Bochum. Handel und Gastronomie sind auf innovative Ideen von Start-ups angewiesen. Der Ruhrsummit zeigt, was Pottsalat aus Essen und Burger King eint.

Einbahnstraßen, Spuckwände und ganz viel Abstand – der Weg zu den „normalen Zeiten“, als 5000 Menschen und mehr den Ruhrsummit fluteten, ist noch weit. Doch das hybride Konzept aus Live- und virtuellem Gründerkongress in der Bochumer Jahrhunderthalle geht auf.

Auf der Bühne sitzt der Moderator Sven Göth mit Ben Küstner, dem Mitgründer des Essener Start-ups Pottsalat. Per Video ist Klaus Schmäing, der Marketingdirektor von Burger King Deutschland, zugeschaltet. Das hybride Aufeinandertreffen der beiden Protagonisten der gesunden Salatwelt aus der Gründerszene und dem Vertreter des US-Fastfood-Konzerns verspricht Zündstoff.

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Doch die beiden Manager sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Pottsalat plant die Expansion über Essen und Dortmund hinaus – sogar ins Ausland. Und Burger King setzt längst nicht mehr nur auf Fleisch-Pattys, sondern nimmt allmählich auch vegane Produkte ins Programm und setzt verstärkt auf die Belieferung nach Hause.

Fabio Ziemßen (r.), Geschäftsführer von NX-Food, diskutierte im Live-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ mit WAZ-Wirtschaftschef Stefan Schulte.
Fabio Ziemßen (r.), Geschäftsführer von NX-Food, diskutierte im Live-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ mit WAZ-Wirtschaftschef Stefan Schulte. © Andreas Buck | Andreas Buck

„Die Corona-Krise hat das Thema Delivery beschleunigt“, sagt Schmäing und räumt ein: „Wir sind da etwas blauäugig herangegangen, haben gedacht, dass wir das Liefergeschäft mal eben so mitnehmen können.“ Doch die Zustellung sei „mehr als nur eine Tüte aus dem Fenster zu reichen“, so Schmäing. Da kann der US-Riese vom Essener Start-up Pottsalat lernen. „Entscheidend ist die Person, die das Essen an die Tür bringt“, sagt Mitgründer Küstner. Es komme auf die Qualität an. „Die Salatbowl darf beim Transport nicht umgefallen sein“, erklärt der Jungunternehmer. Wichtig sei es deshalb, die gesamte Wertschöpfungskette vom Einkauf über die Zubereitung bis hin zur Übergabe an der Haustür streng zu kontrollieren.

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Wie etablierte Unternehmen und Start-ups voneinander profitieren können, beschreibt auch Jan Lingenbrinck, Geschäftsführer der Edeka Digital GmbH in Berlin. Gemeinsam mit dem Essener Start-up Blipstream ist es dem Food Tech Campus des Lebensmittelriesen gelungen, zu Beginn der Corona-Pandemie eine zuverlässige Software zu entwickeln, die Kunden in den Läden zählt. Eingesetzte 3D-Sensoren schlagen überdies Alarm, wenn sich an den Kassen zu lange Schlangen bilden. „Wir haben die Technik schnell ausgerollt. Sie ist jetzt in rund 400 Märkten im Einsatz“, sagt Lingenbrinck.

In Berlin entwickelt sein Team zusammen mit jungen Unternehmen zukunftsweisende technische Lösungen. „Beim Test auf der Fläche braucht man viel Geduld. Die Kaufleute haben nicht immer Mega-Lust auf IT“, meint Lingenbrinck im Hinblick auf die bundesweit 3600 selbstständigen Unternehmer unter dem Genossenschaftsdach der Edeka. Allein die schiere Größe des Marktführers im Lebensmittelhandel macht das Unternehmen offenbar bei Gründern begehrt. Lingenbrinck: „Wir haben das Luxusproblem, dass viele Start-ups bei uns anklopfen.“

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Betätigungsfelder für sie sind aber nicht nur digitale Lösungen, die Einzelhandel und Gastronomie in die Zukunft führen sollen. Es geht auch um neue Ernährungstrends. Sie stöbert in aller Welt Fabio Ziemßen, Geschäftsführer von NX-Food, für seinen Mutterkonzern Metro, aber auch andere Handelsunternehmen auf. Im Live-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ mit WAZ-Wirtschaftschef Stefan Schulte macht Ziemßen am Dienstag auf der Ruhrsummit-Bühne in Bochum Gründern Mut, vor allem in das Geschäft mit Fleischersatzprodukten auf der Basis von Pilzen, Fermentation, Erbsen oder Getreide einzusteigen. „Die Marktgegebenheiten für Start-ups sind gerade ideal, weil genügend Risikokapital am Markt ist“, sagt Ziemßen im Hinblick auf die Investitionsbereitschaft. Der Podcast ist ab Freitag auf WAZ.de zu hören.

Daniel Wodera, Bereichsvorstand von Thyssenkrupp Material Services, stellt sich im mobilen Studio der Funke Medien NRW den Fragen unserer Redakteurin Brinja Bormann. Die Videos sind auf WAZ.de zu sehen.
Daniel Wodera, Bereichsvorstand von Thyssenkrupp Material Services, stellt sich im mobilen Studio der Funke Medien NRW den Fragen unserer Redakteurin Brinja Bormann. Die Videos sind auf WAZ.de zu sehen. © Andreas Buck | Andreas Buck

Aber auch die zunehmende Verlagerung des Einkaufs auf das Smartphone ist nach Überzeugung der Facebook-Managerin Claudia Studtmann ein Betätigungsfeld für Start-ups. „Wir bewegen uns vom going shopping zum always on“, prophezeit die Facebook-Handelschefin für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Soll auf Deutsch heißen: Man gehe nicht mehr gezielt in die Stadt um einzukaufen, sondern ist mit dem Handy rund um die Ruhr in der Lage, etwas zu bestellen. Und das auf den unterschiedlichsten Kanälen. Studtmann nennt ein Hofcafé, das täglich bis zu 60 Torten über Whatsapp verkauft. Und sie geht davon aus, dass ein Trend aus den USA bald nach Europa kommen werde: Ein Produkt wird per Livestream beworben und kann sogleich mit einem Klick gekauft werden.

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Trotz der hohen Corona-Schutzauflagen zeigen sich die Ruhrhub-Geschäftsführer und Organisatoren Svenja Tietje und Oliver Weimann mit dem ersten hybriden Ruhrsummit-Tag zufrieden. Nur 250 Gäste durften auf das Gelände der Jahrhunderthalle. „Die Teilnehmer haben sich gefreut, sich endlich mal wieder zu begegnen“, sagt Tietje. Und auch Weimann ist überzeugt, dass das hybride Konzept aufgegangen sei. „Wir wollen Menschen zusammenbringen. Das ist uns gelungen“, erklärt er.

Über sogenannte Table-Discussions sind Unternehmen und Start-ups ins Gespräch gekommen. Aber auch an den Messeständen im Foyer der Jahrhunderthalle, die parallel dazu auch via Internet sozusagen in alle Welt übertragen wurden. Der Mittwoch soll ganz im Zeichen smarter Lösungen für die Städte stehen.

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