Bottrop. Solarstrom statt Kohleheizung: Bottrop hat das Ziel erreicht und senkt CO2-Ausstoß um 50 Prozent. Was Häuslebauer für den Klimaschutz tun können.

Bottrop hat es geschafft: In den vergangenen zehn Jahren konnte der Ausstoß des klimaschädlichen CO2 um die Hälfte gedrosselt werden. Heizungen wurden ausgetauscht, Fassaden gedämmt und Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer geschraubt. Die Konzepte von „Innovation City Bottrop“ werden bereits in 15 Ruhrgebietsstädten und weit darüber hinaus ausgerollt.

„Blauer Himmel, grüne Stadt“, unter diesem Motto hatte das einflussreiche Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr im Jahr 2009 einen Wettbewerb gestartet, um die Innovationskraft der Energieregion Ruhrgebiet unter Beweis zu stellen. Unter 16 Kandidaten machte Bottrop das Rennen. 2011 ging „Innovation City Bottrop“ unter der Leitung des früheren Oberhausener Oberbürgermeisters und späteren Immobilien-Managers Burkhard Drescher an den Start.

Auch interessant

Am Dienstag, 15. Juni, zieht Innovation City Bilanz: „Ich bin vor zehn Jahren optimistisch gestartet, konnte aber nicht überschauen, ob alle Akteure mitmachen. Das hat aber geklappt“, sagt Drescher im Gespräch mit unserer Redaktion. Und er hat geliefert: Das gesetzte Ziel, die CO2-Emissionen zu halbieren, ist erreicht. Das wissenschaftliche Attest legt Manfred Fischedick, Geschäftsführer des renommierten Wuppertal Instituts, vor. „Nach Auswertung aller vorliegenden Zahlen wissen wir, dass dieses Projekt erfolgreich war“, sagt Fischedick.

CO2-Reduktion: Bottrop hängt locker den Bund ab

Bottrop hat in den vergangenen zehn Jahren den Bund beim Klimaschutz locker abgehängt. Konnte die kleine Großstadt im Revier den CO2-Ausstoß um 50 Prozent senken, lag das republikweite Minus bei nur 23 Prozent. Gerechnet auf jeden Einwohner kam Bottrop auf eine Belastung von 2,44 Tonnen Kohlendioxid, der Bund auf 6,11 Tonnen.

Auch interessant

Drescher ist zufrieden. „Es ist möglich, eine Stadt klimagerecht umzubauen“, sagt er und schiebt sogleich eine Einschränkung hinterher: „Das funktioniert aber nur auf kommunaler Ebene, indem man die Menschen mitnimmt. Und das funktioniert, indem man Hauseigentümern deutlich macht, dass sie durch energetische Sanierung finanziell entlastet werden.“ In der „Energiewende von unten“ sieht der Geschäftsführer von Innovation City den Schlüssel zum Erfolg.

Drescher: „Baut Eure Häuser um, dann könnt Ihr sparen“

„Der Bund verteuert Sprit, Strom und Wärme. Das heißt, die Menschen empfinden Klimaschutz als Belastung“, kritisiert Drescher. „Man darf den Leuten doch nicht nur Angst machen. Wir sagen ihnen: Baut Eure Häuser um, dann könnt Ihr sparen.“

Auch interessant

Und so ist Innovation City einen ganz anderen Weg gegangen: Nach fast 4000 Energieberatungen, die Dreschers Team angeboten hatte, wurden 3657 Wohngebäude energetisch saniert. Das sind rund 36 Prozent des Bestands. Damit kam Bottrop auf eine Sanierungsquote von 3,3 Prozent pro Jahr. Der Bundesdurchschnitt liegt bei nur einem Prozent.

Kaum noch Kohleheizungen in der einstigen Bergbaustadt

Die einstige Bergbaustadt Bottrop hat sich dramatisch verändert. In der Projektregion mit 70.000 Einwohnern ging der Energieverbrauch durch Kohleheizungen seit 2009 um satte 99 Prozent zurück. Dazu beigetragen haben dürfte freilich auch, dass für ehemalige Kumpel das Kohledeputat gestrichen wurde.

Auch interessant

Die Hauseigentümer trennten sich aber auch von ihren alten Ölheizungen. Der Verbrauch ging in Folge um 59 Prozent zurück. „Die Kohleheizungen sind im Quartier praktisch alle weg. Die Leute heizen jetzt mit Fernwärme, Wärmepumpen oder Erdgas“, bilanziert Drescher.

723 Millionen Investitionen in zehn Jahren ausgelöst

Stattdessen setzte sich Bottrop auf den Thron des Sonnengotts in NRW: Im vergangenen Jahr waren dort 77 Prozent der genehmigten Wohngebäude mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet. Aber auch Essen schnitt mit 66 Prozent ganz passabel ab. Schlusslicht Gelsenkirchen kam gerade einmal auf 37 Prozent. Auch bei der Erzeugung von Solarstrom pro Einwohner liegt Bottrop im Landesvergleich weit vorn.

Auch interessant

2010 wurde in Essen der Sieger des Innovation-City-Wettbewerbs des Initiativkreises Ruhr gekürt. Die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sowie der Initiativkreis-Moderator Wulf Bernotat gratulieren Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler zum Erfolg.
Von Matthias Düngelhoff und Norbert Jänecke

Die Sanierung der Wohnhäuser, öffentlichen Gebäude und Gewerbeimmobilien im Projektgebiet lösten Investitionen in Höhe von 723 Millionen Euro aus. 70 Prozent davon trugen Privatleute, 30 Prozent steuerten Bund, Land und Stadt Bottrop in Form von Zuschüssen bei.

OB Tischler: Nun kommt die Mobilitätswende

Die Innovation City GmbH hat in Bottrop ihr Ziel erreicht. Die Beraterteams sind nun innerhalb des Ruhrgebiets ausgeschwärmt und sogar in Osnabrück tätig geworden. Aber auch Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) will sich nicht damit zufrieden geben, den CO2-Ausstoß halbiert zu haben. Nachdem Delegationen aus aller Welt in seine Stadt gepilgert sind, um sich Anregungen zu holen, will sich Tischler nun der Mobilitätswende widmen und kündigt an: „Wir entwickeln die Innovation City Bottrop zur Klimastadt Bottrop. Man wird noch viel von uns hören.“