Essen. Es hängt vom Wohnort ab: NRW-Bürger werden mit extrem unterschiedlichen Kosten für Abwasser und Müll zur Kassen gebeten.

Die Nachricht klingt zunächst nicht nach einer dicken Schlagzeile: Müll- und Abwassergebühren für Privathaushalte in NRW haben sich einer Auswertung zufolge auch in diesem Jahr „auf hohem Niveau stabilisiert“. So formuliert der Steuerzahlerbund NRW in seinem aktuellen Gebührenvergleich jedenfalls den Umstand, dass aus Sicht der Gebührenzahler weitgehend alles beim Alten geblieben ist. Etwa 270 Euro zahlt demnach ein Vier-Personen-Musterhaushalt für die 14-tägige Leerung der üblichen Tonnen im Landesschnitt. Im vergangenen Jahr waren es mit 263 Euro fast genauso viel. Auch die Abwassergebühren blieben mit 726 Euro für denselben Durchschnittshaushalt stabil (2019: 723 Euro). Der Anstieg liegt laut Steuerzahlerbund geringfügig über der derzeitigen Inflationsrate.

Unterschiede bis zu 1000 Euro im Jahr

Auch interessant

Doch die kaum aussagekräftigen Durchschnittszahlen verraten nur wenig über die eigentliche Brisanz des Themas. Denn größer geworden oder zumindest gleich geblieben sind die riesige Preisspanne bei den Kosten für Müll und Abwasser. Je nach dem, wo man wohnt, kann die Differenz für einen einzelnen Haushalt schon mal 1000 Euro betragen. So zahlt ein Vier-Personen-Musterhaushalt in Reken im Kreis Borken nur 246 Euro pro Jahr an Abwassergebühren - in Waldbröl im Oberbergischen Kreis einen glatten Tausender mehr.

Im Ruhrgebiet ist Essen beim Abwasser am teuersten

Abfallgebühren oberhalb der Tausend-Euro-Grenze fallen auch an den Rändern des Ruhrgebiets an, etwa in Bergkamen oder in Fröndenberg. Die Großstädte des Reviers bitten ihre Bürger beim Abwasser dagegen meist unterhalb des Landesschnitts zur Kasse (siehe Tabelle). Auffällig sind aber auch hier die großen Unterschiede. Am teuersten ist das Abwasser in Essen (rund 859 Euro pro Jahr), am günstigsten in Hamm (479 Euro). Gebührenzahler in der in vielen Dingen teuren Landeshauptstadt Düsseldorf kommen mit einer Jahresgebühr von 431 Euro allerdings billiger weg als all ihre Nachbarn im Ruhrgebiet.

Steuerzahlerbund kritisiert „realitätsferne“ Verzinsung

Auch interessant

Vergleichbar groß sind die Unterschiede auch beim Abfall: In Münster zahlt ein Musterhaushalt gut vier Mal mehr für die 14-tägige Leerung von insgesamt 240 Litern Rest- und Biomüll (rund 641 Euro) als in Kaarst oder in Mechernich (rund 146 Euro). Auch hier sind die Unterschiede im Ruhrgebiet augenfällig. Die Kluft ist aber nicht so groß wie im Rest des Landes. So zahlt der Musterhaushalt in Essen 403 Euro für die Müllabfuhr, in Gelsenkirchen rund 251 Euro.

Klage vor dem Oberverwaltungsgericht

Abwasser- und Abfallgebühren 2020
Abwasser- und Abfallgebühren 2020 © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Dem Steuerzahlerbund sind die höchst unterschiedlichen und teils hohen Gebühren für Müll und Abwasser seit langem ein Dorn im Auge. Statt die Bürger zu entlasten, werde die Gebührenschraube in vielen Kommunen maximal angezogen, um daraus millionenschwere Überschüsse zur Haushaltskonsolidierung zu gewinnen, sagte der Landesvorsitzende Rik Steinheuer.

Gängige Praxis der Kommunen

Auch interessant

Vor allem beim Abwasser stößt sich der Steuerzahlerbund an der gängigen Praxis vieler Kommunen, die Gebühren über einen teuren Abschreibungsmodus für das Kanalnetz und „realitätsferne“ Kapitalzinsen auf das Eigenkapital kalkulatorisch in die Höhe zu treiben. „Im Endeffekt heißt das: Die Gebührenzahler bezahlen das Kanalnetz gleich zweimal“, so Steinheuer. Brandenburg und Sachsen hätten dagegen gesetzliche Regelungen, die das verhinderten. In NRW mache die Kalkulation der Kapitalkosten im Schnitt etwa die Hälfte der Gebühren aus.

Spareffekt durch „Windeltonne“

Vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster versucht der Steuerzahlerbund bereits in zweiter Instanz, dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben. In diesem Jahr sei allerdings mit einer Entscheidung nicht zu rechnen.

Beim Müll rät der Steuerzahlerbund Bürgern zu größerer Flexibilität. So ließen sich Abfallgebühren etwa über den Eigenkompostiererabschlag, die Einrichtung von Nachbarschaftstonnen, die Verwendung von Saisonbiotonnen, die richtige Wahl des Restmüllgefäßes und des Abfuhrturnus oder die Bestellung einer „Windeltonne“ einsparen.