Düsseldorf/Hagen. Noch nie gab es so viel versicherungspflichtige Jobs in NRW wie 2021 – dank Wirtschaftshilfen. Rätsel geben die Schulabgängerzahlen auf.

Der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen hat sich im zweiten Jahr der Pandemie stabilisiert. Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen, wesentlich gestützt durch Wirtschaftshilfen und das „Instrument“ Kurzarbeit, ist seit Februar stetig gesunken. Erstmals wurden in NRW mehr als 7,2 Millionen Menschen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gezählt. Dennoch ist längst nicht alles gut, erklärten der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Torsten Withake, DGB-NRW-Chefin Anja Weber und der Präsident der Arbeitgeberverbände in NRW, Arndt Kirchhoff, am Freitag in Düsseldorf bei einer Jahresbilanz.

Rätsel um Schulabgänger

Es klafft eine unerklärliche Lücke auf dem Ausbildungsmarkt. Die Zahl der Schulabgänger in NRW war 2021 erneut rückläufig. Das ist demografisch leicht zu erklären. Allerdings ist die Zahl der jungen Menschen, die die Schule verlassen haben deutlich größer als die, von denen bekannt ist, dass sie eine Berufsausbildung, ein Studium oder etwas anderes begonnen hätten.

Wo die Jugendlichen abgeblieben sind, scheint bislang ein Rätsel zu sein. „Wir haben allerdings eine steigende Zahl von Schulverweigerern“, wies die DGB-Chefin Anja Weber auf ein sich in der Pandemie verschärfendes Problem hin und sieht hier die NRW-Schulministerin in der Verantwortung, hier Transparenz herzustellen.

Arndt Kirchhoff sieht in diesem Zusammenhang das Manko, dass eine Nachverfolgung schwierig sei, weil der Datenschutz in Deutschland zu hoch gehängt sei: „Ich möchte auf keinen Fall eine gläsernen Menschen, aber so wie wir es heute machen, halte ich es für völlig überholt.“ Kirchhoff hatte bereits im Kontext der Pandemie mehrfach beklagt, dass Datenschutz vor Gesundheitsschutz stehe. In Bezug auf die quasi verschwundenen Schulabgänger sei es kaum möglich nachzuverfolgen, wo sie eigentlich sind. Dabei könnte eine zielgenaue Initiative helfen, die Azubilücke effektiv zu schließen. Eine Initiative über die Sozialen Medien könne aufzeigen, in welchen Berufsfelder Unternehmen aktuell und in Zukunft Fachkräfte suchen. „Uns fehlen heute bereits 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer. Die brauchen wir dringend, das ist nicht nur ein Problem der Briten“, nennt der Unternehmer-Präsident ein Beispiel. Bekannt ist, dass durch die Pandemie kurzfristig in den Bereichen Gastronomie oder Pflege Fachkräfte gesucht werden.

Anwerbeabkommen wie in 60ern starten

Mittel- und langfristig brauche es eine aktive Fachkräfteeinwanderung und Anwerbeabkommen, vorzugsweise mit Staaten außerhalb Europas. „Wir müssen, wie in den 60er-Jahren, Verträge mit Ländern wie beispielsweise Indien schließen. Dort gibt es viele Menschen, die Arbeit suchen und sich freuen würden, in Deutschland arbeiten zu können. Da muss uns die Politik jetzt helfen“, erwartet Kirchhoff von der kommenden Bundesregierung die Umsetzung des bereits im Frühjahr 2020 beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Es gebe bereits über die Bundesagentur für Arbeit ein Werben in Ländern wie Mexiko, Kolumbien, Indonesien oder eben auch Indien, erklärt RD-Chef Withake: „Es ist auch an vielen Stellen schon erfolgreich, es reicht aber bei weitem nicht aus, um den Bedarf in Deutschland zu decken.“ Mit den Menschen, die hier in Deutschland sind, werde man den Fachkräftebedarf nicht decken können, so Kirchhoff.

Dabei sind viele Bürgerinnen und Bürger bereits lange im „Arbeitsmarkt-System“ beinahe abgemeldet. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also jenen, die länger als ein Jahr ohne sozialversicherungspflichtigen Job sind, ist in der Corona-Pandemie wieder deutlich gestiegen. Allein NRW von 2020 bis November 2021 um 50.000 Menschen auf nun 327.820 mit schlechter Jobperspektive. Beim Blick darauf, wie zwar kontinuierlich aber sehr langsam Menschen über Qualifikation und besondere Maßnahmen aus dieser prekären Situation herausgeholfen werden konnte, wird diese bittere Zahl auch in Nach-Pandemiezeiten nicht wieder schnell sinken. Helfen soll das Teilhabechancengesetz.

Schlechte Chancen für Geringqualifizierte

Die Chancen für Menschen ohne gute Ausbildung einen Job zu finden, sinken. Laut Regionalagentur NRW kamen im November auf 100 freie Stellen 935 geringqualifizierte Jobsuchende. Für Fachkräfte ist die Chance deutlich höher. Auf 100 Stellen kommen lediglich 189 Bewerber.Um Qualifizierung attraktiver zu machen, soll ein Weiterbildungsgeld helfen. 150 Euro gibt es auf die Grundsicherung dazu.