Bochum. Babymarkt.de steigerte den Umsatz im ersten Halbjahr um 30 Prozent. Im Interview erklärt Chef Siebers, warum er auch zwei Hebammen beschäftigt.

Luftige Büros, ein großer Fitnessraum und Gemeinschaftsküchen – Babymarkt.de hat drei Etagen in der ehemaligen Opel-Verwaltung bezogen und steuert aus Bochum heraus das Geschäft in 14 europäischen Ländern. Nicht nur ein durchgesägter Kadett der ersten Stunde aus den 60er Jahren erinnert an die Opel-Historie des Standorts. Der Kofferraum dient jetzt als Kühlschrank für Getränke. Wir sprechen Babymarkt-Chef Bastian Siebers über den Erfolg des Tengelmann-Tochterunternehmens, seine Pläne und die Frage, warum er auch zwei Hebammen beschäftigt.

Herr Siebers, Babymarkt.de ist ein schnell wachsender Onlineshop mit jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Warum haben Sie in Ihrer Zentrale einen alten Kadett ausgestellt und historische Opel-Fotos an die Wand gehängt?

Bastian Siebers: Wir haben rund die Hälfte der ehemaligen Opel-Verwaltung in Bochum für 16 Jahre gemietet. Wir fühlen uns hier sehr wohl, weil der Standort ein Stück Ruhrgebiet ist. Der neue Name ,O-Werk‘ steht für uns natürlich für ,Online-Werk‘. Unsere drei Etagen haben wir nach bestimmten Themen gestaltet: Opel, Zeitreise und Marvel. Die Helden der Comic-Serie stehen ganz besonders für unsere Erfolgsgeschichte, da jedes unserer Projekte nach einem Marvel-Charakter benannt ist.

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Babymarkt.de ist in 14 europäischen Ländern vertreten. Ihre beiden Logistikzentren stehen in Tschechien. Warum fiel die Wahl für Ihre neue Zentrale auf Bochum?

Siebers: In Dortmund sind wir aus allen Nähten geplatzt. Für eine neue Zentrale war das Ruhrgebiet absolute Bedingung. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus der Nähe. Das wissen wir aus einer

Im Bochumer O-Werk, der ehemaligen Opel-Verwaltung, hat Babymarkt 7000 Quadratmeter auf drei Etagen angemietet.
Im Bochumer O-Werk, der ehemaligen Opel-Verwaltung, hat Babymarkt 7000 Quadratmeter auf drei Etagen angemietet. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Analyse der Postleitzahlen. Bei einem Wegzug hätten wir viel Knowhow verloren. Und das Team ist das Wichtigste für unser Unternehmen. In unserer Verwaltung in Bochum sind wir im Durchschnitt 30 Jahre alt, nehmen wir unsere Filialen und unser Retourenzentrum in Dortmund hinzu sind es 34 Jahre. 70 Prozent unseres Teams sind Frauen.

Bei der Vorstellung der Bilanz zeigte sich Tengelmann-Chef Christian Haub im Juli vor allem mit der Entwicklung von Babymarkt.de zufrieden. Warum?

Siebers: Mit mittlerweile gut 500 Mitarbeitern haben wir uns innerhalb weniger Jahre zum größten E-Commerce-Unternehmen des Ruhrgebiets entwickelt. Babymarkt.de stellt monatlich bis zu zwanzig neue Leute ein. Wir sind Sportler und haben ehrgeizige Ziele. Im vergangenen Jahr konnten wir unseren Umsatz um 11,4 Prozent auf 182,6 Millionen Euro steigern. In der ersten Hälfte 2021 lag das Plus bei 30 Prozent. Wir trauen uns langfristig einen Umsatz von einer Milliarde Euro zu.

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Mit Ihrem Sortiment sprechen Sie besonders werdende Eltern und Familien mit Kindern bis zu zwölf Jahren an. Ist diese Klientel besonderes online-affin?

