Düsseldorf. Die Sparda-Bank West führt Negativzinsen ein – schon ab 25.000 Euro. „Wir müssen uns vor zu viel Geld schützen“, sagt Chef Manfred Stevermann.
Die in der Corona-Krise wachsende Sparquote der Anleger bereitet den Banken zunehmend Probleme. Für die Guthaben müssen sie selbst 0,5 Prozent Negativzinsen zahlen. Laut Schätzungen geben bis zu 400 Banken die Folgen des Zinstiefs an ihre Kunden weiter. Vorstandsvorsitzender Manfred Stevermann erklärt im Interview, warum die genossenschaftliche Sparda-Bank West nicht mit Einlagen „überflutet“ werden will und deshalb Negativzinsen schon ab 25.000 Euro nimmt.
Herr Stevermann, Sie sagen offen, dass die Sparda-Bank West nicht „von neuen Einlagen überflutet“ werden wolle. Sollen Ihre Kunden ihr Geld nicht mehr zu Ihnen tragen?
Manfred Stevermann: Wenn sie es tun, ist das natürlich ein Vertrauensbeweis für uns. Für die Kunden und auch für uns als Sparda-Bank bringt es aber nichts, das Geld aufs Giro- oder Tagesgeldkonto zu legen. Im vergangenen Jahr haben wir netto 531 Millionen Euro als Einlagen dazubekommen. Dafür müssen wir 0,5 Prozent Strafzinsen bei unserer Zentralbank, der DZ Bank, bezahlen. Das ist für uns ein erheblicher Aufwand. Deshalb müssen wir uns vor zu viel Geld schützen.
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Sie reagieren mit Strafzinsen für ihre Kunden vergleichsweise spät. Das Vergleichsportal Verivox hat ermittelt, dass bereits 300 Geldinstitute in Deutschland Strafzinsen und Verwahrentgelte verlangen.
Stevermann: Das haben wir natürlich auch gespürt. Wenn unsere Wettbewerber Strafzinsen erheben, können wir davor nicht die Augen verschließen. Da ist ein Dominoeffekt angestoßen worden. Wir hatten gehofft, dass die Einlagen nicht so stark wachsen. Aber die Leute wollen in schlechten Zeiten etwas auf die hohe Kante legen. Zudem kommen sie im Lockdown ja gar nicht mehr dazu, Geld auszugeben. Und all dies merken wir sehr stark. Auch wenn wir immer schon eine Bank mit hohen Einlagen unserer Kunden waren.
Die neue Regelung gilt seit dem 1. April. Wie haben Ihre Kunden reagiert?
Stevermann: Das kann ich Ihnen noch gar nicht sagen. Es gibt einige Nachfragen. Da wir aber bei den großen Vermögen beginnen, die Verträge umzustellen, wird der Prozess eine Weile dauern und in der Breite erst später spürbar sein. Als wir im März unsere Vertreterkonferenzen informiert haben, gab es keinen Protest. Vor drei Jahren hätten mich unsere Genossen noch von der Bühne geholt. Die Zeiten haben sich geändert.
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Andere Häuser nehmen Negativzinsen erst ab einer Summe von 100.000 Euro. Auf Girokonten der Sparda-Bank West liegt der Freibetrag bei 25.000 Euro, auf Tagesgeldkonten bei 50.000 Euro. Warum langen Sie so kräftig zu?
Stevermann: Andere Banken justieren bereits nach. Man darf den Kunden doch nicht mit einer Salamitaktik kommen und die Grenzen immer wieder korrigieren. Die Freibeträge der Sparda-Bank West halten wir für vernünftig. Wir haben nur Privatkunden und dass sie mehr als 25.000 Euro auf dem Girokonto liegen haben, kommt selten vor. Deshalb erwarte ich, dass 90 Prozent unserer Kunden gar nicht von den Negativzinsen betroffen sein werden.
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Sie haben die Einführung im Gegensatz zu manchem Wettbewerber in bemerkenswerter Offenheit angekündigt. Warum?
Stevermann: Das ist doch unser Job. Wir wollen freundlich und fair sein. Man darf den Kunden doch nicht mit einer Salamitaktik kommen. Ich glaube, dass die Auswirkungen des Dauerzinstiefs inzwischen auch ein gewisses Verständnis ausgelöst haben.
Wie wirken sich die Zinsausfälle auf die Ertragskraft der Sparda-Bank West aus?
Stevermann: Vor dem Tief waren unsere Zinserträge immer einträglich. Das ist aber lange vorbei. Auf dem Nullzins-Niveau machen wir keine Marge mehr. Die Lücke müssen wir durch Provisionen schließen, die wir bei der Vermittlung von Finanzprodukten und Immobilien erhalten. Im übrigen ist die Kontoführungsgebühr auch eine Provision. Vor Jahren wären Gebührenerhöhungen für uns kein Thema gewesen. Die Provisionen fangen aber auch nur zur Hälfte die Zinsausfälle auf. Und Corona hat die Hoffnungen auf eine Zinswende zerschossen.
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Mit rund 600.000 Mitgliedern sind sie die mitgliederstärkste der elf Sparda-Banken in Deutschland. Erhalten die Genossen trotz der mauen Ertragslage eine Ausschüttung?
Stevermann: Einen Genossenschaftsanteil bei der Sparda-Bank West kann man für 52 Euro erwerben. Im vergangenen Jahr haben wir für das Geschäftsjahr 2019 eine Dividende von 1,5 Prozent ausgeschüttet. Auch in diesem Jahr wollen wir eine Gewinnausschüttung vornehmen,wenn dies unsere Jahresbilanz erlaubt. Das steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bankenaufsicht Bafin.
Allerorten schließen Banken und Sparkassen Filialen. Wie weit sind die Pläne der Sparda-Bank West gediehen?
Stevermann: Wir werden unser Geschäftsstellennetz bis zum Ende des Jahres auf 41 oder 42 Standorte halbiert haben. Im Ruhrgebiet werden wir aber in fast jeder Stadt ab 100.000 Einwohnern weiter vertreten sein. Zum Teil legen wir Filialen zusammen. Das macht Sinn. Denn wir haben festgestellt, dass die Kunden für das alltägliche Geschäft keine Bank mehr aufsuchen. Überweisungen sind online bequemer. Die Menschen kommen bei größeren Anlässen wie zur Beratung bei einer Baufinanzierung in die Filiale. Das ist auch künftig sichergestellt.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Geschäft aus?
Stevermann: Größere Kreditausfälle haben wir bislang zum Glück nicht zu beklagen. Natürlich sehnen wir das Ende der Pandemie herbei. Von der Bundesregierung würden wir uns aber wünschen, dass sie die Corona-Hilfen zügiger auszahlt. Auch unsere Kunden. Viele warten darauf.
>>> Sparda-Bank West schließt Filialen
Die Sparda-Bank West ist mit einer Bilanzsumme von rund 13 Milliarden Euro die zweitgrößte der elf Sparda-Banken in Deutschland. Sie ist zwischen Wilhelmshaven und Aachen vertreten. Ein Schwerpunkt liegt im Ruhrgebiet.
Seit 2019 ist die genossenschaftliche Bank dabei, ihr Filialnetz zu straffen. 23 von einst 80 Filialen werden zusammengelegt, zu SB-Centern umgewandelt oder geschlossen. 18 weitere Standorte sollen in diesem Jahr folgen.
Zusammenlegungen im laufenden Jahr plant die Sparda-Bank West an den Ruhrgebietsstandorten Essen, Duisburg, Dortmund, Herne und Oberhausen. Die Geschäftsstelle in Recklinghausen soll zum 30. September schließen.