Lippstadt. Am Wochenende entscheidet die Eigentümerfamilie des Autozulieferers Hella aus Lippstadt über den Verkauf ihrer Mehrheitsanteile.
Seit Monaten wird über die Zukunft des Autozulieferers Hella spekuliert. Am Donnerstag bestätigte das Unternehmen erstmals offiziell die laufenden Verhandlungen über den Verkauf der Mehrheitsanteile an dem höchst erfolgreichen und im M-Dax notierten Traditionsunternehmen.
Französische Konzerne bieten mit
Spekuliert wurde bislang über verschiedenste Käufer, unter anderem Finanzinvestoren. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen Knorr-Bremse des zu Beginn des Jahres verstorbenen Unternehmers Heinz Hermann Thiele Interesse bekundet. Die Inhaber des Bahn- und Lkw-Teile-Spezialisten Knorr-Bremse hatten schließlich plötzlich wieder einen Rückzieher gemacht – denn billig wird eine Übernahme nicht.
Erst zu Beginn dieser Woche hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider berichtet, dass in der finalen Bieterrunde die französischen Autozulieferer Faurecia und Plastic Omnium zu den Interessenten zählten. Auch der fünftgrößte deutsche Autozulieferer, der Stuttgarter Kolben- und Klimaanlagen-Hersteller Mahle, könnte laut Nachrichtenagentur Reuters zu den letztlich drei verbliebenen Bietern gehören, über deren verbindliche Angebote die Eigentümerfamilien Hueck und Röpke am Wochenende entscheiden. Am Mittwochabend ist die Frist für die Bieter abgelaufen.
Wie hoch die Angebote genau liegen, ist noch unklar. Vermutlich bei rund 60 Euro je Aktie. Der aktuelle Kurs war durch die Spekulationen zwischenzeitlich auf 69 Euro geschnellt und lag am Donnerstagmittag bei 65 Euro.
Ausgehend von einem Gebot von rund 60 Euro pro Aktie wäre Hella mit 6,5 bis knapp sieben Milliarden Euro bewertet. Für die Eigentümer soll nicht allein der Preis eine Rolle spielen. Möglicherweise wird gerade darüber beraten, bei welchem Käufer die noch rund 36.000 Beschäftigten des Hella-Konzerns in Zukunft am besten aufgehoben sein werden. Mehrere tausend Mitarbeiter sind nach wie vor am Gründungsstandort Lippstadt beschäftigt, auch wenn zuletzt dort Jobs zugunsten ausländischer Standorte abgebaut wurden. In einer Unternehmensmitteilung hieß es: Bei einer Entscheidung müssten „die Interessen des Unternehmens und ihrer Interessenträger weitreichend geschützt werden“.
Wer auch immer die Mehrheitsanteile an Hella erwirbt, bekommt Kontrolle über einen der innovativsten deutschen Autozulieferer, der sowohl in der Entwicklung und Produktion von Lichttechnologie rund ums Auto, als auch der Entwicklung von Elektronik zur Batterie-Steuerung von Elektromobilen und modernster Radartechnologie in seinem Segment entweder Weltmarkt- oder mindestens Technologieführer ist.
Nicht nur die französischen Konzerne Faurecia und Plastic Omnium wissen dies genau. Sie kooperieren bereits seit längerem mit Hella. Faurecia im Bereich der Fahrzeuginnenbeleuchtung, Plastic Omnium auf dem Gebiet integrierter Lösungsansätze für den Front- und Heckbereich von Fahrzeugen auch mit Blick auf Lösungen für autonomes Fahren.
Absage theoretisch denkbar
Seit 2014 ist Hella an der Börse notiert, ziemlich genau seit sieben Jahren. Dadurch, dass das Unternehmen unter der Leitung von Dr. Rolf Breidenbach sich in den vergangenen Jahren stets besser als der Branchenschnitt entwickelte und sich konsequent von Unternehmenssparten trennte, in denen man absehbar nicht tonangebend sein konnte, hat sich auch der Aktienkurs in den vergangenen zwei Jahren trotz aller Krisen in der Branche positiv entwickelt.
Neben einigen größeren Aktionären wie dem Versicherungskonzern Allianz oder der Deutschen Bank, liegen über 30 Prozent der Aktien im Streubesitz. Für eine Übernahme müsste den Aktionären ein entsprechend lukratives Angebot gemacht werden.
Bei allen Spekulationen ist theoretisch nach wie vor noch denkbar, dass die Eigentümer des Aktienpools am Ende noch abwinken. In der ad hoc Mitteilung am Donnerstagmittag wurde lediglich bestätigt, dass an diesem Wochenende entschieden wird.
Auch die Beschäftigten im Konzern werden gespannt verfolgen, was am Samstag oder Sonntag verkündet wird.
Endgültige Geschäftszahlen am Donnerstag
Am kommenden Donnerstag legt Hella die endgültigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2020/21 vor, das bis Ende Juni ging. Nach den vor einigen Tagen veröffentlichten vorläufigen Zahlen ist klar: Der Konzern hat mit einem Umsatz von 6,5 Mrd. Euro (Vorjahr: 5,7 Mrd.) besser als erwartet abgeschlossen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern wurde von 227 (Vorjahr) auf 510 Mio. Euro gesteigert. Die Marge verdoppelte sich von 4,0 auf 8,0 Prozent.