Essen. Der Essener Chemiehändler Brenntag steigt in den Dax auf: Wie der einstige Eiergroßhandel zum internationalen Marktführer wurde.

Als Philipp Mühsam 1874 in Berlin einen Eiergroßhandel gründete, ahnte niemand, dass aus der späteren „Brenntag“ einmal der weltgrößte Chemie-Transporteur erwachsen würde. Am 20. September soll das Essener Unternehmen nun in den Dax, die Bundesliga der börsennotierten Konzerne in Deutschland, aufsteigen.

Seit Monaten war spekuliert worden, dass die Brenntag den Sprung in den Aktien-Leitindex schaffen würde. Als die Deutsche Börse am späten Freitagabend ihre Entscheidung bekannt gab, knallten in Essen deshalb auch nicht die Champagnerkorken. Der Vorstand verschickte stattdessen eine Videobotschaft an Belegschaft und dankte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

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„Wir freuen uns über die Aufnahme in den erweiterten Dax. Sie bestätigt unsere Leistungen und die erfolgreiche Entwicklung unseres Unternehmens in den letzten Jahren. Darauf sind wir stolz“, erklärte Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner noch in der Nacht. „Dieser Erfolg wäre ohne unsere mehr als 17.000 Mitarbeitenden nicht möglich gewesen.“

Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner
Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner © Brenntag AG | Brenntag AG

Die Blicke von Investoren und Wirtschaftsjournalisten werden sich ab Herbst intensiver auf die Konzernzentrale an der Essener Messe und in unmittelbarer Nachbarschaft des ebenfalls im Dax notierten Energieriesen Eon richten. Brenntag ist ein international tätiger Händler von Industrie- und Spezialchemikalien.

Mehr als 10.000 Produkte

Der Produktkatalog umfasst mehr als 10.000 Positionen von Säuren, Laugen und Lösemitteln bis hin zu Substanzen für die Ernährungs-, Kosmetik-, Futtermittel- und Pharmaindustrie. Die Essener entwickeln und liefern auch Aromastoffe für vegane Wurst oder Spirituosen. Duisburg ist zentraler Standort für Kunden in NRW. In dem Werk werden die chemischen Substanzen der Hersteller wie Bayer, BASF oder Evonik in Gebinde abgefüllt und in der bestellten Größenordnung an Unternehmen geliefert.

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Brenntag blickt auf eine lange Tradition zurück. Gegründet als Eiergroßhandel, stieg das Unternehmen 1912 in den Chemikalienhandel ein. Nachdem der Ruhrgebiets-Industrielle Hugo Stinnes 1937 das Unternehmen übernommen hatte, wurde die „Brennstoff-, Chemikalien- und Transport AG“ im Jahr darauf in Brenntag umbenannt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zog die Hauptverwaltung der Firma ins Ruhrgebiet um – nach Mülheim an den Sitz der Stinnes AG.

In 77 Ländern vertreten

Brenntag wurde weltweit tätig – zuletzt an 670 Standorten in 77 Ländern. 2020 erzielte Brenntag einen Umsatz von rund 11,8 Milliarden Euro. Nach dem Verkauf der traditionsreichen Stinnes AG an die Deutsche Bahn blieb allein die Brenntag als selbstständiges Unternehmen übrig. Im Jahr 2010 ging der Chemiedistributeur an die Börse und war fortan im MDax notiert. Seither hat sich die Marktkapitalisierung des Unternehmens vervierfacht und beträgt heute nach eigenen Angaben mehr als 13 Milliarden Euro.

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Weil die Brenntag in der bisherigen Zentrale am Rhein-Ruhr-Zentrum keine Expansionsmöglichkeiten mehr hatte, bezog sie 2017 das „House of Elements“ in Essen. Als Christian Kohlpaintner im Januar 2020 den Vorstandsvorsitz übernahm, verordnete er der Brenntag sogleich einen tiefgreifenden Umbau. Das Ziel: mehr organisches Wachstum. 1300 Stellen und 100 Standorte sollen wegfallen.

Nach dem angekündigten Aufstieg in den Dax stieg der Wert der Brenntag-Aktie am Montag leicht auf 86,50 Euro an. Den größten Anteil haben mit 35 Prozent institutionelle Anleger in Nordamerika, gefolgt von Großbritannien und Irland (27 Prozent), Kontinentaleuropa (13 Prozent) und Deutschland (zehn Prozent). Weitere sechs Prozent entfallen auf den Rest der Welt.

Nachdem Thyssenkrupp im vergangenen Jahr den Dax verlassen musste, hat das Ruhrgebiet neben RWE und Eon in Essen und Vonovia in Bochum mit der Brenntag nun wieder einen vierten Konzern im Oberhaus der deutschen Börse.

>>> LEG verpasst den Sprung in den Dax

Als Anwärter auf den Einzug in den Dax 40 war auch der Immobilienkonzern LEG gehandelt worden. Doch der größte nordrhein-westfälische Vermieter scheiterte knapp. Bei der Bewertung der Marktkapitalisierung hatten Analysten die LEG zuletzt auf den Rängen 43 bis 46 verortet.

„Wir fühlen uns im MDax wohl“, hatte Vorstandschef Lars von Lackum im Frühjahr gegenüber unserer Redaktion betont. Sollte die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen zustande kommen, wird die LEG mit 140.000 Wohnungen der zweitgrößte deutsche Immobilienkonzern.