Essen. Nach seiner Trennung von Tengelmann investiert Christian Winter mit Partnern wie RAG-Stiftung selbst in Start-ups. 300 Millionen im Cusp-Fonds.

Die Gründerszene im Ruhrgebiet hat Fahrt aufgenommen und sie soll Strahlkraft für das ganze Land entwickeln. „Essen und das Ruhrgebiet werden der Nukleus für die Start-up-Szene in NRW“, sagt Christian Winter. Nach seinem Ausstieg beim Handelskonzern Tengelmann im vergangenen Herbst hat Winter mit Partnern einen eigenen 300-Millionen-Euro-Fonds ins Leben gerufen, der junge Unternehmen unterstützen will.

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Es war im Oktober 2020, als bekannt wurde, dass Tengelmann seine Venture-Capital-Gesellschaft völlig neu aufstellt und nach München verlagert. Das bisherige Team um Christian Winter, Jan Sessenhausen, Helmut Klawitter und Wilken Engelbracht entschied sich, allein weiterzumachen. Inzwischen ist ihre neue Firma Cusp Capital in Essen an den Start gegangen. „Mit unserem Fondsvolumen von 300 Millionen Euro gehören wir zu den größten Venture-Capital-Kapitalgebern in Deutschland“, sagt Winter.

Cusp-Partner: KfW, RAG-Stiftung, Tengelmann und andere

Cusp Capital ist es gelungen, große Partner mit ansehnlichen Geldsummen mit ins Boot zu holen: den European Investment Fund, KfW Capital, RAG-Stiftung, NRW-Bank sowie „namhafte Family Offices und Unternehmer“. Unter ihnen sind die Mülheimer Tengelmann-Gruppe und der Essener Gründer Jakob Fatih. Die weiteren wollen ungenannt bleiben.

Cusp Capital - Christian Winter (49) Foto: M.Godehardt
Cusp Capital - Christian Winter (49) Foto: M.Godehardt © Cusp Capital | M.Godehardt

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Ihren Sitz will Cusp Capital dort nehmen, wo künftig das Herz der Gründerhauptstadt Essen schlagen wird: im Colosseum. Die RAG-Stiftung hat die ehemalige Musical-Spielstätte erworben und will sie zu einem Gründerzentrum umbauen. Bis zur Fertigstellung will die Stiftung Räume im gegenüberliegenden Turm der Funke Mediengruppe am Limbecker Platz anmieten. Dorthin wolle auch Cusp Capital vorübergehend ziehen, kündigt das Unternehmen an.

Mit ersten Start-ups, an denen Cusp Interesse hat, ist Winter bereits im Gespräch. „Wir planen 25 bis 30 Investments. Unsere Investitionshöhe liegt am Anfang pro Beteiligung zwischen drei und acht Millionen Euro“, sagt der Unternehmer. Allein in diesem Jahr will Cusp Capital bei „sechs bis sieben“ Start-ups einsteigen. Die Essener sind dabei, junge Firmen in Continental-Europa zu identifizieren, die in ihren Fokus passen: Technologie-Unternehmen, die die beiden Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander vereinen.

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„Nachhaltigkeit wird die Wirtschaft ähnlich fundamental verändern wie die Digitalisierung“, prophezeit Winter. „Wir sind erst am Anfang eines totalen Umdenkens, das zu völlig neuen Geschäftsmodellen, Lieferketten und Methoden der Unternehmenssteuerung führen wird.“ Der Cusp-Partner zieht einen Vergleich: „Beim Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Digitalisierung stehen wir im Moment da, wo das Telefon vor 100 Jahren war.“

Winter: Nachhaltigkeit und Digitalisierung verbinden

Winter ist davon überzeugt, dass Start-ups mit innovativen Ideen etablierten Konzernen bei dieser Transformation helfen können, aber auch selbst marktführende Positionen einnehmen werden. „Viele Unternehmen haben Probleme mit der Digitalisierung, und jetzt kommt noch der Druck durch das große Thema Nachhaltigkeit hinzu. Dadurch entsteht ein riesiges Disruptionspotenzial.“

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Auch wenn sich Tengelmann und Winter nach zwölf Jahren der Zusammenarbeit getrennt haben, ist der Handelskonzern auch bei Cusp Capital investiert. Parallel ist Unternehmenschef Christian Haub gerade dabei, seine Investmentstrategie mit Wagniskapital neu auszurichten. „Innovation rund um den End-Konsumenten“ werde weiterhin eine große Rolle spielen, aber auch Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Als Beispiel nennt er den Trend zu alternativen Proteinen als Fleischersatz. Der Sprecher betont: „Tengelmann Ventures wird ein aktiver Teilnehmer im Venture-Capital-Markt in Deutschland und Europa bleiben.“

Aktuell hält Tengelmann Beteiligungen an 22 jungen Unternehmen – unter ihnen der Bezahldienst Klarna, Otto Gourmet und Coffee Circle.

>>> Zur Person: Christian Winter

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Dortmund begann Christian Winter seine Karriere im Parfümerie-Konzern Douglas, wo er das Onlinegeschäft aufbaute.

1999 gründete der gebürtige Dortmunder in Berlin sein eigenes Start-up und stieg 2002 bei Finanztreff.de wieder aus.

Nach Stationen bei IBM und Pironet wurde Winter Geschäftsführer der E-Commerce-Tochter des Essener Warenhauskonzerns Karstadt. 2009 wechselte er zur Tengelmann-Gruppe nach Mülheim.