Bochum. Vonovia testet in Bochum klimaneutrales Wohnen. Aus Solarstrom wird Wasserstoff, der im Winter Heizungen speist. Ein Modell für alle Siedlungen?

Die Idee ist bestechend: Im Sommer wird die Sonnenenergie vom Dach gespeichert, um im Winter damit die Wohnung zu heizen. Ob diese Idealvorstellung des Klimaschutzes durch Einsatz von Wasserstoff als Zwischenspeicher zu verwirklichen ist, will der Immobilienkonzern Vonovia in einer Siedlung in Bochum-Weitmar testen. Am Freitag fiel der Startschuss.

„Die Energiezentrale der Zukunft“ (EZZ) ist ein unscheinbarer Würfel mit zwei Geschossen. Im Innern befinden sich Technologien, die im Laufe des Forschungsvorhabens mit darüber entscheiden werden, ob Wohnquartiere CO2-neutral betrieben werden und zur Erreichung der Klimaziele beitragen können. „Ausschließlich aus eigenen Mitteln“, betont Konzernchef Rolf Buch, hat Vonovia deshalb einen Elektrolyseur, Wasserstoffspeicher, Wärmepumpen und Brennstoffzellen angeschafft, um zunächst 81 Wohnungen in Bochum-Weitmar umweltschonend zu beheizen.

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Denn der Immobilienwirtschaft ist seit längerem klar: Neue Dächer und Heizungen kombiniert mit gedämmten Fassaden werden nicht ausreichen, um Wohngebäude klimaneutral zu machen. Auch bei der Erzeugung von Strom und Wärme müssen erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. Gleichzeitig sollen aber auch die Kosten nicht durch die Decke gehen.

Buch: „Klimaschutz muss bezahlbar sein“

„Für unsere Mieterinnen und Mieter muss der Klimaschutz bezahlbar sein“, betont Vonovia-Chef Buch. Das Bochumer Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, jährlich drei Prozent seiner rund 450.000 Wohnungen in Deutschland energetisch zu sanieren. Durchschnittlich legt das Unternehmen nach eigenen Angaben 1,28 Euro pro Quadratmeter und maximal zwei Euro auf die Mieter um. Hinzu kommen die Heizkosten. Im Gespräch mit unserer Redaktion zeigte sich Buch zuversichtlich, dass CO2-freie Wärme für seine Kunden nicht teurer werde als bislang.

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„Es gibt keinen Energieversorger, der sich mit Altbau-Beständen beschäftigen will“, erklärt der Vonovia-Chef. Deshalb will das Immobilienunternehmen Strom und Wärme selbst erzeugen. Nicht nur die Dächer in Bochum-Weitmar sollen deshalb mit Photovoltaik-Modulen ausgerüstet werden, im besten Fall alle der 590 Vonovia-Siedlungen bundesweit. Die 81 Wohnungen in Weitmar, die an dem Forschungsprojekt teilnehmen, sind bereits ausgestattet.

Gesamte Branche soll Erfahrungen nutzen können

Vom Dach wird der Solarstrom gleich in die „Energiezentrale der Zukunft“ geleitet. Der Elektrolyseur macht aus dem Strom Wasserstoff, der gasförmig in rote Tanks fließt. Wird er zum Heizen gebraucht, macht die angeschlossene Brennstoffzelle aus dem Wasserstoff Wärme. Das Ziel: Die angeschlossenen Haushalte werden zu mindestens 60 Prozent autark mit CO2-freier Wärme versorgt. Allerdings macht der Bochumer Solarstrom, der zur Herstellung von Wasserstoff gebraucht wird, nur 25 Prozent aus. Den Rest muss Vonovia zukaufen.

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„Das ist ein wichtiger Beitrag für die Energiewende und den Klimaschutz“, lobte am Freitag NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) den Start der „Energiezentrale der Zukunft“. Denn die in Bochum gewonnenen Erfahrungen will Vonovia in einem zweiten Schritt nicht nur bundesweit in den eigenen Wohnungen zum Einsatz bringen, sondern auch der Immobilienbranche zur Verfügung stellen.

Minister Pinkwart: EEG-Gesetz behindert Klimaschutz

Mehrfach hat Buch kritisiert, dass er den Strom vom Dach nicht gleich an seine Mieter verkaufen kann, weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dafür hohe Hürden vorsehe. Pinkwart ist da ganz auf der Seite des Vonovia-Chefs: „Das EEG-Gesetz muss weg“, sagte der FDP-Politiker bei seinem Besuch in Bochum. „Es behindert den Klimaschutz, ist hoch bürokratisch und verhindert Innovationen“, so Pinkwart. Allein: Eine Reform kann nur der Bundestag beschließen.

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Während der Dax-Konzern die Kosten für die EEZ selbst trägt, fördert das Land NRW ein zweites Forschungsvorhaben an gleicher Stelle mit 5,3 Millionen Euro: Wissenschaftler unterschiedlicher Fraunhofer Institute und der Ampeer Energy GmbH entwickeln in Bochum-Weitmar ein Innovationsquartier. Bis Ende September 2022 wollen sie untersuchen, wie Bestandsgebäude möglichst energieeffizient und dennoch kostengünstig modernisiert werden können und welche Techniken den CO2-Ausstoß am besten zu senken vermögen. „Das Projekt wird wichtige Impulse für andere Quartiere und somit für ein klimafreundliches Ruhrgebiet insgesamt geben“, meint NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart.