Essen. Wenn das Blech nicht kommt, steht der Wagen auch mal vier Monate in der Werkstatt. Die Ersatzteile-Beschaffung wird in der Pandemie schwieriger.
Seit Anfang November steht der Wagen jetzt in der Werkstatt, dort wird er auch das neue Jahr begrüßen und mit noch etwas mehr Pech bis Karneval seines Ersatzteils harren. Dabei ist weder der Motor platt noch fehlt eines dieser rar gewordenen elektronischen Teile. Ein plumpes Blech, versteckt im Inneren des Kotflügels, muss ausgetauscht werden, nachdem ein unbekannter Mitmensch den parkenden Opel angefahren hat. Seine Besitzerin hat nun Post vom Blitz erhalten: Das Blech werde „voraussichtlich im Februar“ da sein. Nicht nur diese Leserin aus Herten erfährt gerade, wie die weltweit unterbrochenen Lieferketten aus Selbstverständlichkeiten echte Geduldsproben machen können.
„Der Materialmangel zieht sich durch alle Fahrzeugtypen und alle Gewerke“, sagt Marc Büttner, Hauptgeschäftsführer des Branchen-Landesverbands Kfz NRW, „die ganze Logistik ist gestört“. Was warum wie lange nicht lieferbar sei, könnten nicht einmal mehr die Hersteller immer nachvollziehen. Denn selbst die Zulieferer wüssten zuweilen nicht mehr, an welcher Stelle die Lieferkette durchbrochen sei.
Auch einfache Ersatzteile sind teils monatelang nicht lieferbar
Es fehlten keineswegs nur digitale Bauteile, die wegen der globalen Chipkrise aber ganz besonders, was den Neuwagen-Bau derzeit europaweit ausbremst. Mangelnde Verfügbarkeiten gebe aus bei ganz normalen Ersatzteilen, also Blechen, Metallteilen und auch Kunststoffelementen. Die Lieferzeiten seien im Einzelfall „teils sehr lang, das ist von Teil zu Teil sehr verschieden“, so Büttner.
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Weil die Probleme so unsystematisch auftreten, bei dem einen Hersteller die Bremsscheiben nicht verfügbar seien, beim nächsten etwas anders, sei das Ausmaß der Materialengpässe derzeit schwer zu erfassen. Wie lange eine Kundin oder ein Kunde auf die Reparatur warten müsse, hänge ganz vom Einzelfall ab, sagt der Kfz-Experte. „Ich höre aus den Werkstätten, dass ein Teil pünktlich ankommt, es bei einem baugleichen Teil aus einer anderen Charge aber Monate dauert, bis es verschifft werden kann“, beschreibt Büttner das Dilemma.
Autohaus-Chefin: Gehen europaweit auf Ersatzteil-Suche
Auch Kerstin Feix kennt solche Fälle, sie hätten in der Pandemie zugenommen, kämen in ihrem Betrieb trotzdem auch jetzt nur vereinzelt vor. „Für die Betroffenen ist das natürlich sehr ärgerlich, wir suchen dann nach einer Lösung“, sagt die Chefin des gleichnamigen Autohauses mit drei Standorten in Bochum und Witten. Sie betont, wie komplex die Ersatzteilbeschaffung geworden sei, in einem Fall etwa fehle nur ein bestimmtes Kabel, ohne das aber die Reparatur nicht abgeschlossen werden kann. „Das kleinste Teil kann von großer Bedeutung sein“, sagt sie – und hat ebenfalls einen ganz frischen Fall, in dem ein Teil erst im Februar geliefert werden kann, während die anderen am nächsten Tag da waren. Ihr Team gehe dann europaweit auf die Suche nach dem fehlenden Teil, um es so schnell wie möglich zu besorgen.
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Noch blockierten liegen gebliebene Reparaturfahrzeuge aber nicht ihre Werkstätten, laufe das Alltagsgeschäft normal weiter, betont Kerstin Feix. Als Vorteil erweise sich das große Ersatzteile-Lager ihrer Firma, ebenso der große Fuhrpark an Ersatzfahrzeugen, um betroffene Kunden, deren Wagen länger stehen bleiben, mobil zu halten, sagt die Geschäftsführerin des Ford- und Opelhändlers.
Manche Werkstätten wissen nicht mehr, wohin mit den Autos
Für die meisten Händler und ihre Werkstätten sei das bisher nur ärgerlich, „aber nicht existenzbedrohend“, weiß Verbands-Geschäftsführer Büttner. Denn an Aufträgen mangelt es ja nicht, wer eine Reparatur benötigt, der wartet eben. Bei einigen werde es aber inzwischen eng auf dem Hof, weil die nicht mehr fahrbereiten Autos irgendwo abgestellt werden müssen. Und weil mehr Kundinnen und Kunden als üblich Leihwagen bräuchten, schrecke es inzwischen manchen Kunden ab, wenn ein Händler ihm keinen zur Verfügung stellen könne.
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Bleibt das Ärgernis für diejenigen, deren Autos warum auch immer ihren Dienst verweigern. Die Opelfahrerin aus Herten weiß von weiterer Mühsal zu berichten, die ihr der unbekannte, weil flüchtige Fahrer mit seinem Rempler bescherte: Sie hat nun für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen, den die Versicherung „nach einigem Hin und Her bezahlt“, wie sie erzählt. Aber nur, weil ihr Versicherungsvertreter sich so sehr für sie eingesetzt habe. Die Zentrale der Kfz-Versicherung habe ihre Police wegen der zu hohen Kosten schon kündigen wollen. Das ist ein üblicher Mechanismus, den die Rechner der großen Versicherer in Gang setzen, wenn die Ausgaben eine gewisse Summe übersteigen. Dann hat die Versicherung in der Regel ein einseitiges Kündigungsrecht.
Zulieferindustrie in Südostasien leidet unter Containermangel
Dass auch einfache Teile fehlen, kann dem Kfz-Verband zufolge bei allen Fabrikaten vorkommen. Das liege auch an den inzwischen weltweit verzweigten Konzernen, die zu immer größeren Marken-Konglomeraten wachsen. Unter Stellantis etwa versammeln sich neben vielen anderen die Massenfertiger Fiat, Peugeot, Citroën, Alfa Romeo, Lancia, Chrysler – und Opel. Je mehr Marken, desto größer die Einsparpotenziale bei der Fertigung auch einfacher Teile, die in mehreren Modellen verbaut werden.
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Große Zulieferer fast aller Fabrikate sitzen in Südostasien, fertigen etwa in Thailand von der Zylinderkopfdichtung über den Ölfilter bis zur Plastikabdeckung eine Unzahl an Teilen für BMW, Daimler, Ford, Toyota und die anderen Auto-Weltkonzerne. Oft sind es europäische Zulieferer, die in Fernost ihre Fabriken gebaut haben, um günstiger zu produzieren. Nun teilen sie das Problem der weltweit unterbrochenen Lieferketten, die Südostasien ganz besonders treffen. Viele Teile sind längst produziert und versandfertig, schaffen es mangels Containern aber nicht aufs Frachtschiff.