Siebers: Absolut. Die Corona-Krise hat den Trend verstärkt, dass die Menschen von der heimischen Couch aus mit dem Smartphone einkaufen wollen. Bei Babymarkt.de gibt es derzeit 100.000 Artikel für Baby und Kind. Das ist mehr als bei Amazon in diesem Sortimentsbereich. Unser Konzept geht aber über das eines Onlineshops hinaus. Wir haben sechs Filialen in Duisburg, Essen, Dortmund, Münster und Düsseldorf. Wir können uns vorstellen, in den kommenden Jahren weitere Filialen in deutschen Metropolregionen zu eröffnen. Für uns arbeiten zwei Hebammen, die werdende Eltern in unseren Filialen und über unsere Social-Media-Kanäle mit ihrem Wissen unterstützen. Neuerdings haben wir sogar unseren eigenen Podcast. Unser Anspruch ist es, das Ökosystem für alles rund um Baby und Kind zu sein.

Kommt der Onlinehandel doch nicht ohne stationären Verkauf aus?

Siebers: Ein Unternehmen mit eigenen Filialen wird besser wahrgenommen. Damit kann es Kompetenz ausstrahlen. Allein der Glaube, dass man in ein Geschäft gehen kann, reicht schon aus. Beide Kanäle ergänzen sich. Unseren Umsatz machen wir aber nahezu vollständig digital, 70 Prozent sogar über Smartphones unserer Kunden und nur drei Prozent über die Filialen.

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Sie haben schon für Karstadt.de gearbeitet, bei Tengelmann für Plus.de. Seit 2014 sind Sie Geschäftsführer von Babymarkt.de. Wie kann E-Commerce wirklich erfolgreich sein?

Siebers: Erstens muss das Sortiment möglichst groß sein. Jeden Artikel, den ich nicht im Programm habe, kann ich auch nicht verkaufen. Deshalb will Babymarkt.de sein Angebot bis 2023 auf 200.000 Artikel verdoppeln. Zweitens ist entscheidend, dass die Ware verfügbar ist und die Kundinnen und Kunden nicht lange darauf warten müssen. Und, drittens, beim Preis muss man mit vorn sein.

Babymarkt.de versendet allein aus Tschechien. Macht das Sinn?

Siebers: Erfolgreiche E-Commerce-Modelle sind zentral gesteuert. Die Ware aus den Filialen heraus zu verschicken, so wie es manche Ketten versuchen, ist der Horror. Unsere Logistikzentren liegen nah an der deutschen Grenze, daher dauert der Versand nach Deutschland nicht länger als aus einem nationalen Lager heraus. Meist sind es zwei bis drei Tage.

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Wie verständigen Sie sich im Servicecenter mit Kunden aus elf nicht deutschsprachigen europäischen Ländern und China?

Siebers: Auch das internationale Geschäft steuern wir zentral aus Bochum: Hier setzen wir auf Muttersprachler, die genau wissen, welche Besonderheiten wir für das jeweilige Land beachten müssen. Insgesamt haben wir Mitarbeiter aus 27 Nationen und sind damit eine sehr internationale Firma.

Immer mehr Handelsunternehmen setzen auf Eigenmarken. Ist das auch ein Thema für Sie?

Siebers: Eine Eigenmarke ist tatsächlich Teil unserer Wachstumsstrategie für die kommenden Jahre. In Vorbereitung ist auch ein Marktplatz, über den Händler ihre Ware anbieten können. So wächst unser Sortiment in die Breite und Tiefe. Als größter europäischer Onlineshop für Baby- und Kinderartikel haben wir Daten von aktuell 1,5 Millionen Kunden. Das ist ein Pfund.

>>> 1989 in Dortmund gegründet

Die Wurzeln von Babymarkt.de reichen bis in das Jahr 1989 zurück, als der Dortmunder Kaufmann Albert Lütgenau an der B1 das erste Fachgeschäft für Babybedarf eröffnet.

2004 startet Lütgenau den Onlineshop Babymarkt.de. 2011 steigt die Mülheimer Tengelmann-Gruppe in das Unternehmen ein. Im November 2014 übernimmt Bastian Siebers die Geschäftsführung und beginnt eine strategische Neuausrichtung.

Inzwischen halten Tengelmann 90 Prozent und der Finanzinvestor Crosslantic zehn Prozent an Babymarkt.de.