Hagen. In NRW kam die Corona-Soforthilfe 2020 schnell und unbürokratisch bei Betroffenen an. Experten war da schon klar: Vielen droht eine Rückforderung.

Mit dem Lockdown im Frühjahr ging ein Schock für die deutsche Wirtschaft einher. Noch mehr als große, global agierende Konzerne waren die kleinen und Kleinstunternehmer bis hin zum Soloselbstständigen betroffen. Für sie wurde beinahe über Nacht ein erstes Soforthilfe-Programm aus der Taufe gehoben. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen gelang es über ein vereinfachtes digitales Portal schnell Zugang zu finanzieller Hilfe zu verschaffen. Heute, anderthalb Jahre später, gibt es aus Sicht vieler, die die Hilfen für März, April und Mai 2020 in Anspruch genommen haben, ein böses Erwachen. Rückzahlungen drohen.

Nach zwei Lockdowns fehlt Liquidität

Bis zu 9000 Euro Soforthilfe gab es für Soloselbstständige und Kleinunternehmerinnen und -unternehmer mit bis zu fünf Beschäftigten. 15.000 Euro, wenn der Betrieb zwischen sechs und 10 Mitarbeiter hatte. Es war ein erster Schnellschuss der Bundesregierung, um die wirtschaftliche Vollbremsung in vielen Branchen abzufedern und eine massive Pleitewelle zu verhindern, dem mit den November- und Dezemberhilfen sowie den Überbrückungshilfen I, II, III und aktuell III-Plus noch weitere Finanzhilfen folgten. Bundesfinanzminister Scholz formulierte es im Frühjahr 2020 so, dass man mit einem (Finanz-) „Wumms“ in Höhe von 170 Milliarden Euro, abgefeuert wie mit einer „Bazooka“ schnell wieder aus der Krise finden wolle.

Einer Krise, die es so in der Nachkriegsgeschichte noch nie gegeben hatte. Entsprechend gab es auch keine Blaupause für den Umgang damit, weder für Politik, noch die Wirtschaft. „Das Szenario, das gezeichnet wurde, war so, dass die Leute aus lauter Angst Anträge auf Soforthilfe eingereicht haben, bevor sie vielleicht nichts bekommen hätten“, sagt Volker Kaiser, Präsident der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe. Seine Branche habe gerade alle Hände voll mit dem Thema zu tun, denn die Abrechnungsfrist läuft Ende dieses Monats aus: „Wir müssen jetzt eine vernünftige Endabrechnung liefern.“

Dann haben Rückzahlungspflichtige noch genau ein Jahr, bis zum 31. Oktober 2022, um die Summe tatsächlich zu begleichen, falls sie nach Behördenansicht teilweise oder gar nicht berechtigt Hilfe bekommen haben. Eine Regelung, die Kaiser als moderat bezeichnet. Aber nach einem zweiten Lockdown von Dezember 2020 bis ins Frühjahr 2021 und entsprechenden Einnahmeausfällen, fehlt es vielen offenbar an Liquidität.

„Vertrauensregelung“ in NRW

Das Kernproblem, um das es jetzt häufig geht: Die Soforthilfen dienten ausschließlich dem Zweck, betriebliche Kosten wie Miete, Pacht, Lieferantenrechnungen und ähnliches zu begleichen. Für den Lebensunterhalt beziehungsweise einen Unternehmerlohn durften sie nicht verwendet werden. Darüber gab es sogar zwischen der NRW-Landesregierung und dem Bund eine lange Auseinandersetzung, weil in Düsseldorf sehr wohl gesehen wurde, dass auch Unternehmerinnen und Unternehmer von irgendetwas ihre Brötchen bezahlen müssen.

Nordrhein-Westfalen schuf eine Sonderregelung, nach der Antragstellende für die Monate März und April 2020 jeweils eintausend Euro für eigene Zwecke verwenden konnten. Grundsätzlich sag das Verfahren aber vor, dass für Beschäftigte Kurzarbeitergeld und für den eigenen Lebensunterhalt Grundsicherung nach besonders vereinfachten Regeln beantragt werden sollte.

„Wir hatten im Frühjahr 2020 Mandanten, die Soforthilfe beantragt haben und denen wir sofort gesagt haben, dass sie das Geld werden zurückzahlen müssen“, so Kaiser, Chef einer mit über 20 Beschäftigten relativ großen Steuerberaterkanzlei in Soest. Möglicherweise hätten nicht alle Kolleginnen und Kollegen das so deutlich gemacht. „Wir haben vollumfänglich aufgeklärt“, erinnert Kaiser, der Verständnis für die Situation hat: „In ihrer Not haben die Leute einfach mehr ausgegeben.“

NRW-Ministerium wartet mit Prognose noch ab

Tatsächlich gab und gibt es einige Soloselbstständige, beispielsweise aus der Eventbranche, die gar keine hohen laufenden Kosten hatten – aber eben null Einnahmen über Monate. Einige gaben auf und fehlen jetzt.

Laut Landesregierung haben über 426.000 Soloselbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmer insgesamt eine Summe von 4,5 Milliarden Euro erhalten. Nirgendwo wurde mehr ausgezahlt, vielleicht auch, weil andere Bundesländer eine zeitaufwendigere aber genauere Prüfung der Anträge bestanden haben. Insofern werden logischerweise wohl auch nirgendwo so viele Rückforderungen anfallen wie in NRW. Eine Tendenz, wie viele von Rückforderungen betroffen sind, mag das zuständige NRW-Wirtschaftsministerium vor Ablauf der Meldefrist am 31. Oktober dieses Jahres nicht nennen.