Essen. Herne und Gladbeck drehen weiter an der Steuerschraube. Für einen Kämmerer ist die Erhöhung “das letzte Mittel“.

Trotz der seit Jahren anhaltenden Debatte über die historisch hohen Grundsteuersätze im Ruhrgebiet müssen sich Mieter und Immobilieneigentümer zumindest in Teilen des Reviers auf weitere Anstiege der ungeliebten Kommunalabgabe einstellen. Nachdem die Stadt Gladbeck kürzlich eine Erhöhung der Grundsteuer auf 950 Punkte in zwei Stufen bis 2023 angekündigt hat, zieht jetzt auch Herne in Betracht, den Hebesatz nochmals heraufzusetzen. In beiden Fällen dienen die außergewöhnlichen Belastungen des Stadthaushaltes durch die Pandemiefolgen als Begründung für die Maßnahme.

Sechs Ruhrgebietsstädte mit einem Hebesatz über 800

Für Hernes Stadtkämmerer Hans Werner Klee ist eine Anhebung bei der Grundsteuer zwar nur die Ultima Ratio, also das letzte Mittel, um einen genehmigungsfähigen Haushalt verabschieden zu können. Dennoch steht eine Anhebung der Steuer von 745 auf 830 Punkte nun als Forderung der Stadtverwaltung im Raum. Damit wäre Herne die sechste Ruhrgebietsstadt mit einem Hebesatz über 800. Noch vor zehn Jahren lag der Grundsteuersatz in Herne bei lediglich 500 Punkten. Nach einer Berechnung des Steuerzahlerbundes NRW (BdSt) zahlt ein Musterhaushalt in der Stadt damit schon jetzt jährlich knapp 230 Euro mehr als noch 2010.

Sorge um negative Wirkung

Im Gespräch mit dieser Redaktion räumte der Herner Kämmerer ein, ihm sei bewusst, dass eine Steuererhöhung gerade in wirtschaftlich besonders schwierigen Zeiten für viele Menschen und Unternehmen zurecht äußerst negativ ankommen werde. In seiner Haushaltsrede vor dem Rat der Stadt hatte Klee zuvor betont, die Verwaltung werde „alles Erdenkliche tun, um diesen Schritt tatsächlich noch abwenden oder zumindest teilweise verschieben zu können“.

Forderung nach angemessener Finanzausstattung

Für den langjährigen Kämmerer mit SPD-Parteibuch liegt der Schlüssel für eine stabile Haushaltslage der Ruhrgebietsstädte ohnehin nicht darin, die Bürger immer weiter zu belasten. „Wir brauchen endlich eine angemessene Finanzausstattung“, sagte Klee dieser Redaktion. „45 Prozent des Haushaltes der Stadt Herne betreffen Sozialtransfers. Doch die sind nicht auskömmlich finanziert“, so Klee. Das sei die wesentliche Ursache für die Situation. Hinzu komme die Altschuldenproblematik der Städte im Ruhrgebiet. Klee: „Hier brauchen wir dringend eine Lösung.“

"Besorgniserregende Entwicklung"

Zuletzt hatte der Steuerzahlerbund die Städte im Ruhrgebiet vor weiteren Erhöhungen bei der Grundsteuer gewarnt. Der Verband sprach von einer „besorgniserregenden“ Entwicklung, weil sich die Abgabe in der Region zu einem bedeutenden Belastungsfaktor für die Bürger entwickelt habe. BdSt-Experten hatten errechnet, dass sich die Grundsteuerentwicklung im Revier von der allgemeinen Preissteigerung abgekoppelt hat. Während die Verbraucherpreise in den zehn Jahren seit 2010 um knapp 15 Prozent gestiegen sind, seien die Grundsteuersätze im Ruhrgebiet im selben Zeitraum um durchschnittlich 50 Prozent nach oben gegangen.