Hagen. Über ein Jahr Corona-Pandemie heißt, dass durch die Krise bereits Menschen Langzeit arbeitslos sind. Der Weg zurück in Jobs ist mühsam.
Deutschland ist Wohlstandsland. Das gilt nicht für Langzeitarbeitslose, deren Zahl in diesem Jahr besorgniserregend in die Höhe geschnellt ist. 337.719 Menschen waren Ende April allein in Nordrhein-Westfalen bereits länger als ein Jahr arbeitslos. Ab dann gelten Jobsuchende nach amtlicher Definition als langzeitarbeitslos. Betroffen sind vor allem Ungelernte und Ältere ab Mitte Fünfzig.
Seit 2014 war diese Zahl nicht mehr so hoch. Damals war man in Politik und bei der Bundesagentur höchst alarmiert. Bundweit war rund eine Million Menschen in dieser kritischen Lage. Die Bemühungen hier zu helfen, wurden verstärkt. NRW startete Pilotprojekte, um Menschen, die bereits mehrere Jahre ohne Job waren, zum Teil überschuldet da standen und mitunter die Struktur im Leben verloren hatten, zurückzugewinnen. Für den Arbeitsmarkt, aber vor allem für die Gesellschaft. Jobs wurden hochsubventioniert, die Betroffenen konsequent gecoacht. 2019 trat das Teilhabe-Chancengesetz als Bundesgesetz in Kraft, das eine enge Begleitung zur Regel werden ließ und die Finanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung über einen langen Zeitraum absichert – allerdings nicht unendlich.
Tatsächlich fruchteten die Anstrengungen, auch wenn es ein mühsames Geschäft blieb und ist. Über 90.000 Langzeitarbeitslose seien in sechs Jahren aus der Perspektivlosigkeit heraus geholt worden, sagt Torsten Withake, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit. Anfang 2020 lag die Zahl der Langzeitarbeitslosen in NRW um rund 100.000 Menschen niedriger.
Nun, im April dieses Jahres, wurden erstmals Menschen, die durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie 2020 ihre Anstellung verloren haben, langzeitarbeitslos, also sind seit mehr als einem Jahr ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. „Wir haben in den vergangenen Jahren gute und innovative Ansätze erlebt und erprobt. Jetzt müssen wir uns fragen, ob es neue Instrumente braucht“, sagt Withake. Man sei heute deutlich besser gerüstet als 2014, nicht zuletzt wegen des Teilhabe-Chancengesetzes, dessen Erfolg durch eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in diesem Frühjahr bestätigt wurde.
Zwischen 12.000 und 13.000 Menschen jährlich wurden so allein in NRW Perspektiven eröffnet. Withake plädiert dafür, die Förderung, die ab 2024 ein Auslaufen vorsieht, zu verstetigen, damit sich nicht die Beschäftigungslosigkeit Zehntausender verstetigt. Nach wie vor gilt der Leitsatz: Es ist besser und günstiger Arbeit als Arbeitslosigkeit dauerhaft zu finanzieren. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland und schon deshalb leben hier absolut die meisten Langzeitarbeitslosen. Unterschiede gibt es in den Regionen. Während sich das Problem im Ruhrgebiet wieder deutlich verschärfe, geht der Chef der NRW-Arbeitsagentur davon aus, „dass der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Südwestfalen wieder rückläufig sein wird“. Wenn die Krise bewältigt ist. Ein hoher Fachkräftebedarf im Industrie-starken Sauer- und Siegerland und immer noch vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquoten sind hier neben demografischen Faktoren ausschlaggebend.