Düsseldorf. Eine Nachhaltigkeitsstrategie wird künftig darüber entscheiden, ob Mittelständler Kredite erhalten. Commerzbank sieht in NRW „Luft nach oben“.
Große Konzerne wie RWE, Metro oder Vonovia veröffentlichen in diesen Wochen ihre Nachhaltigkeitsberichte. Das Thema gewinnt immer mehr an Bedeutung. Doch wie weit ist der Mittelstand in NRW, bewusst soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu übernehmen? Eine Studie der Commerzbank kommt zu dem Schluss, dass nur 41 Prozent der Betriebe eine Nachhaltigkeitsstrategie haben, eine große Mehrheit aber das Thema aber als wichtig erkannt hat.
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„Das Thema Nachhaltigkeit bewegt den Mittelstand. Seine Bedeutung hat nicht unter der Corona-Krise gelitten“, sagt Stefan Otto, Commerzbank-Bereichsvorstand für das Firmenkundengeschäft. In einer Umfrage erklärten 85 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in NRW, dass Nachhaltigkeit für sie maßgeblich für den dauerhaften Erhalt ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei.
Klimaschutz und soziale Verantwortung
Die Firmen unterstreichen mit großer Mehrheit, dass ihnen der „achtsame Umgang“ mit Mitarbeitern, Klima- und Umweltschutz sowie soziale und gesellschaftliche Verantwortung wichtig seien. Zumal Nachhaltigkeit immer mehr auch öffentlichkeitswirksam das Image eines Unternehmens prägt. Rund die Hälfte der Mittelständler in NRW sieht in Nachhaltigkeitsthemen ein Instrument, das eigene Erscheinungsbild nach außen aufzupolieren und Kunden an sich zu binden. Vier von fünf befragten Firmen glauben überdies, auf diese Weise ihre soziale Verantwortung unterstreichen zu können.
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Aber nur 41 Prozent geben an, dass sie auch eine Nachhaltigkeitsstragie haben. „Da sehen wir noch Luft nach oben“, meint Otto und verweist auf die Folgen. „Finanzierungen werden zunehmend an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft. Ich wage die Prognose, dass es ohne diesen Nachweis in spätestens zehn Jahren keine Kredite mehr geben wird“, so der Bereichsvorstand. „Die Bonitätsprüfung der Bank wird immer mehr auch von der Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen abhängen. Große Hersteller haben bereits heute klare Nachhaltigkeitskriterien für ihre Zulieferer.“
„Papier einzusparen reicht nicht“
72 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass die Klimakrise zu den „großen Herausforderungen“ gehöre. Der Green Deal, den die EU-Kommission ausgerufen hat, beschäftigt den Mittelstand. Aber nur 17 Prozent haben bislang die Chance erkannt und für sich neue Geschäftsfelder erschlossen. „Papier und CO2 einzusparen und Rohstoffe zu recyceln, ist noch keine Nachhaltigkeitsstrategie“, unterstreicht Otto. Diese ressourcenschonenden Maßnahmen haben immerhin rund 70 Prozent der Mittelständler in NRW ergriffen. Bei anderen nachhaltigen Themen sind sie aber noch längst nicht so weit. Der Umfrage zufolge setzen 40 Prozent erneuerbare Energien ein, 29 Prozent haben damit begonnen, ihren Fuhrpark auf Elektroautos umzustellen, 28 Prozent setzen bei Dienstreisen möglichst auf die Bahn.
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Aus Sicht der Unternehmen gibt es einen zentralen Grund für ihr Zaudern bei klimaschonenden Strategien: die Politik. „Die Mittelständler beklagen zu Recht, dass gesetzliche Rahmenbedingungen unklar sind und Förderprogramme zu unübersichtlich“, urteilt Stefan Otto. Im Hinblick auf eine bessere Orientierung für kleine und mittlere Unternehmen sieht er auch seine Zunft in der Pflicht.“ Da Unterstützung anzubieten, ist vordringliche Aufgabe von Banken“, so Otto.
Nachhaltige Finanzprodukte im Kommen
Doch gerade die Geldinstitute schneiden aus Sicht der Firmen eher schlecht dabei ab, eine Lotsenfunktion zu mehr Nachhaltigkeit zu übernehmen. In der Umfrage bekunden sie großes Interesse an Beratung zu Fördermitteln und Nachhaltigkeitsthemen. Auf die Unterstützung ihrer Banken legen aber nur 29 Prozent wert. Bei der Suche nach neuen Geschäftsfeldern suchen gar nur fünf Prozent der Befragten Rat bei Geldinstituten. „Das ist auch ein Ausrufezeichen für uns als Mittelstandsbank. Da gibt es Nachholbedarf“, Commerzbanker Otto ein.
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An nachhaltigen Finanzprodukten hat immerhin jeder dritte Mittelständler Interesse. Ein Feld, das viele Anbieter gerade besonders in den Fokus nehmen. Otto sieht darin eine hohe Verantwortung der Banken. „Banken selbst müssen Nachhaltigkeit vorleben. Entsprechend sind Nachhaltigkeitsthemen bei uns fest in der Strategie und den Vertriebszielen der Bank verankert“, erklärt er und verweist auf 14 nachhaltige Anleihen mit einem Volumen von 21 Milliarden Euro, die die Commerzbank allein im ersten Quartal dieses Jahres federführend ausgegeben habe.
>>> Forsa befragte Mittelständler in NRW
Im Auftrag der Commerzbank hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa bundesweit Mittelständler ab einem Umsatz von zwei Millionen Euro befragt. In die Stichprobe fielen knapp 600 Firmen in NRW.
Die Befragung fand kurz vor Ausbruch der Corona-Krise im Winter 2020 und in einer zweiten Welle im Spätsommer statt. Signifikante Veränderungen durch die Pandemie beobachtete Forsa nicht.