machen würde.“ Es ist ein Familienbetrieb. Beringmeiers Frau Christiane, gelernte Altenpflegerin, packt natürlich mit an.

Vorzeigbare Tierhaltung ein Muss

Dass Hubertus Beringmeier neuer Bauernpräsident in Westfalen-Lippe werden würde, war nicht unbedingt klar. Im zweiten Wahlgang hat er sich gegen die gebürtige Siegenerin Susanne Schulze-Bockeloh (54, aus Münster) durchgesetzt.

Zur Person Hubertus Beringmeier

Hubertus Beringmeier wurde am 17. Februar 2020 in Münster zum neuen Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes gewählt, der rund 38.000 Landwirte vertritt. Nötig wurde die Wahl, weil sein Vorgänger, Johannes Röring, vorzeitig abtrat. Beringmeier bildet jetzt zusammen mit den Vizepräsidenten Wilhelm Brüggemeier aus Ostwestfalen und Henner Braach aus Südwestfalen die Verbandsspitze. Erstmals ist kein Münsterländer dort vertreten.

Beringmeier setzte sich in der Stichwahl mit 57:48 Stimmen gegen die gebürtige Siegenerin Susanne Schulze-Bockeloh aus Münster durch.

Der Ostwestfale aus Hövelhof-Espeln (zwischen Gütersloh und Paderborn) ist verheiratet mit Ehefrau Christiane und hat drei Kinder und drei Enkel. Hofnachfolger ist der älteste Sohn Michael, 31, der den Haupterwerbsbetrieb mit Schweinemast und Ackerbau führt. Der heute 58-Jährige hat nach Realschule und Lehre 1985 die Meisterprüfung gemacht und war bis 2017 Ausbilder. Im Alter von 19 Jahren hatte er den bis dahin verpachteten „Zweithof“ seiner Eltern übernommen.

Hubertus Beringmeier engagierte sich schon früh ehrenamtlich. Mit 20 Jahren war er bereits Mitglied im Kirchenvorstand. Im Jahr 2000 wurde er Ortsverbandsvorsitzender, 2009 Kreisverbandsvorsitzender und so Mitglied im WLV-Vorstand. Von 2015 an war Beringmeier Bezirksvorsitzender Ostwestfalen-Lippe im WLV.

So oder so war mit der Wahl für den Verband Neuland verbunden. Eine Frau an der Spitze? Oder ein Ostwestfale? Beides ungewöhnlich, denn in der Vergangenheit waren es stets Männer aus dem Münsterland, die die Belange der Landwirte in der Region vertreten haben. „Münster ist ja schon die Hauptstadt der westfälischen Bauern“, räumt Hubertus Beringmeier ein.

Die Flügel zusammenhalten, die Interessen der Münsterländer, der Ost- und der Südwestfalen und nicht zuletzt der jungen Leute im WLV gleichermaßen unter einen Hut zu bringen, darauf komme es gerade jetzt schon an. „Die Landwirtschaft stand noch nie so unter Druck wie heute. Wenn wir nicht zusammenhalten, dann droht die Bedeutungslosigkeit.“ Dass im Verband kontrovers diskutiert wird, hält der neue Mann an der Spitze nicht nur für normal, sondern für notwendig: „Ein Nebenerwerbslandwirt in Olpe hat andere Interessen als ein großer Veredler im Münsterland.“

Zu einem großen Veredler ist auch die Familie Beringmeier mit 3500 Schweinen in den Ställen geworden. Nach und nach. „Wir haben keine Finca auf Mallorca und auch keine Aktienpakete“. Beringmeier erklärt es so, dass niemand ein schlechtes Gewissen bekommen müsste, bei dem es anders ist. Und so, dass man dem Landwirt aus Leidenschaft abnimmt, dass sein Strahlen nicht aufgesetzt ist, wenn er von den vielen Investitionen in den Familienbetrieb spricht.

In den vergangenen 40 Jahren wurde der Hof, nahe der Quelle der Ems, zwanzig Mal vergrößert, verändert, modernisiert. Vom kleinen Hof mit ein paar Kühen, Schweinen und Ackerbau zu einem auf Schweinemast spezialisierten Betrieb, der auf den Feldern einen Teil des notwendigen Futters selbst anbaut.

Vorzeigbare Tierhaltung

Artgerechte Haltung spiele eine große Rolle. Seit fünf Jahren nimmt der Hof Beringmeier an der Initiative Tierwohl teil. „Ich finde das gut!“ Das heißt: Die Schweine haben deutlich mehr Platz als vorgeschrieben. Nie sind mehr als 21 Tiere zusammen in einer Box. Gegen Langeweile der neugierigen rosa Paarhufer gibt es Spielzeug und Abwechslung beim Futter.

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Über fünf Webcams werden die Tiere beobachtet. Rund 36.000 Bilder aus den Ställen entstünden so jedes Jahr. Transparenz ist Beringmeier wichtig: „Unsere Tierhaltung muss vorzeigbar sein“, sagt er und spricht mit Blick auf die gesamte Branche.

WLV-Präsident Hubertus Beringmeier auf seinem Hof in Hövelhof bei Paderborn. „Ich bin jetzt nur noch Landwirt im Nebenerwerb
WLV-Präsident Hubertus Beringmeier auf seinem Hof in Hövelhof bei Paderborn. „Ich bin jetzt nur noch Landwirt im Nebenerwerb", sagt der 58-Jährige beim Besuch der Westfalenpost. Wenn es die Termine zulassen, schaut er weiter im Stall vorbei. © WP | Jens Helmecke

Aber damit die Landwirte auch eine Chance haben, auf Themen wie Tierwohl oder Klimawandel angemessen zu reagieren, brauche es Verlässlichkeit. „Wir brauchen eine Art Generationenvertrag für die nächsten 20 Jahre.“

Politik nicht verlässlich genug

Das sei die Politik den Landwirten schon schuldig. Dass sich die Landwirtschaft verändern werde, und zwar schneller als in der Vergangenheit, das sei jedem klar.

„Aber die Politik reagiert teilweise hysterisch“, kritisiert Hubertus Beringmeier in ruhigem Ton – und denkt dabei an den umstrittenen Agrarpakt vom vergangenen September. „Wir leiden darunter, dass die Umwelt- und die Landwirtschaftsministerin sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben.“ Auf Landesebene funktioniere die Abstimmung besser – dort liegen die Kompetenzen für Umwelt und Landwirtschaft in einer Hand bei Ministerin Ursula Heinen-Esser.

Landwirt im Nebenerwerb

Beringmeier neigt so überhaupt nicht dazu, zu überziehen. Aber er ist in seinen Ansichten völlig klar. Sein Credo: Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik müssen gemeinsam Lösungen finden. Dabei wollen die Bauern ernst genommen werden und auf Augenhöhe verhandeln. Dem neuen Bauernpräsidenten in Westfalen-Lippe ist das gewiss zuzutrauen.

Wegen der Termintaktung musste der Landwirt tatsächlich das erste Mal im Leben auf einen elektronischen Kalender umstellen. Das macht ihn aber offenbar nicht zu einem anderen Menschen. Am Abend seiner Wahl vor 14 Tagen zog er die heimische Deele einem Auftritt im Fernsehstudio vor.

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„Wir wollten bei einem Bier mit Familie und Freunden feiern.“ Am Ende war die Deele mit einhundert Gästen aus der Nachbarschaft gut gefüllt. Dank des neuen Jobs konnte der Präsident sogar ein Stündchen länger schlafen – er ist ja jetzt „nur noch“ Landwirt im Nebenerwerb.