Essen. In der IW-Studie zu den Wohnnebenkosten in allen 401 Kommunen sind die Ruhrgebietsstädte wieder mit am teuersten, auch wegen hoher Müllgebühren.
Die Mietpreisbremse ist ein dickes Thema in Berlin, München und Hamburg, aber keines im Ruhrgebiet. Weil die Mieten zwischen Duisburg und Dortmund im Vergleich mit anderen Metropolregionen relativ niedrig, die lokalen Wohnungsmärkte nicht so angespannt sind, gilt sie hier nicht. Was dabei aus dem Blickfeld gerät, sind die auch im Vergleich mit anderen Großstädten sehr hohen Wohnnebenkosten. „Zu Unrecht“, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln befindet. In seiner neuen Studie zählen die Revierkommunen insbesondere bei den kalten Nebenkosten zu den teuersten bundesweit. Das müsse die Politik aller Bedeutung der Mieten mitbedenken, raten die Ökonomen.
Im Durchschnitt der 401 deutschen Kommunen machen die Nebenkosten rund ein Drittel (32 Prozent) der Grundmiete aus. Sie teilen sich fast hälftig in die Heizkosten und die kalten Nebenkosten wie Grundsteuer, Müll- und Abwassergebühren. Diese beiden Posten sind im Ruhrgebiet sei vielen Jahren sehr teuer, so dass im Revier „schnell noch einmal 40 Prozent auf die Kaltmiete draufkommen“, wie Studienmitautor Pekka Sagner im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Deshalb lohne es gerade hier, bei der Wohnungssuche auf die „zweite Miete“ zu achten. Das IW erstellt jährlich ein Gutachten zu den Wohnnebenkosten für die Deutsche Invest Immobilien.
Energiepreise werden Nebenkosten weiter treiben
Bei Neuvermietungen im Jahr 2020 fielen im Bundesschnitt 1,09 Euro je Quadratmeter Wohnfläche fürs Heizen und Warmwasser an, ein Cent mehr als im Vorjahr. Die jüngste Explosion der Energiepreise, insbesondere auch bei Gas und Heizöl, lassen jedoch einen steilen Anstieg im laufenden Jahr befürchten. Die seit diesem Jahr erhobene CO2-Abgabe wird dafür ebenso sorgen wie die aktuelle globale Energiekrise.
Die kalten Nebenkosten betrugen exakt einen Euro pro Quadratmeter Wohnfläche – zwei Cent mehr als ein Jahr zuvor. In Großstädten liegen sie deutlich höher – im Schnitt bei 1,28 Euro. Doch die lokalen Unterschiede zeigen enorme Ausschläge: In Mülheim an der Ruhr wurden bei Neuvermietungen von bis zu 2,32 Euro aufgerufen. Im städtischen Median waren es 1,94 Euro, damit lag Mülheim mit Bonn bundesweit auf Platz vier. Dortmund (1,84 Euro), Bochum (1,83 Euro), Duisburg und Essen (je 1,79 Euro) zählen ebenfalls zu den teuersten Städten Deutschlands bei den kalten Nebenkosten, im Revier mit am niedrigsten sind sie in Gelsenkirchen (1,53 Euro).
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Zu Buche schlagen vor allem die in vielen Revierkommunen hohen Müll- und Abwassergebühren sowie die historisch hohen Grundsteuern, die zudem noch weiter steigen sollen. Versicherung, Gebäudereinigung und Hausmeisterdienste sind weitere relevante Posten. Beim Müll kam 2020 der bundesweite Corona-Effekt hinzu: Die Kosten stiegen um überdurchschnittliche drei 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein möglicher Grund dafür sind laut IW-Gutachten die wegen der Lockdowns gestiegenen Hausmüllmengen, weil die Menschen sich mehr zu Hause aufhielten.
Im Ruhrgebiet liegen Nebenkosten oft bei über 40 Prozent der Miete
Die zuletzt zwar teils ordentlich gestiegenen, im bundesweiten Vergleich aber nach wie vor relativ günstigen Kaltmieten im Ruhrgebiet lassen die Nebenkosten immer wichtiger werden: In Duisburg, Gelsenkirchen und Recklinghausen machen sie inzwischen jeweils rund 44 Prozent der Kaltmiete aus – Tendenz vor allem wegen der galoppierenden Energiepreise steigend.
„Relevant für die Mieter ist immer die Gesamtsumme“, betont IW-Forscher Pekka Sagner. Mieter wie Eigentümer sollten daher gerade im Ruhrgebiet mehr auf die Nebenkosten achten. Das rät er vor allem mit Blick in die nahe Zukunft: „Die steigenden Energiepreise und die energetische Sanierung der Häuser werden sehr viel Geld kosten.“ Achteten Mieter zum Beispiel mehr auf die Heizkosten, wenn sie in eine Altbauwohnung ziehen wollen, wäre das ein Anreiz für den Eigentümer, das Haus zu dämmen, auch wenn sich diese Kosten nicht voll auf die Mieter umschlagen ließen.
Ampel-Koalition plant einen sozialen Ausgleich
Darüber, wer die Kosten für die im Januar eingeführte CO2-Abgabe auf Heizöl und Gas trägt, hatte sich die Große Koalition zerstritten. Die SPD wollte die Vermieter an den Mehrkosten beteiligen, um ihnen einen Anreiz zu geben, ihre Häuser energetisch zu sanieren, damit weniger Heizenergie verbraucht wird. Das war an der Union gescheitert, die allein die Mieterinnen und Mieter in der Pflicht sah, ihren Gas- oder Heizölverbrauch zu senken. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP plant laut Koalitionsvertrag nun einen sozialen Ausgleich. Wie dieses „Klimageld“ ausgestaltet werden soll, ist noch offen.