Mülheim. In Mülheim wollen Unternehmen in bester Ruhr-Lage ungenutzte Flächen räumen, um Platz für Neues zu machen. Auch in anderen Städten ist Bewegung.

In keiner anderen Revierstadt ist der Mangel an verfügbaren Gewerbe- und Industrieflächen so groß wie in Mülheim. Dem neuen Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) ist es nun gelungen, die Bereitschaft von Unternehmen einzuholen, sich von Grundstücken zu trennen, die sie nicht mehr benötigen. Ein Beispiel für das gesamte Ruhrgebiet? In Essen und Duisburg bewegt sich der Flächenmarkt ebenfalls.

Die Lage gleich an der Ruhr und gegenüber dem Mülheimer West-Bahnhof könnte nicht besser sein: Zwischen der Innenstadt und dem Stadtteil Styrum liegen die Friedrichs Wilhelm-Hütte, die nicht mehr so viel Platz benötigt; der Stahlhändler Thyssenkrupp Schulte, der sich einen anderen Standort in Mülheim vorstellen kann; die Wasserwerksgesellschaft RWW, die ein kleines Wäldchen abzugeben hat und nicht zuletzt der Discounter Aldi Süd, der ein Logistikzentrum geschlossen hat, aber auch Platz für seine stetig wachsende Konzernzentrale braucht.

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45 Hektar groß könnte das Areal sein, dem die Stadt Mülheim neues Leben einhauchen will. „Das ist das letzte Stück Ruhrgebiet, das man überhaupt noch industriell denken kann“, vermutet OB Buchholz. Doch der Prozess braucht Zeit. „Bis Mitte 2022 werden wir wissen, was man dort überhaupt tun kann“, sagt Felix Blasch. Dem Wirtschaftsförderer und Planungsamtsleiter ist bewusst, dass er dabei „kein dünnes Brett, sondern eher einen dicken Balken“ zu bohren habe. Der Stadt schwebt vor, dass parallel zur Ruhr eine Mischung aus Arbeiten, Produktion, Freizeit und Erholung, Kultur und Event entstehen könnte.

Ruhrgebiet für Thyssenkrupp Schulte von Bedeutung

Die Friedrich Wilhelms-Hütte will nach der Schließung der Eisengießerei ihre Stahlgießerei am Mülheimer Ruhrufer fortführen. Auch Thyssenkrupp Schulte zeigt Verbundenheit. „Das Rhein-Ruhr-Gebiet ist für uns von außergewöhnlicher Bedeutung“, sagt Unternehmenschef Detlef Schotten. „Auch Mülheim ist ein unverzichtbarer Standort für uns.“ Sein Zentrallager versorgt vor allem auch die benachbarten Röhrenwerke von Vallourec mit Werkstoffen und Hohlprofilen. Thyssenkrupp Schulte hat in NRW 1350 Mitarbeiter an Standorten wie Dortmund, Düsseldorf, Essen, Ratingen oder Siegen. In Mülheim kann sich Schotten auch „Ersatzflächen“ als neues Quartier vorstellen und „Dinge im Ruhrgebiet zusammenführen“. Für den Manager gilt vor allem ein Kriterium: „Am Ende muss es passen.“

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Lange sahen sich die großen Revierkonzerne dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden Erweiterungsflächen horten. Die Zeiten scheinen also vorbei zu sein. Im Jahr 2016 hatte der Industriekonzern Thyssenkrupp bereits ein Mammut-Immobilienpaket von 1040 Hektar an die Essener Thelen-Gruppe verkauft. Auf Flächen, die das Unternehmen nicht mehr benötigt, entsteht aktuell etwa der neue Stadtteil Essen 51. Gleich nebenan, im Gewerbepark M1, haben sich auf dem Gelände der ehemaligen Kruppschen Maschinenhalle 1 rund 100 neue Unternehmen angesiedelt. Aus der „Kruppstadt“ am Rande der Essener City wird gerade die Weststadt mit einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten. Aus einem ehemaligen Areal des Energiekonzerns RWE ist der Industriepark Econova entstanden.

Auf dem ehemaligen Bahngelände in Duisburg soll der neue Stadtteil 6-Seen-Wedau entstehen.
Auf dem ehemaligen Bahngelände in Duisburg soll der neue Stadtteil 6-Seen-Wedau entstehen. © Gebag | Gebag

„Wir haben in Essen gute Beispiele für die erfolgreiche Umwandlung von Industrie- in Gewerbeflächen und Kooperationen mit Unternehmen“, resümiert Andre Boschem, Geschäftsführer der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft EWG, betont aber zugleich, dass es weiterer Anstrengungen bedürfe. „Es ist erforderlich, auch zukünftig in Essen Gewerbeflächen für unterschiedliche Branchen und Segmente bereitstellen zu können. Nur so bleiben wir im regionalen, nationalen und internationalen Vergleich wettbewerbsfähig.“

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Viel Bewegung gibt es auch in Duisburg. „Mit ,6-Seen-Wedau’ hat Duisburg das aktuell größte Stadtentwicklungsprojekt in NRW mit nationaler Bedeutung aufgesetzt“, schwärmt Wirtschaftsdezernent Andree Haack. Hier ist es vor allem die Deutsche Bahn, die längs der Regattabahn in bester Lage riesige Brachen an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gebag verkauft hat.

Stadt und Gebag überplanen Bahnflächen in Duisburg

Auf 56,5 Hektar soll ein neuer Stadtteil mit Wohnen und Gewerbe entstehen – nördlich davon 30 Hektar mit Forschungseinrichtungen der Uni Duisburg-Essen, studentischem Wohnen und Gastronomie. „Wir wollen hier gemeinsam mit der Universität einen Technologiepark schaffen, der Duisburg international als Forschungsstandort sichtbar macht“, so Haack. Die Gebag entwickelt parallel das 30 Hektar große Bahngelände direkt am Hauptbahnhof. In den „Duisburger Dünen“ sollen in zentraler Lage Wohnungen und Dienstleistungen Platz finden.

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„In den urbanen Quartieren der Zukunft müssen Arbeiten und Wohnen zusammen gedacht werden“, sagt Rasmus C. Beck, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung in Duisburg. Oberbürgermeister Sören Link (SPD) sieht Vorteile darin, dass die Kommune die Flächen von den Unternehmen erworben hat: „Stadt und Gebag können die Flächen nun so entwickeln, dass sie eine Profilbildung zum Wohle Duisburgs zulassen.“ Die Erfahrungen auf dem Opel-Areal in Bochum und am Phoenixsee in Dortmund zeigten, dass „Entwicklung und Vermarktung erfolgreich gelingen, wenn städtische Akteure Eigentümer der Grundstücke sind“.

>>> Nur wenige Hektar sofort vermarktbar

Alle Daten über gewerbliche und industrielle Grundstücke im Ruhrgebiet sammelt die Business Metropole Ruhr (BMR). Die ungenutzten Flächen von Unternehmen im Besonderen nahmen die Wirtschaftsförderer zuletzt 2014 in den Fokus. Damals kamen im Ruhrgebiet 1587 Hektar zusammen, von denen aber nur 58 Hektar aufgrund ihrer Größe und Erschließung als vermarktbar galten.

Nach Angaben von BMR-Sprecher Benjamin Legrand laufen aktuell Pilotstudien in den Städten Bottrop, Duisburg, Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis. Darin sollen Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wie untergenutzte Flächen rasch für Firmenansiedlungen zur Verfügung gestellt werden können.