Essen. Die neuen Corona-Regeln treffen den Handel im wichtigen Adventsgeschäft hart. Galeria-Chef Müllenbach warnt in unserem Podcast vor den Folgen.
Die meisten Waren werden trotz Lieferengpässen da sein – aber wie viele Kunden kommen noch in die Läden, um sie zu kaufen? Diese Frage stellt sich angesichts schärferer Corona-Auflagen der deutsche Einzelhandel, er befürchtet das zweite enttäuschende Adventsgeschäft in Folge. Was passiert, wenn nur noch Geimpfte und Genesene in die Geschäfte dürfen, sieht Deutschlands letzter große Warenhauskonzern schon jetzt: „Wenn, wie in Sachsen, knapp die Hälfte der Menschen nicht geimpft ist, bricht die Kundenfrequenz in genau dieser Größenordnung ein“, sagte Galeria-Chef Miguel Müllenbach im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.
Galeria-Chef befürchtet schwächeres Weihnachtsgeschäft als 2020
Der Freistaat Sachsen hat die höchsten Infektionsraten und deshalb zuerst die 2G-Regel für den Einzelhandel erlassen. Es folgten Brandenburg und Baden-Württemberg, bald sollen bundesweit Ungeimpfte nur noch für den täglichen Bedarf in Supermärkte, Drogerien und Apotheken, aber nicht mehr in andere Läden gehen dürfen. „Wenn wir bundesweit 2G haben, werden wir im Weihnachtsgeschäft noch unter das Niveau des Vorjahres fallen, das schon kein gutes war“, prognostiziert Müllenbach.
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Wie genau sich 2G auf die Umsätze auswirke, müssten die nächsten Tage zeigen. In Baden-Württemberg, wo deutlich mehr Menschen geimpft sind als in Sachsen, gehe die Kundenfrequenz entsprechend weniger zurück. Seine Devise zur Rettung des Handels ist daher dieselbe wie die zur Pandemiebekämpfung: „Impfen, impfen, impfen.“
Zugangskontrolle für Galeria das geringste Problem
Das Problem abschreckender Schlangen wegen der Zugangskontrollen sieht Müllenbach vor allem für kleinere Läden, die nur eine Tür haben, die Galeria-Kaufhäuser hätten den Vorteil, das auf mehrere Eingänge verteilen zu können. Seine Befürchtung ist nicht, dass zu viele Menschen in Schlangen stehen, sondern dass zu wenige zum Weihnachtseinkauf in die Innenstädte kommen: „Die Kundenbewegungen mit dem Nahverkehr in die Innenstädte haben schon durch die 3G-Regel im ÖPNV stark nachgelassen, wir merken bereits jetzt, dass weniger Menschen in die Stadt kommen.“
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Der Chef der Kaufhauskette mit ihren bundesweit gut 130 Filialen ist wie der Handelsverband HDE, dessen Vizepräsident Müllenbach ist, gegen die von der Politik beschlossenen Zugangsbeschränkungen. Denn: „Wenn wir eines in den vergangenen Monaten gelernt haben, dann, dass der stationäre Einzelhandel mit seinen täglich 50 Millionen Kundenkontakten kein Pandemietreiber ist. Selbst das RKI sagt, dass wegen der kurzen Kontaktdauer die Gefahr einer Ansteckung gerade auf großen Verkaufsflächen wie unseren vergleichsweise gering ist.“
Schon 3G im Nahverkehr hält in Innenstädten viele Kunden fern
Die zusätzlichen Maßnahmen würden die ohnehin schwierige Lage der Innenstädte weiter verschärfen. „Die Kundenfrequenzen in den Innenstädten lagen auch bisher noch um 15 bis 20 Prozent unter dem Niveau von 2019“, so Müllenbach. Deshalb bedauert er auch die Absage der Weihnachtsmärkte in vielen Städten, das sei ein weiterer Grund, nicht in die Stadt zu gehen. Er sei „froh, dass es noch ein paar gibt“, etwa in den meisten Ruhrgebietsstädten. Dabei unterstütze er die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung grundsätzlich, es dürfe „nicht zur Überlastung unseres Gesundheitswesens kommen.“ Deshalb solle man auch nicht krampfhaft an jedem Weihnachtsmarkt festhalten, aber: „Wo die Hygienekonzepte stimmen, der Zugang kontrolliert wird und es möglich ist Abstand zu halten, muss es möglich sein, Weihnachtsmärkte im Freien durchzuführen.“
