Essen. Nach dem Stromio-Aus fordern die Energie-Verbände von der neuen Bundesregierung schärfere Regeln für die Discounter. VKU spricht von „Desaster“.
Die Energielobby fordert ein Einschreiten der neuen Bundesregierung gegen die Geschäftspraktiken von Strom- und Gasdiscountern, die in den vergangenen Wochen reihenweise ihre Lieferungen über Nacht eingestellt haben. Jüngstes Beispiel ist der Kaarster Billiganbieter Stromio, der in der Nacht zum Mittwoch aus dem deutschen Netz geworfen wurde, weil er nicht mehr genügend Strom für seine Kunden liefern konnte. Der Verband kommunaler Unternehmen sprach von einem „Desaster“ und forderte eine „effizientere Aufsicht der Bundesnetzagentur über unseriöse Anbieter“. Der VKU vertritt die Stadtwerke, die als Grundversorger die gestrandeten Discountkunden übernehmen müssen, in Bochum sind es rund 3000.
BDEW: Unseriösen Geschäftsmodellen Einhalt gebieten
Auch der allgemeine Branchenverband BDEW schlug sich auf die Seite der etablierten Anbieter und fordert die neue Ampel-Regierung auf, einzuschreiten. Es könne „nicht weiter angehen, dass Anbieter in Niedrigpreiszeiten Reibach machen und sich bei steigenden Preisen nicht mehr um ihre Kunden kümmern“, schimpfte BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff. Die Grundversorger übernähmen Verantwortung und garantieren die Belieferung neuer Kunden. „Das muss von der Politik honoriert und unseriösen Geschäftsmodellen in der Daseinsvorsorge Einhalt geboten werden“, forderte die Cheflobbyistin.
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Stadtwerke und Konzerne wie Eon, die als Grundversorger keinen gekündigten Discountkunden ablehnen dürfen und automatisch die Belieferung übernehmen, damit niemand im Dunkeln und Kalten sitzen muss, ärgern sich seit langem über das Discountmodell, das wegen der aktuell explodierenden Energiepreise bei einigen Anbietern in sich zusammenfällt. Sie haben neue Kunden aufgenommen, ohne die benötigte Menge an Strom oder Gas eingekauft zu haben. Da sie zu den aktuell horrenden Tagespreisen zukaufen müssen, geht ein Discounter nach dem andern in die Knie. Stromio ist der 39. Anbieter, der laut Bundesnetzagentur seine Belieferung in diesem Jahr gestoppt hat oder zum 31. Dezember einstellt. Manche wie Neckermann Strom, Dreischtrom oder Smiling Green sind darüber pleite gegangen, andere haben durch die Lieferstopps ihre Insolvenz verhindert.
Ampel soll Regulierungslücke schließen
Genau das wurmt die Etablierten besonders. Mit Blick auf den jüngsten Fall aus NRW, der Branchenkennern zufolge Hunderttausende trifft, sagte BDEW-Präsidentin Wolff: „Die Weigerung von Stromio, ihre Kundinnen und Kunden weiterhin zu beliefern, offenbart einmal mehr eine schwerwiegende Regulierungslücke: Billiganbieter betreiben Geschäftemacherei auf Kosten der Kunden und wälzen das ökonomische Risiko auf die Grundversorger ab. Hier muss die neue Bundesregierung eingreifen.“
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Verbraucherschützer stimmen in der Analyse überein, nicht aber bei der Forderung nach Gesetzesverschärfungen, sprich mehr Regulierung. Denn: „Die Discounter haben in den vergangenen Jahren den zuvor schwachen Wettbewerb belebt – davon haben Millionen Kunden profitiert“, sagte der Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, Udo Sieverding, unserer Redaktion. Auch er kritisiert den Umgang einiger Discounter mit ihren Kunden, insbesondere die unangekündigten Lieferstopps. Die aktuelle Marktbereinigung sei aber Teil des Wettbewerbs, ihn gesetzgeberisch wieder einzuschränken, „kann nicht die Lösung sein“, so Sieverding.
Streit um extra hohe Tarife für gestrandete Discountkunden
Er kritisierte zugleich, dass viele Grundversorger, vor allem Stadtwerke, nun extra teure Tarife für die gestrandeten Discountkunden aufsetzen, die Verbraucherzentrale halte das „für nicht zulässig“, was rechtlich zu prüfen sei. Der VKU verteidigte dagegen diese Praxis: „Gerade die kommunalen Stadtwerke haben vorausschauend geplant und können daher ihren Kunden Unsicherheit und noch größere Preissprünge ersparen“, betont der Verband. Würden Kundinnen und Kunden vom Markt verschwundener Discounter aufgenommen, könne „mit differenzierten Tarifen die negativen Folgen für Bestandskunden begrenzt werden“.