Der Dezember wiege für den Einzelhandel „wie ein doppelter Monat“, betont Müllenbach, dafür stellten viele Händler, auch Galeria, zusätzliches Personal ein. Wer komme, werde daher noch besser beraten und kaufe im Durchschnitt mehr ein, so der Galeria-Chef. Doch die Händler bauten sich im Dezember normalerweise Polster auf, die sie später benötigten. „Wenn das zum zweiten Mal in Folge pandemiebedingt nicht geht, werden das viele Händler merken, wenn es darum geht, die Frühjahrsmode einzukaufen.“
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Die sich im Einzelhandel laut jüngster ifo-Umfrage zuspitzenden Warenengpässe wegen der weltweit unterbrochenen Lieferketten und Störungen des Schiffsverkehrs treffen Galeria laut Müllenbach nicht so hart. „Was wir bislang geordert haben, ist zu über 90 Prozent im Zeitfenster angekommen.“ Allerdings müsse seine Logistik „jeden Tag hart arbeiten, um das komplette Weihnachtssortiment anbieten können“. Es könne schon sein, dass einzelne Artikel, etwa elektronische Spielwaren, mal nicht verfügbar seien, leere Regale werde es aber nicht geben.
Müllenbach: Neues Galeria-Konzept läuft gut an
Galeria hatte im Oktober sein neues Warenhauskonzept gestartet, künftig gibt es drei Formate: Flagship-Häuser mit Luxusartikeln und Champagners-Bars, „regionale Magneten“, in denen Verkaufsflächen an Dienstleister wie Energieanbieter, Versicherer und städtische Angebote wie Passstellen vermietet werden. Und kleinere „lokale Foren“. Je eines dieser Formate hat Galeria in Frankfurt, Kassel und Kleve gestartet.
Müllenbach zeigte sich nach den ersten Wochen „sehr zufrieden“. Die Mieter in Kassel hätten schon zusätzliches Personal in die Warenhäuser beordert, weil ihre Dienste so gut angenommen würden. Das Vorzeige-Haus in Frankfurt laufe auch gut an, benötige wie alle großen Kaufhäuser in den Metropolen aber die Rückkehr auch der internationalen Touristen. „Ganz besonders zufrieden“ sei er mit dem lokalen Forum in Kleve, dessen Kundenfrequenz sich nach dem Neustart „signifikant besser“ entwickle und sogar über dem Vorkrisenjahr 2019 liege.
Am Rollout auf die anderen Warenhäuser hält der Galeria-Chef trotz der Pandemiesorgen fest. „Natürlich müssen wir sehen, wie sehr uns die Pandemie im Weihnachtsgeschäft bremst. Aber wir werden hier nicht vom Gas gehen, weil wir überzeugt sind, dass dies der richtige Weg ist“, sagte Müllenbach.
Neue Ampel-Regierung solle stärker nach vorne planen
Von der neuen Ampel-Regierung erhofft sich der seit 2005 für Karstadt arbeitende Manager, dass sie „sehr viel stärker als bisher nach vorne plant und das nächste Jahr nutzt, unser Gesundheitssystem so zu stabilisieren, dass es der Pandemie standhalten kann.“ Denn: „Der nächste Winter kommt bestimmt. Corona wird nicht weg sein, sondern jedes Jahr wiederkommen. Wir brauchen endlich Konzepte, die uns ein halbwegs normales Leben damit ermöglichen“, fordert Müllenbach. Und fügt an: „Eines darf uns nicht passieren: dass wir uns von Jahr zu Jahr immer wieder in solche Situationen manövrieren.“